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# taz.de -- Arbeit in Serie: die Ehrenamtlerin: „Solange die Gesundheit mitma…
> Elzbieta Stolarczyk ist ehrenamtliche Koordinatorin der Wärmestube am
> Bundesplatz. Sie wünscht sich statt schöner Worte lieber einen höheren
> Zuschuss.
Bild: „Die Gäste sollen sich bei uns wie im Café fühlen“, sagt Elzbieta …
## Der Arbeitsort
Schon mittags herrscht in der Wärmestube im „Haus der Caritas“ am
Bundesplatz reger Betrieb. Drei Ehrenamtliche sind mit Kaffeekochen und dem
Vorbereiten von Käse- und Wurstplatten beschäftigt, Tassen und Löffel
wollen auf die Tische verteilt werden. Auch Elzbieta Stolarczyk, die
ehrenamtliche Koordinatorin der Einrichtung, findet kaum Zeit für ein
Gespräch, denn erst wird ein neuer Kühlschrank geliefert, später müssen die
Obst- und Gemüsekisten in Empfang genommen werden, die der Bus der Berliner
Tafel vorbeibringt. „Wenn die Gäste kommen, sollen sie sich bei uns wie im
Café fühlen“, erklärt Stolarczyk. Der zum Bundesplatz hin verglaste Raum
fühlt sich tatsächlich mehr wie ein Bistro, weniger wie eine
Hilfseinrichtung an. Auch der Boden ist nicht mit Linoleum, sondern mit
rotem Teppich ausgelegt. In den Wintermonaten können sich Wohnungslose und
arme Menschen hier täglich von 15 bis 18 Uhr aufwärmen, etwas essen, sich
unterhalten oder Karten spielen. Eine Bedürftigkeitsprüfung gibt es nicht.
„Wenn jemand zu uns kommt, heißt das, der braucht das.“
## Der Mensch
Elzbieta Stolarczyk ist eine energische Person mit silbern gerahmter Brille
und hellgrauem, kurzem Haar. „Ohne meinen Mann könnte ich das nicht
schaffen, den habe ich mit eingewickelt“, erklärt die Rentnerin. Für
Transporte mit dem Auto ist der Ehemann zuständig, die Beziehung komme
neben dem Ehrenamt „nicht zu kurz. Ich würde mich eher komisch fühlen, wenn
wir zusammen ins Thermalbad gehen würden.“ Die zwei Söhne und die Enkel
leben nicht in Berlin. „Gott sei Dank, sonst hätte ich sie auch noch
eingewickelt“, sagt Stolarczyk lachend.
## Wie alles begann
25 Jahre lang hat Stolarczyk hauptberuflich für die Caritas gearbeitet, hat
zuletzt als Geschäftsführerin des Unterverbandes CKD die Ehrenamtlichen im
Erzbistum Berlin koordiniert. Die Wärmestube fiel schon damals in ihre
Verantwortung. „Ich war immer in der Pfarrgemeinde und in verschiedenen
Gremien engagiert. Als ich vor zweieinhalb Jahren in Rente gegangen bin,
dachte ich: Jetzt reicht es! Ich wollte gar nichts mehr machen – einfach
nur ausschlafen können.“
Doch nach ein paar Monaten kam der Anruf von ihrem hauptamtlichen
Nachfolger, den die Wärmestube überforderte. „Ich überlegte kurz und habe
dann zugesagt, dass ich ehrenamtlich weitermache. Ich hatte zuvor für eine
sehr professionelle Ausstattung in der Küche gesorgt, ich wollte nicht,
dass das alles zusammenbricht.“ Auch „ihre“ Ehrenamtlichen wollte
Stolarczyk nicht enttäuschen – „die sind teilweise schon 20 Jahre dabei“.
## Die Branche
Überwiegend Rentner*innen seien es, die sich in der Wärmestube engagierten,
erzählt die Kältehelferin, aber auch Studierende, Schüler*innen,
Berufstätige. „Wir arbeiten in Teams von fünf bis sechs Personen pro Tag.
