# taz.de -- Zerwürfnisse in der Linken: Linke muss nachsitzen | |
> Auch im dritten Anlauf scheitern die KandidatInnen, die Linke im | |
> Bundestag kriegt keinen Vorstand zusammen. Die Gräben in der Fraktion | |
> sind tief. | |
Bild: Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch: kein Plan, um die Fraktion zusamme… | |
BERLIN taz | Wieder eine Wahlniederlage für die Linke, diesmal eine | |
interne. Dreimal hat die Partei im Bundestag versucht, ihren | |
Fraktionsvorstand neu zu wählen. Auch nach dem dritten Wahlgang am Dienstag | |
schafften es die Genossen nicht, ihren Vorstand in Gänze neu zu besetzen. | |
Von der Aufbruchstimmung, die [1][die beiden Fraktionschefs Amira Mohamed | |
Ali und Dietmar Bartsch] nach ihrer Wahl Mitte November verbreiten wollten, | |
kann derzeit nicht die Rede sein. Abgeordnete sprechen vielmehr von | |
desaströsen Zuständen. | |
Zwei Posten sind im 13-köpfigen Vorstand nach wie vor unbesetzt: ein Vize | |
und die Stelle der Beauftragten für soziale Bewegungen. Für den Vizeposten | |
kandidierten am Dienstag erneut Nicole Gohlke und Sören Pellmann. Während | |
Pellmann, der bei der Bundestagswahl ein Direktmandat in Leipzig holte, der | |
Wunschkandidat der Fraktionschefs ist, trat Gohlke als Repräsentantin der | |
sogenannten Bewegungslinken an. Diese sehen sich als [2][Initiative zur | |
Erneuerung der Partei], die laut eigener Erklärung wegwill von der | |
„innerparteilichen Selbstzerfleischung“. Das offizielle Gründungstreffen | |
findet an diesem Wochenende in Berlin statt. | |
Doch weder Pellmann noch Gohlke erreichten die nötige absolute Mehrheit von | |
35 der 69 Abgeordnetenstimmen. Für Gohlke stimmten 32 Abgeordnete, für | |
Pellmann 31. Der Rest enthielt sich oder war nicht vor Ort. Ein klassisches | |
Patt also. | |
Das gleiche Bild bei der Besetzung des dritten Postens, des Beauftragten | |
für soziale Bewegungen. Dieser Vorstandsposten existiert erst seit 2017 und | |
zwar als Konzession an das Lager um die Parteivorsitzende Katja Kipping. | |
Lorenz Gösta Beutin, der klimapolitische Sprecher, trat zweimal an und | |
scheiterte zweimal ohne GegenkandidatIn. Während er vor einem Monat mit 34 | |
Stimmen knapp durchfiel, stimmten nun nur noch 24 Abgeordnete für ihn. | |
## Wie zwei ineinander verkeilte Böcke | |
Er werde nicht noch einmal antreten, sagte Beutin der taz. Von der | |
Klimakonferenz aus Madrid äußerte er sich ernüchtert über den Ausgang der | |
Wahlen: „Die Hoffnung, dass mit der Neuwahl der Fraktionsspitze auch | |
frischer Wind in die Fraktion kommt, hat sich erst einmal nicht erfüllt.“ | |
Nun müsse die Führung in sich gehen und überlegen, wie sie diese Fraktion | |
zusammenbringen wolle, um wieder handlungsfähig zu werden. | |
Aus dem Büro von Pellmann hieß es, er wolle erneut kandidieren. Gohlke ließ | |
das noch offen. | |
Die schlechten Ergebnisse haben weniger mit den KandidatInnen selbst zu tun | |
als damit, dass sich in der Fraktion zwei Lager herausgebildet haben, die | |
bei jeder Gelegenheit wie zwei Schafböcke aufeinander zu rennen, sich dann | |
ineinander verkeilen und blockieren. | |
Das eine Lager ist der intern als „Hufeisen“ bezeichnete Zusammenschluss | |
von den Reformern um Bartsch mit dem linken Flügel der | |
Ex-Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht. Die beiden Fraktionschefs | |
Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali stehen für dieses Bündnis, welches | |
bis dato eine knappe Mehrheit in der Fraktion sicherte. Zum anderen Flügel | |
zählen die Truppen um Parteichefin Kipping und jene Bewegungslinken, die | |
sich auch aus von Wagenknecht entfremdeten Parteilinken rekrutieren. | |
## Weiter Streit, falls nichts passiert | |
Nachdem sie am 12. November zur neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt wurde, | |
hatte Mohamed Ali angekündigt, sie wolle nun mit allen reden. Doch diese | |
Gespräche stehen noch aus. | |
Mit ihm habe bisher niemand gesprochen, sagte der Abgeordnete Thomas Nord | |
der taz. Er sehe auch keinerlei Anstrengungen, um die Fraktion | |
zusammenzuführen. „Die jetzige Konstellation im Vorstand ist die | |
Voraussetzung dafür, dass wir uns weiter streiten“, prophezeit Nord, | |
[3][der selbst schon so manches Mal polarisierte.] | |
Die Geschäftsordnung der Fraktion bietet jedenfalls keinen Ausweg aus dem | |
Dilemma an. Auch im x-ten Wahlgang müssen die Mitglieder mit absoluter | |
Mehrheit gewählt werden. Den nächsten Anlauf, ihren Vorstand zu besetzen, | |
will die Fraktion voraussichtlich auf ihrer Klausur im Januar unternehmen. | |
11 Dec 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Linke-mit-neuer-Fraktionsspitze/!5641971 | |
[2] https://bewegungslinke.org/hestia-front/ | |
[3] /Die-Linke-und-Sahra-Wagenknecht/!5551324 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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