| # taz.de -- Queeres Jubiläum im SO36: „Gayhane heißt Schwulenhaus“ | |
| > „Gayhane“, die queer-orientalische Partyreihe im SO36, feiert am Samstag | |
| > Zwanzigjähriges. Ein Gespräch mit Sabuha, Ipek und Frieda. | |
| Bild: Bereit für die Feier zum Zwanzigjährigen: DJ Ipek und Sabuha vom Gayhan… | |
| taz: Ipek, die Partyreihe Gayhane feiert an diesem Samstag im SO36 ihr | |
| zwanzigjähriges Jubiläum. Das Konzept, queere Partys mit orientalischer | |
| Musik zu veranstalten, war damals revolutionär und ist immer noch ein | |
| großer Erfolg. Wie ging es einst los mit Gayhane? | |
| Ipek: Damals haben Fatma Souad und Cihangir Gümüştürkmen mit dem Salon | |
| Oriental im SO36 in Kreuzberg begonnen. Der Salon Oriental war so etwas | |
| wie ein türkisches LGBTQI-Kabarett-Format, wo es inhaltlich auch stark um | |
| Themen wie Rassismus und Migration, Sexismus und Homo- und Transphobie | |
| ging. Sabuha kam dann später mit in deren Veranstaltungsteam. | |
| Sabuha: Das Kabarett ging so eine bis eineinhalb Stunden lang und wurde | |
| hauptsächlich von einem türkischen Publikum besucht. Aber danach wollten | |
| die Leute nicht sofort wieder nach Hause gehen, sie wollten sich noch | |
| weiter amüsieren. Und da haben wir gesagt: Okay, und holten Ipek als DJ | |
| hinzu. Gayhane war dann bald eine Art Afterparty des Salon Oriental. Und | |
| 1998 wurde daraus eine eigenständige Partyreihe. | |
| Ipek: Durch den Erfolg des Salon Oriental und dann von Gayhane wurde | |
| überhaupt erst so richtig klar, dass es ziemlich viele queere Migrant*innen | |
| aus dem orientalischen Raum in Berlin gibt, die auch ausgehen wollten. | |
| „Gayhane“, was bedeutet das? | |
| Sabuha: „Hane“ steht im Arabischen und im Türkischen für Haus. Gayhane | |
| heißt also so viel wie Schwulenhaus. | |
| Queere Partys, dezidiert für ein migrantisches Publikum, bei denen es | |
| orientalische Musik zu hören gibt und Bauchtanz zum Programm gehört: Wie | |
| lange hat es gedauert, bis die Leute kapiert haben, was bei euch passiert? | |
| Sabuha: Gayhane war eigentlich gleich ein Erfolg und ist immer noch eine | |
| der am besten besuchten Partys im SO36. Aber es steckt auch sehr viel | |
| Arbeit und Werbung hinter dem Erfolg, zumindest am Anfang. Und sehr viel | |
| Aufklärung. Auch darüber, dass unsere Gäste bei uns einen geschützten Ort | |
| vorfinden würden. Das galt von Anfang an auch für Leute, die noch nicht | |
| geoutet waren oder sich nicht outen wollten. | |
| Ipek: Es kamen von Beginn an auch Besucher aus anderen Städten und anderen | |
| Ländern zu Gayhane. Aus Hamburg, aus Italien, Spanien, sogar aus Istanbul. | |
| Weil sie wussten, bei uns konnten sie in der Anonymität lesbisch, schwul, | |
| trans, inter, aber auch orientalisch, türkisch, kurdisch, arabisch oder was | |
| auch immer sein, ohne dass sie rassistisch, homo- oder transphob angemacht | |
| würden. | |
| Sabuha: Gayhane ist immer noch die einzige Party in Deutschland, und ich | |
| würde sogar sagen, auf der ganzen Welt, die in solch einem Ausmaß die | |
| Stichworte queer und orientalisch zusammenbringt. | |
