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# taz.de -- „Lebensschützerin“ trifft Minister: Gefährliche Nähe
> Einer der größten Antiabtreibungsvereine postet ein Foto seiner
> Vorsitzenden. Darauf noch zu sehen: Gesundheitsminister Jens Spahn.
Bild: Äußert sich nicht zu einzelnen Fotos auf Facebook: Jens Spahn mit Smart…
Berlin taz | Sie stehen eng beieinander und lächeln freundlich-beschwingt
in die Kamera: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und die Vorsitzende der
Aktion Lebensrecht für alle (ALfa), Cornelia Kaminski. Die ALfa postete das
Foto am 25. Januar auf Facebook, dazu die Worte: „Beim Künzeller Treffen
der CDU Hessen in Fulda: ein gutes Gespräch.“
Die ALfa ist einer der wichtigsten Vereine der sogenannten
Lebensrechtsbewegung in Deutschland, eigenen Angaben zufolge hat er rund
11.000 Mitglieder. Schwangerschaftsabbrüche seien „mit großem Abstand die
häufigste Todesursache der Welt“, heißt es auf der Website des Vereins.
„Pro Sekunde sterben so ein bis zwei Kinder vor ihrer Geburt.“ Weitere
Positionen betreffen etwa Sterbehilfe, die die ALfa ebenfalls ablehnt. Nach
dem Facebook-Post der ALfa zu urteilen ging es beim Gespräch von Kaminski
und Spahn um dieses Thema.
„Der Verein legt sehr viel Wert darauf, die Verbindung in die Politik zu
halten und zu seinen Gunsten zu beeinflussen“, sagte Eike Sanders vom
Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin, die zur
sogenannten Lebensschutzbewegung forscht. „Er arbeitet an dieser Stelle
hochprofessionell, kooperiert aber mit Menschen, die Psychoterror in Form
von Mahnwachen vor Schwangerschaftsberatungsstellen gut finden, die
befürworten, dass Ärzt:innen, die Abtreibungen durchführen, mit Klagen
überzogen werden und die Abtreibungen in die Nähe des Holocaust rücken.“
Aus dem Gesundheitsministerium hieß es, man äußere sich nicht zu einzelnen
Fotos. Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass eine Nähe von Spahn zur
sogenannten Lebensschutzbewegung auffällt. Im Januar 2019 wurde klar, dass
er trotz heftiger Kritik eine Studie zu „seelischen Folgen von
Schwangerschaftsabbrüchen“ durchführen lassen will. Die Formulierung war
dem sogenannten Post-Abortion-Syndrom (PAS) entlehnt – also der Annahme,
dass Frauen unter Schwangerschaftsabbrüchen leiden, mit der auch die ALfa
arbeitet. Die damalige ALfa-Vorsitzende Alexandra Linder unterstützte
Spahns Bestrebungen entsprechend öffentlich.
Das PAS allerdings ist wissenschaftlich widerlegt. Nachdem die Kritik am
Forschungsdesign der Studie nicht abriss, will Spahn nun nicht mehr nur
„psychische Störungen“ von Frauen untersuchen, die abgetrieben haben,
sondern auch prüfen, wie es Frauen geht, die eine ungewollte
Schwangerschaft ausgetragen haben.
Zudem war bekannt geworden, dass sich Spahn im Zuge der Reform des
Paragrafen 219a, der „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche verbietet, mit
deutlich mehr KirchenvertreterInnen und AbtreibungsgegnerInnen als mit
BefürworterInnen der Wahlfreiheit und körperlichen Selbstbestimmung von
Frauen getroffen hatte. Unter den Gesprächspartnern war auch Paul Cullen,
Vorsitzender der „Ärzte für das Leben“. In einem Interview hatte er etwa
der Allgemeinärztin Kristina Hänel vorgeworfen, sie „töte“ wehrlose
Menschen. Hänel hatte auf ihrer Website darüber informiert, dass und wie
sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt und war deshalb wegen Paragraf 219a
verurteilt worden.
In welcher Gesellschaft sich Spahn mit der ALfa befindet, wurde auch an
einem weiteren Facebookpost des Vereins deutlich. Direkt unter dem Foto von
Spahn teilte der Verein einen Text zu US-Präsident Donald Trump, der am
Wochenende am „Marsch für das Leben“ in den USA teilgenommen hatte.
„Ungeborene Kinder hatten noch nie einen stärkeren Verteidiger im Weißen
Haus“, hatte Trump gesagt. Die ALfa lobte dessen Rede, sie sei „äußerst
beeindruckend und ermutigend“.
28 Jan 2020
## AUTOREN
Patricia Hecht
## TAGS
Schwerpunkt Abtreibung
Jens Spahn
Schwerpunkt „Marsch für das Leben“
Organspende
Schwerpunkt Paragraf 219a
Schwerpunkt Paragraf 219a
Schwerpunkt Paragraf 219a
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