# taz.de -- Streit vor der Fraktionsklausur: Linke auch beim Klima gespalten | |
> Umweltverbände loben das Klimakonzept der Linken. Doch Ex-Parteichef | |
> Klaus Ernst sieht darin „Autofeindlichkeit“ und fordert weitreichende | |
> Änderungen. | |
Bild: Zumindest für diese Linken beim Klimastreik in Darmstadt ist die Haltung… | |
Wenn es um den Klimaschutz geht, war die Linkspartei schon immer breit | |
aufgestellt: Während sie als Regierungspartei in [1][Brandenburg] jahrelang | |
an der Seite der Kumpel gegen einen schnelleren Ausstieg aus der | |
klimaschädlichen Braunkohle kämpfte, beteiligten sich viele | |
Linken-Abgeordnete gleichzeitig an Anti-Kohle-Protesten im Hambacher Forst | |
oder an den Braunkohle-Blockaden der Initiative „Ende Gelände“. | |
Während der Parteivorstand sich im vergangenen September mit den | |
[2][Protesten gegen die Automesse IAA] solidarisierte, schaute | |
Linken-Wirtschaftsexperte und Porschefahrer Klaus Ernst dort unter anderem | |
neue Sportwagen an. Und je nachdem welche*r Abgeordnete sich äußert, ist | |
ein CO2-Preis in Pressemitteilungen der Linksfraktion mal ein gerechtes und | |
wirksames Instrument gegen den Klimawandel ([3][“Einnahmen aus | |
CO2-Bepreisung als ‚Öko-Bonus‘ zurückzahlen“]), mal eine unsoziale und | |
unwirksame Zumutung [4][(Mitteilung von Klaus Ernst)]. | |
Bisher standen solche widersprüchlichen Positionen einfach nebeneinander. | |
Doch bei der [5][Fraktionsklausur der Linken], die an diesem Donnerstag und | |
Freitag stattfindet, könnte es zum Showdown kommen. Denn dort steht endlich | |
der „Aktionsplan Klimagerechtigkeit“ auf der Tagesordnung. | |
Dieses [6][80-seitige Papier] war im Sommer von mehreren Abgeordneten, | |
darunter der Klimapolitiker Lorenz Gösta Beutin und die Verkehrspolitikerin | |
Sabine Leidig, erarbeitet worden. Im Oktober wurde es von einem der fünf | |
Arbeitskreise der Fraktion, jenem für sozialökologische Transformation und | |
Haushalt, verabschiedet. Anschließend sollte es eigentlich im November von | |
der ganzen Fraktion beschlossen und parallel zu den Protestaktionen von | |
Fridays for Future und Ende Gelände in der Bundespressekonferenz | |
vorgestellt werden. Doch daraus wurde nichts: Nach Widerstand aus der | |
Fraktion beschloss die Fraktion nur das einleitende Kapitel – über den Rest | |
soll auf der Klausurtagung entschieden werden. | |
Und dabei zeichnet sich eine deutliche Kontroverse ab. Denn in der | |
Umweltszene mag der Aktionsplan auf große Zustimmung stoßen: „Das Konzept | |
bietet wirklich viele gute Lösungsansätze“, meint etwa Barbara Metz, | |
stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe. Doch aus den | |
Reihen der WirtschaftspolitikerInnen der Fraktion gibt es erhebliche | |
Widerstände. Das zeigen zahlreiche Änderungsanträge, die der taz vorliegen. | |
Neben der weitreichenden Forderung, ihn zu einem unverbindlichen | |
Diskussionspapier herunterzustufen, gibt es zahlreiche konkrete | |
Änderungswünsche: Bekämen diese eine Mehrheit, würden sie den Plan | |
inhaltlich deutlich abschwächen und teils ins Gegenteil verkehren. | |
Besonders deutlich zeigt sich das beim Thema Verkehr. Hier fordert der | |
Aktionsplan neben weniger und kleineren Autos unter anderem den | |
„schrittweisen Übergang zum Nulltarif“ im Nahverkehr und ein „Verbot von | |
Kurzstreckenflügen zu Orten, die in 5 Stunden mit der Bahn zu erreichen | |
sind“. Alle diese Forderungen möchte der wirtschaftspolitische Sprecher | |
Klaus Ernst streichen lassen. „Ich will beim Fliegen keine Verbote, sondern | |
bessere Alternativen“, sagte er der taz. Kostenlosen Nahverkehr lehnt er | |
mit dem Argument ab, dass das Geld für den notwendigen Ausbau „auch über | |
die Ticketpreise reinkommen“ müsse. | |
Auch über die Frage, wie Pkws in Zukunft angetrieben werden sollen, gibt es | |
keine Einigkeit. Die Umweltpolitiker der Fraktion fordern im Aktionsplan | |
