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# taz.de -- „Heimatabend“ im Schloss Bellevue: Steinmeiers Nächte sind lang
> Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lädt zum „Heimatabend“ mit
> migrantischen Künstlern. Auch Almancı tanzen begeistert zu Musik von DJ
> Ipek.
Bild: Adam Bousdoukos, Cymin Samawatie, Ersan Mondtag diskutieren mit Moderator…
Dass der Gassenhauer [1][„Kreuzberger Nächte sind lang“] im Schloss
Bellevue ertönt, kommt auch nicht alle Tage vor. Insofern war es
gewöhnungsbedürftig, als Sultan Tunc am Donnerstagabend die kleine Bühne
des dortigen Festsaals bestieg.
Im weißen Nadelstreifen-Anzug, mit coolen Sneakers gab der deutschtürkische
Rapper mit dem Rasta-Zopf die arabeske Version eines Erfolgshits zwischen
zwei cremefarbenen Kissengemälden des deutschen Malerfürsten Gotthard
Graubner zum Besten. Das Publikum tobte.
Der Zeitpunkt für den „Heimatabend“, zu dem Bundespräsident
[2][Frank-Walter Steinmeier] in seinen Amtssitz geladen hatte, hätte nicht
besser gewählt sein können. Während sich in Erfurt die parlamentarische
Speerspitze des Neovölkischen über ihre gelungene Wahl-Scharade freuen
durfte, entfaltete sich in den Sälen des frühklassizistischen Baus im
Tiergarten demonstrativ eine Heimat, wie sie diverser nicht sein könnte.
„Heimat gibt es auch im Plural“, leitete Steinmeier betont programmatisch
eine Soirée ein, die von einer Pionierin der Diversität wie der
Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar über das Berliner Quartett
„Cyminology“ bis zu Ersan Mondtag, dem Shooting-Star der postmigrantischen
Dramatik, reichte. Schnipsel aus Fatih-Akin-Filmen sorgten für ein paar
hübsche Verfremdungseffekte.
## Längst nicht nur entspannte Multikultur
„Vor zehn, fünfzehn Jahren wäre das so noch nicht vorstellbar gewesen“,
staunte Ijoma Mangold über das bunte Setting. Der Zeit-Kritiker, selbst
Deutscher mit nigerianischem Hintergrund, moderierte eine Gesprächsrunde,
die der schleichenden Veränderung der deutschen Heimat von den
„Gastarbeitern“ bis zu den Tücken der Identitätspolitik nachspürte.
In dem vielfältigeren Deutschland, das seitdem entstanden ist, wollen
Menschen mit migrantischem Hintergrund wie die in Deutschland geborene
Sängerin Cymin Samawatie („Cyminology“) oder der in Berlin geborene Ersan
Mondtag einfach nur gute Kunst machen. Sie sind es leid, irgendwelchen von
außen an sie herangetragenen Rollenklischees gerecht werden zu müssen.
Längst ist da aber noch nicht die entspannte Multikultur entstanden, die
alle gern beschwören. Es stimme etwas nicht, wenn seinem Vater „der Gang
auf das Amt mehr Angst einjage als eine Waffe im Gesicht“, goss der
Schauspieler Dimitrij Schad, der mit acht Jahren vom kasachischen Almaty
nach Deutschland zog und 2013/14 zum Nachwuchsschauspieler des Jahres
gekürt worden war, Wasser in den Wein des deutschen Selbstbildes von der
Willkommenskultur.
Er sei einmal Zeuge gewesen, als die kasachische Mafia seinen Vater im Auto
mit der Waffe bedrohte und ihm Lösegeld abpresste. Da habe er ihn cooler
erlebt als an den Tagen, wo der Vater in Deutschland aufs Amt musste.
Alles in allem ein gelungener Abend, selbst wenn es nur Symbolpolitik war.
Die deutsche Xenophobie beseitigt ein solcher Heimatabend sicher nicht.
Doch das Zeichen kam an.
„Uns gehört der Serail“, begeisterte sich eine Almancı zu vorgerückter
Stunde, als der offizielle Empfang unter der Vinylführung von DJ Ipek (İpek
İpekçioğlu) in eine Disco ausartete, die dem SO36, in dem die queere
Musikantin und antirassistische Aktivistin sonst die Kreuzberger Nächte
aufheizt, jede Ehre machte. „Könntest du dir vorstellen, dass Erdoğan so
einen Abend in seinem Palast macht?“, fragt mich die Freundin. „Ich nicht!�…
7 Feb 2020
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=tQYQ9nhWw7Q
[2] /Shoah-Gedenken-im-Bundestag/!5657025
## AUTOREN
Ingo Arend
## TAGS
Frank-Walter Steinmeier
Schloss Bellevue
Maxim Gorki Theater
Migration
Queer
Diversität
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Literaturwissenschaft
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Theater Berlin
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