# taz.de -- Neue Fraktionsspitze der Linken: Der Verfeindungskomplex | |
> Politische und persönliche Fehden sind in der Linksfraktion eng verwoben. | |
> Genau das kann für die unverbrauchte Mohamed Ali eine Chance sein. | |
Bild: Sie kennt noch keiner: Amira Mohamed Ali ist noch nicht in den Ränkespie… | |
Amira Mohamed Ali, Muslimin und Juristin aus Hamburg, [1][wird zusammen mit | |
Dietmar Bartsch die Linksfraktion führen]. Das ist eine erstaunliche | |
Umkehrung des Prinzips demokratischer Elitenauswahl. Eigentlich wird an die | |
Spitze gewählt, wer sich als besonders robust, vertrauenswürdig oder | |
taktisch versiert erwiesen hat. Mohamed Ali ist eine sympathische, eher | |
nachdenkliche denn agitatorische Parteilinke. Doch sie ist erst seit vier | |
Jahren in der Partei und nicht nur in der Öffentlichkeit ein | |
unbeschriebenes Blatt. | |
Auch in der Fraktion kann sich niemand an wegweisende Beiträge erinnern. | |
Manche behaupten, sie solle Wagenknecht bloß den Sessel warm halten, bis | |
die wieder Lust hat auf den Job. Gewissermaßen das Modell Putin/Medwedjew. | |
Das ist eines jener bösartigen Gerüchte, die ziemlich typisch sind für die | |
giftige Atmosphäre bei den GenossInnen. Die Wahrheit ist: Der linke Flügel | |
hat schlicht niemand anderen gefunden. | |
Ein Sieg des Bündnisses von Reformern und linkem Flügel, von Bartsch | |
[2][und Wagenknecht] gegen [3][Caren Lay] und Katja Kipping also? So sieht | |
es aus. Aber die Sache ist komplexer. Die Grenzen zwischen den drei Lagern | |
sind ausgefranst und überlagert von persönlichen Animositäten. | |
Das größere Bild zeigt, dass die Linkspartei in der Krise ist – und zwar | |
alle drei Lager. Wagenknechts „Aufstehen“-Projekt ist gescheitert. Soziale | |
Bewegungen [4][lassen sich nicht gründen]. Auch das Kipping-Lager hat eine | |
bescheidene Erfolgsbilanz. 2017 strömten zwar Jüngere, denen die Grünen zu | |
bürgerlich waren, zur Linkspartei – aber das war nur eine Momentaufnahme. | |
Die Reformer stehen, gnädig überdeckt von Bodo Ramelows glänzendem Sieg in | |
Erfurt, [5][ratlos vor einem Scherbenhaufen]. Im Osten ist die Rolle als | |
Partei, die in der Landesregierung ihre demokratische Reputation beweist | |
und ansonsten nicht auffällt, ausgespielt. | |
Kann die Linkspartei gleichzeitig gewerkschaftsnah, öko-hip und | |
Traditionspartei Ost sein – oder muss sie eine dieser Rollen aufgeben? | |
Diese strategische Frage ist ungeklärt. Beantworten lässt sie sich nur, | |
wenn eine rationale Debatte möglich ist. | |
Die Mehrheit für Mohamed Ali war knapp, auch Bartschs Ergebnis ist | |
bezeichnend schwach. Persönliche Fehden und politische Differenzen sind in | |
der Linksfraktion zu einem schwer entwirrbaren Komplex verwoben. Genau das | |
kann, so paradox es klingt, eine Chance für diese Spitze sein. Der lähmende | |
Verfeindungskomplex in der Fraktion lässt sich nur mit Integration | |
auflockern. Das kann Amira Mohamed Ali vielleicht gerade gelingen – weil | |
sie nicht Teil der alten Ränkespiele war. | |
12 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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