Insgesamt sind wir etwa 30 Leute.“
Die Wärmestube ist ein besonders niedrigschwelliges Angebot der Kältehilfe,
Elzbieta Stolarczyk hält über die sogenannte Kältekonferenz aber auch
Kontakt zu Notübernachtungen, Beratungsstellen und Tagesstätten. „Das Bild
hat sich seit den 1990ern verändert, das sehen wir alle. Es gibt zum einen
mehr verelendete Obdachlose, aber auch einfach mehr arme Menschen und mehr
Einsame, die hier Kontakt suchen.“
## Die Arbeitszeit
„Manchmal ist es mir schon zu viel“, erklärt Stolarczyk, „besonders am
Anfang der Kältesaison, bis alles angelaufen ist, und am Anfang des Monats,
bis der Monat kalkuliert ist. Unser Geld muss ja bis zum Ende des Monats
reichen.“ Aber: Die Wärmestube sei auf die Wintermonate begrenzt, der
Sommer verspreche dann Erholung.
Drei Stunden täglich ist die Koordinatorin beschäftigt, bevor die Gäste
eingelassen werden. In dieser Zeit akquiriert sie Spenden, koordiniert den
Einsatz der anderen Ehrenamtlichen und treibt die nötigen Lebensmittel auf.
„Meine Nachmittage heißen Wärmestube.“
## Die Bezahlung
„Wir bekommen ein Monatsticket für die BVG beziehungsweise 10 Euro Zuschuss
für die, die schon ein Ticket haben.“ Zwei der Ehrenamtlichen, die
besondere Verantwortung für die Wärmestube übernehmen, erhalten darüber
hinaus eine Aufwandsentschädigung. Der Steuerfreibetrag von 2.400 Euro im
Jahr wird dabei nicht überschritten, so Stolarczyk. Und kann sie sich
selbst den Altruismus leisten? „Mein Mann und ich waren noch nie
Gutverdiener. Unsere Rente ist bescheiden, aber sie reicht.“
## Das Gewissen
„In den letzten Tagen hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich habe jemanden,
der uns schon öfter Geld gegeben hat, um eine ziemlich hohe Spende gebeten.
Ich glaube, ich habe ihn vor den Kopf gestoßen.“ Prinzipiell sei sie mit
ihrem Gewissen aber im Reinen: „Ich sehe, dass unsere Wärmestube von den
Menschen angenommen wird. Ich sehe, dass es den Ehrenamtlichen Freude
macht, gebraucht zu werden.“
## Die Wertschätzung
„So wichtig ist das doch nicht“, sagt Stolarczyk und meint die
Wertschätzung ihrer Arbeit. „Ich habe mich bei der Caritas immer gut
aufgehoben gefühlt und ich spüre, dass die Arbeit geschätzt wird, auch wenn
das nicht ausgesprochen wird.“
Als sie ehrenamtlich zurück in die Wärmestube gekommen sei, hätten ihre
Mitarbeitenden sie mit einem großen Blumenstrauß überrascht – „das war
sagenhaft. Sie waren richtig froh, dass ich wieder da war. Sogar einen
galanten Handkuss habe ich bekommen.“
Vom Bezirksamt wünscht sich Stolarczyk Wertschätzung anderer Art: „Die sind
zwar interessiert und uns zugetan, ein höherer Zuschuss wäre mir aber
lieber als schöne Worte. Wir bekommen nur 1,50 pro Besucher und Tag.“
## Die Perspektive
„Mein Traum wäre natürlich, dass so etwas wie die Wärmestube gar nicht
nötig ist. Bis dahin muss es aber weitergehen“, erzählt Elzbieta Stolarczyk
der taz. „Ich wünschte, wir hätten in Zukunft weniger Geldsorgen. Die
Unternehmen kaufen heutzutage bewusster ein. Wir bekommen deshalb immer
weniger Lebensmittelspenden.“
Und wie lange will die 68-Jährige noch die Wärmestube leiten? „Solange
meine Gesundheit mitmacht.“
## Was kauft sie sich für unverhoffte 100 Euro?
„Mit 100.000 Euro könnte ich etwas anfangen! Für 100 Euro? Ich würde in die
Bäckerei gehen und guten Kuchen kaufen, auch auf Vorrat. Den könnte man
einfrieren. Dann könnten die Gäste wenigstens einmal richtig Kuchen essen.
Für viele hier ist schon Toastbrot mit Margarine und Marmelade das
Highlight.“
14 Jan 2020
## AUTOREN
Stefan Hunglinger
## TAGS
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