„das Aus für den Verbrennungsmotor ab 2030“ und plädieren für reine | |
Elektroautos. Synthetische Kraftstoffe, die aus Strom hergestellt werden, | |
lehnen sie für Pkws ab, denn damit „benötigen Fahrzeuge je gefahrenen | |
Kilometer etwa 4–5 Mal so viel Energie wie mit direkter Stromnutzung in | |
Elektroautos“, heißt es im Klimaplan. | |
Ernst will dagegen einem Änderungsantrag zufolge „möglichst viele gut | |
bezahlte Industriearbeitsplätze“ erhalten und dafür auch auf | |
„Verbrennungsmotoren, die mit Biogas oder Synfuels laufen“ setzen. Dass | |
dafür weitaus mehr Ökostrom erforderlich ist, stört ihn nicht. Er setzt im | |
Einklang etwa mit dem BDI ohnehin darauf, dass Deutschland künftig in | |
großem Ausmaß erneuerbar erzeugte Kraftstoffe importiert: „Ich gehe nicht | |
davon aus, dass wir die grüne Energie allein in der Bundesrepublik | |
produzieren können.“ Besonders dafür geeignet sei die Arabische Halbinsel, | |
meint Ernst. | |
## Warnung vor neuen Importabhängigkeiten | |
Auch hier gibt es einen grundlegenden Konflikt mit den KlimapolitikerInnen | |
der Fraktion, die entsprechende Pläne im Aktionsplan als „Aufbau neuer | |
Importabhängigkeiten mit internationalen Konflikten“ entschieden ablehnen. | |
Zudem verweisen sie darauf, dass die entsprechenden Wirtschaftszweige im | |
Ausland „noch nicht einmal im Ansatz existieren“. | |
Über die Einzelforderungen hinaus zeigen sich auch grundlegende | |
Unterschiede. So stört sich Ernst insgesamt am Tonfall des Aktionsplans. | |
„Ich lese darin eine gewisse Autofeindlichkeit, die die Wähler gegen uns | |
aufbringt“, sagt er. Und: „Ich möchte, dass wir CO2 reduzieren, aber nicht, | |
dass wir den Menschen eine andere Lebensweise aufzwingen.“ Das sieht Sabine | |
Leidig als Mitautorin des Aktionsplans Klimagerechtigkeit ganz anders. | |
„Ohne eine Änderung unserer Lebensweise, die auf systematischer Ausbeutung | |
anderer beruht, können wir weder sozial noch ökologisch gerechte | |
Verhältnisse schaffen“, sagte sie der taz. | |
Linken-Klimaexperte Beutin hofft, dass der Aktionsplan bei der Klausur ohne | |
größere Änderungen verabschiedet wird. „Beim Klimaschutz sollte die Linke | |
klar Flagge zeigen, statt auf die Taktik der Auto- und Energiekonzerne | |
reinzufallen, die wie immer schon zur Verteidigung ihrer Interessen das | |
Ende von Industriestandort, Jobs und Wohlstand an die Wand malen“, meint | |
er. | |
## Unklare Mehrheitsverhältnisse | |
Ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, ist offen – die Mehrheitsverhältnisse | |
in der Fraktion beim Klimathema sind unklar. Einerseits haben sich die | |
KlimaschützerInnen in der Vergangenheit mehrmals durchsetzen können, etwa | |
mit der Forderung, den Klimanotstand zu erklären. Andererseits ist Beutin | |
bei der Wahl zum Fraktionsvorstand zweimal gescheitert. | |
Und die Fraktionsführung hat sich bisher nicht klar positioniert. Der | |
Vorsitzende Dietmar Bartsch zeigt für beide Seiten Verständnis. „Ja, ich | |
kann Leute verstehen, die fragen, was es bringen soll, bei uns CO2 zu | |
reduzieren, wenn in Brasilien der Regenwald brennt“, schrieb er vor wenigen | |
Tagen in einem [7][Gastbeitrag für die Welt]. „Andererseits bewegt die | |
Klimapolitik zu Recht eine ganze Generation, die weiß, dass ein ‚Weiter so‘ | |
unsere Existenz gefährdet.“ | |
7 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Braunkohle-in-Brandenburg/!5435598 | |
[2] /IAA-in-Frankfurt/!5626143 | |
[3] https://www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen/detail/einnahmen-aus… | |
[4] https://www.facebook.com/mdb.klaus.ernst/posts/10157133801241023 | |
[5] /Zerwuerfnis-in-der-Linkspartei/!5650473 | |
[6] https://www.axel-troost.de/kontext/controllers/document.php/3448.e/b/c9d84e… | |
[7] https://www.welt.de/debatte/kommentare/article204710866/Dietmar-Bartsch-Lin… | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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