# taz.de -- Statistik zu Obdachlosen: Deutschland sucht die Wohnungslosen | |
> 2022 soll gezählt werden, wie viele wohnungslose Menschen in Deutschland | |
> leben. Darüber debattiert nun der Bundestag. | |
Bild: Wohnungslose im Berliner U-Bahnhof Lichtenberg | |
BERLIN taz | Wie zählt man Wohnungslose? Was sich nach einer einfachen | |
Frage anhört, ist in der Praxis methodisch kompliziert. Das Land [1][Berlin | |
hat sich für eine umfassende Zählung] entschieden. Rund 1.600 Freiwillige | |
werden dort am 29. Januar ausschwärmen, um Menschen ohne Wohnung im | |
öffentlichen Raum zu zählen. Davon erhofft sich die Senatsverwaltung für | |
Soziales Daten, um Hilfe zukünftig genauer steuern zu können. Bisher | |
reichen die Schätzungen von 2.000 bis 20.000 Wohnungslosen in der | |
Hauptstadt. | |
Ohne Probleme ist die Zählweise nicht: Doppelzählungen, etwa wenn sich ein | |
Wohnungsloser während der Zählung von einem Ort zu einem anderen bewegt, | |
sollen zwar vermieden werden. Da die Betroffenen aber nicht nach ihrem | |
Namen gefragt werden, können sie nicht ausgeschlossen werden. Und | |
gefährliche Orte sind von der Zählung ausgenommen. Im Tiergarten hatte 2017 | |
ein Wohnungsloser eine Frau ermordet. Eine Gruppe von Wohnungslosen in dem | |
Park war dem Bezirksamt seit langem als aggressiv bekannt gewesen. | |
Bisher kümmern sich nur einige Bundesländer um verlässliche Daten zu | |
Wohnungslosen, bundesweite Daten fehlen. Das soll [2][ein Gesetzentwurf der | |
Bundesregierung] ändern, der am Donnerstag im Bundestag auf der | |
Tagesordnung steht. Am Montag unterstützten ihn in einer Expertenanhörung | |
die zuständigen Fachverbände von der Caritas bis zum Paritätischen | |
Wohlfahrtsverband grundsätzlich. | |
Kritik gab es an Details: Die Daten, die erstmals am 31. Januar 2022 | |
erhoben werden sollen, beschränken sich auf Wohnungslose in Unterkünften. | |
Das vereinfacht die Zählung, erfasst aber ausgerechnet diejenige Gruppe | |
nicht, die die Wohnungslosigkeit am stärksten trifft. Die [3][„klassische | |
Kerngruppe“ der Wohnungslosen] – also die, die auf der Straße leben – ni… | |
einzubeziehen, sei nicht nachvollziehbar, argumentierte die | |
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG). | |
Birgit Fix (Caritas) sprach von einem „Einstieg in die Statistik“, der mit | |
dem Gesetz erfolge. Sie kritisierte, dass auch Personen, die zwar | |
wohnungslos, aber nicht obdachlos sind, von der Erhebung nicht erfasst | |
würden – also Menschen, die aus ihrer Wohnung ausziehen mussten, aber bei | |
Freunden oder Bekannten untergekommen sind. Sie in einer Statistik zu | |
erfassen, sei zum Beispiel über die Abfrage bei Beratungsstellen möglich. | |
Auf die Kritik der Experten reagierten Union und SPD im zuständigen | |
Sozialauschuss mit einem Ergänzungsantrag: So soll im ersten | |
Wohnungslosenbericht 2022 die Ausweitung der Datenerhebung auf | |
Wohnungslose, die auf der Straße oder bei Freunden leben, geprüft werden. | |
Der Gesetzentwurf sei „ein wichtiger Schritt, der noch nicht ausreicht“, | |
sagte Wolfgang Strengmann-Kuhn, armutspolitischer Sprecher der grünen | |
Bundestagsfraktion, der taz. Seine Partei will ebenso wie Linke und FDP dem | |
Gesetz samt Ergänzungsantrag zustimmen. | |
15 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Wohnungslosigkeit/!5608010 | |
[2] https://www.bundestag.de/ausschuesse/a11#url=L2Rva3VtZW50ZS90ZXh0YXJjaGl2Lz… | |
[3] /Wohnungs--und-Obdachlosigkeit/!5636956 | |
## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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