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# taz.de -- Erneute Diskussion über Paragraf 219a: SPD will 219a nun doch absc…
> Noch kein Jahr alt ist die Reform des Paragrafen, der Werbung für
> Schwangerschaftsabbrüche verbietet. Nun schwenkt SPD-Frauenministerin
> Giffey um.
Bild: Neue Zeiten: Im Februar verteidigte Giffey den Kompromiss zu 219a, nun wi…
Berlin taz | Führende SPD-Politiker*innen drängen nun doch auf eine
Abschaffung des Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch. Dieser verbietet
Frauenärzt*innen „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche zu machen. Nachd…
in der vergangenen Woche [1][die Gießener Ärztin Kristina Hänel auf dieser
Basis erneut verurteilt] wurde und die ebenfalls verurteilte Berliner
Ärztin [2][Bettina Gaber in dieser Woche Verfassungsbeschwerde] gegen den
Paragraphen einlegte, erklärte Bundesfrauenministerin Franziska Giffey,
SPD, am Donnerstag: Aus ihrer Sicht bleibe „die Zukunftsperspektive für ein
modernes Deutschland“ die Abschaffung des Paragrafen.
Auch der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion, Johannes
Fechner, fordert gegenüber der taz eine Abschaffung oder deutliche
Einschränkung des Paragrafen.
Paragraf 219a verbietet die „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche, ist
aber so weit gefasst, dass sich Ärzt*innen auch strafbar machen, wenn sie
öffentlich darüber informieren, welche Methoden des
Schwangerschaftsabbruchs sie durchführen. Bis Anfang des Jahres war selbst
die öffentliche Angabe, dass eine Ärztin den Eingriff ausübt, verboten.
Nachdem aber im November 2017 die Ärztin Kristina Hänel wegen Informationen
auf ihrer Webseite zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, forderten SPD,
Grüne, Linke und die FDP eine Abschaffung oder zumindest weitreichende
Reform des Paragrafen. Rechnerisch hätte es dafür eine Mehrheit gegeben.
Doch dann gingen SPD, CDU und CSU erneut eine Große Koalition ein – und die
Union wollte an dem Paragrafen unbedingt festhalten.
## Verworrener Kompromiss
Am Ende einigten sich die [3][Koalitionspartner auf einen Kompromiss.] Der
gilt seit dem Frühjahr, hat aber keine Klarheit gebracht. Während in Kassel
das Verfahren gegen zwei Gynäkolog*innen eingestellt wurde, sind Hänel und
die Berliner Ärztin Bettina Gaber nach neuer Rechtslage verurteilt worden.
Gaber hat am Mittwoch Verfassungsbeschwerde eingereicht – sie und ihre
Anwälte sehen durch den Paragrafen unzulässige Eingriffe in die Meinungs-,
Äußerungs- und Informationsfreiheit.
Frauenministerin Giffey hatte den Kompromiss während der Bundestagsdebatte
im Februar noch verteidigt und als „Fortschritt“ bezeichnet. Am Donnerstag
nun sagte die Frauenministerin in einer Pressemitteilung, es sei „nach wie
vor eine schwierige Situation“. Die jetzige Rechtslage sei eine
Kompromisslösung, bei der „beide Koalitionspartner an den Rand ihrer
Möglichkeiten gegangen“ seien. Als Bundesfrauenministerin sei sie „für ei…
weitergehende Lösung eingetreten“, das tue sie auch weiterhin.
Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion Fechner sagte der
taz, die Änderung ginge nicht weit genug. Ziel bleibe es, dass Ärzt*innen
sachliche Informationen über den Eingriff „ohne Einschränkung weitergeben
dürfen.“
## Nur sechs SPD-Abgeordnete stimmten dagegen
Besonders empört zeigte sich der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach.
Auf Twitter lobte er am Donnerstag zwar den Vorstoß des
CDU-Gesundheitsministers Jens Spahn, sogenannte Konversionstherapien zu
verbieten, kritisierte aber im gleichen Atemzug: „Es wäre aber ebenfalls
richtig, sich für Frauen einzusetzen, die in ihrer psychischen Not eine
Abtreibung wollen, und deren Ärztinnen jetzt weiter vom Gericht verfolgt
werden.“
Zurückhaltender äußerte sich ein Sprecher des ebenfalls SPD-geführten
Bundesjustizministeriums auf taz-Nachfrage. „Wir beobachten, wie die
veränderte Regelung angewandt wird und welche Auswirkungen diese hat“, so
der Sprecher.
Sowohl Lauterbach als auch Fechner hatten bei der Abstimmung im Bundestag
für die Reform des Paragrafen gestimmt. Keiner von beiden gehörte [4][zu
der kleinen Gruppe von gerade mal sechs SPD-Abgeordneten], die Ende Februar
mit Nein votiert hatten.
## Grüne: „Giffeys Bankrotterklärung“
Entsprechend verhalten reagieren Grüne, Linke und FDP nun auf die
Forderungen aus der SPD. Er könne „nichts von irgendwelchen Bemühungen der
SPD erkennen, den Paragrafen noch einmal anzugehen“, sagte
FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae der taz. Sollten die Sozialdemokrat*innen
aber doch noch auf sie zukommen, „dann sind wir bereit“. Es sei „ein
Unding, Ärzte in einer solchen Weise zu kriminalisieren und betroffenen
Frauen den Zugang zu wichtigen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche
so zu erschweren“.
Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, nannte Giffeys
Statement knapp ein Jahr nach der Reform eine „Bankrotterklärung“. „Wenn
sie wirklich etwas verändern will, muss sie nicht reden, sondern handeln
und einen konkreten Vorschlag vorlegen“, sagte Schauws der taz.
Auch Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion,
fordert eine politische Lösung, statt auf das Bundesverfassungsgericht zu
warten. Der Kompromiss biete „keinerlei Rechtssicherheit“, Ärzt*innen
würden „weiterhin kriminalisiert“.
Anders klingt es aus der Unionsfraktion. Deren rechtspolitischer Sprecher
Jan-Marco Luczak sagte auf taz-Nachfrage, der Union sei wichtig gewesen,
dass bei der Neuregelung des Paragrafen „der Schutz des ungeborenen Lebens
gewährleistet“ sei, „kommerzielle Werbeinteressen“ hätten dahinter
zurückzustehen. Gleichzeitig habe man den „berechtigten
Informationsinteressen“ ungewollt Schwangerer Rechnung tragen wollen. Beide
Anliegen seien verwirklicht, sagte Luczak. „Weiteren Handlungsbedarf sehen
wir nicht.“
20 Dec 2019
## LINKS
[1] /Prozess-wegen-Paragraf-219a/!5649421
[2] /Verfassungsbeschwerde-zu-Paragraf-219a/!5651010
[3] /Kompromissvorschlag-zu--219a/!5568629
[4] /Abstimmung-im-Bundestag/!5575168
## AUTOREN
Dinah Riese
## TAGS
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