| Ipek: Gayhane ist weltweit bekannt. Sogar die New York Times hat schon über | |
| uns berichtet. | |
| Arabischstämmige Migranten, das sind die, die in Kreuzberg Schwule | |
| verprügeln, so ein gängiges Klischee in Deutschland. Ihr zeichnet da ein | |
| ganz anderes Bild. | |
| Ipek: Das stimmt. Erst mit Gayhane hat sich auch in Berlin das Bewusstsein | |
| entwickelt: Aha, es gibt da eine Community von Leuten, die einen | |
| Migrationshintergrund haben, aber auch LGBTQI sind. | |
| Gayhane ist somit auch eine politische Veranstaltung? | |
| Ipek: Gayhane ist jedenfalls nicht nur eine Party, auf der du Shaka Shaka | |
| machst und tanzt. Es geht auch um Diskurse wie Islam und Homosexualität, | |
| Migration und Homosexualität. 50 Cent vom Eintrittspreis jedes Besuchers | |
| gehen zudem immer an ein soziales Projekt aus der queeren Szene. Eine Zeit | |
| lang haben wir auch Türkischunterricht gegeben. „Sana mı? Bana mı?“ – … | |
| dir oder zu mir?“, haben wir auf der Bühne den Leuten beigebracht. Oder: | |
| „Hayır Hayır demektir!“ – „Nein heißt Nein!“ | |
| Die Berliner Zentrale der Grauen Wölfe, einer rechtsnationalen türkischen | |
| Gruppierung, sitzt gleich um die Ecke vom SO36. Gab es mit denen | |
| Auseinandersetzungen? | |
| Sabuha: Ja, die Grauen Wölfe sind nebenan, aber es gab noch nie Probleme | |
| mit denen. Es gab eigentlich sowieso nie unschöne Szenen bei uns. Höchstens | |
| am Einlass kommt es manchmal dazu, dass wir von Leuten, die nicht | |
| reingelassen werden, als Rassisten beschimpft werden. Obwohl wir selbst | |
| Migrationshintergrund haben. | |
| Ipek: Ich glaube auch gar nicht, dass wir groß andere Probleme haben als | |
| andere Partys in Berlin auch. | |
| Und wenn etwa kurdischer Migrationshintergrund auf türkischen trifft, | |
| Erdoğan-Gegner auf Erdoğan-Freund, bleibt da auch immer alles friedlich? | |
| Ipek: Ob Arabischer Frühling oder Erdoğan: das bleibt alles vor der Tür. Es | |
| gibt bei uns keinen Platz für Nationalisten. Wir sind einfach Menschen, die | |
| sich amüsieren möchten. | |
| Frieda: Deswegen sind wir auch gegen Fahnen. Würden glühende | |
| Deutschlandfans vom Fußballspiel mit Fahnen zu uns kommen wollen, oder | |
| AfDler, sie kämen nicht rein. Leute mit türkischen Fahnen auch nicht. | |
| Ihr habt vorhin gesagt, Gayhane schaffe einen geschützten Ort, wo niemand | |
| befürchten müsse, geoutet zu werden, wenn er oder sie das nicht will. Wie | |
| schafft man diese Privatsphäre, auch wenn jeder sein Handy ständig bei sich | |
| hat? | |
| Sabuha: Bei uns gibt es ein Foto- und Filmverbot. Und wenn sich jemand | |
| nicht daran hält, bekommt er oder sie Hausverbot. | |
| Frieda: Viele Gäste betrachten Gayhane inzwischen als ihr Zuhause. Die | |
| Leute kennen sich teilweise untereinander. Manche hatten auch ihr | |
| Coming-out bei uns. Zumindest das Stammpublikum fühlt sich dafür | |
| mitverantwortlich, dass die Privatsphäre gewahrt wird. Wenn jemand doch | |
| Fotos macht, bekommen wir darüber auch Bescheid gesagt. Genau das wollen | |
| wir auch: Dass die Leute sich mit unserem Partykonzept identifizieren und | |
| sich selbst verantwortlich fühlen. Und es funktioniert. | |
| Ihr veranstaltet maximal offene Partys. Für LGBTQIs, aber auch Heteros sind | |
| willkommen. Für Migranten und für Biodeutsche. Wie kriegt man es bei | |
| einer derartigen Durchmischung des Publikums hin, trotz alledem den | |
| Oriental-queer-Charakter zu bewahren? | |
| Sabuha: Wir achten schon darauf, dass es queer bleibt. Heteros sind | |
| willkommen, solange sie sich bei uns benehmen. | |
| Ipek: Das kann mensch schon lenken, und mensch muss dann auch mal | |
| gegensteuern. Wenn etwa zu viele heterosexuelle Männer auf der Party sind, | |
| kommen die Lesben nicht. Oder die Schwulen sagen, es ist nicht mehr | |
| lesbisch-schwul genug. Und oriental bleiben wir schon allein durch unsere | |
| Musik. | |
| Durch die Arabesk-oriental-Musik, die euer Markenzeichen ist. Kommen alle | |
| Besucher mit der zumindest für Biodeutsche ungewohnten Musik immer gut | |
| klar? | |
| Ipek: Ich bekomme beim Auflegen schon immer wieder Fragen zu hören wie: | |
| Wieso spielst du nicht auch mal normale Musik? Was soll denn das sein, | |
| normale Musik, frage ich dann zurück. Zum Beispiel Madonna, heißt es dann, | |
| oder Electro. Sorry, aber das ist eine Oriental-Party, stell ich dann klar. | |
| Wenn du auf eine Party willst, wo du deine „normale“ Musik hören kannst, | |
| hast du an einem Samstag in Berlin 200 andere Möglichkeiten. | |
| Frieda: Orientalisch bedeutet aber auch nicht nur türkisch oder arabisch. | |
| Es bedeutet auch afghanische, persische, indische Musik. Oder Musik vom | |
| Balkan. | |
| Ipek: Es bedeutet auch griechische, albanische, rumänische, bulgarische, | |
| marokkanisch-arabische Musik, Klezmer, palästinensische, kurdisch-syrische, | |
| kurdisch-irakische Musik. Und traditionelle Volkstänze wie Dabke, Gowend, | |
| Halay oder Tarantella. Und Belly-Dance. Aber auch Brasilian Funk oder | |
| Balkan Ska. Das Spektrum ist unendlich groß. | |
| 25 Jan 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
| ## TAGS | |
| Queer | |
| Berliner Nachtleben | |
| SO36 | |
| Frank-Walter Steinmeier | |
| SO36 | |
| Queer | |
| Nachtleben | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| „Heimatabend“ im Schloss Bellevue: Steinmeiers Nächte sind lang | |
| Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lädt zum „Heimatabend“ mit | |
| migrantischen Künstlern. Auch Almancı tanzen begeistert zu Musik von DJ | |
| Ipek. | |
| Berliner Alltagspolitikerin Sabuha Salaam: „Toleranz? Pfffff!“ | |
| Sabuha Salaam hat die Gayhane-Party mitbegründet und die | |
| Interessenvertretung queerer Einwander*innen GLADT. Mit dem Wort Toleranz | |
| hat sie ihre Probleme. | |
| Neue queere Partyreihe: „Berlin akzeptiert dich“ | |
| Emrah, queer und aus Turkmenistan geflüchtet, will mit der neuen Partyreihe | |
| „Harem“ andere queere Flüchtlinge ermutigen, sich nicht zu verstecken. | |
| Vielfalt der Berliner Clubkultur: Das Nachtleben der Anderen | |
| Der Sound of Berlin war nie nur Punk, New Wave, Techno und Electro. Doch | |
| das wird von einigen Chronisten der Club-Szene gerne übersehen. |