# taz.de -- Nötige Neuregelung der Organspende: Deutsches Organversagen | |
> Drei Menschen sterben täglich in Deutschland, weil sie kein Spenderorgan | |
> erhalten. Die Widerspruchslösung wäre einen Versuch wert. | |
Bild: Zu ängstlich für ein großes Herz? Deutschland fehlt es an Spenderorgan… | |
Endlich kommt das Thema Organspende [1][auf die Tagesordnung]: Im Januar | |
soll der Bundestag über ein neues Transplantationsgesetz abstimmen. Derzeit | |
sterben in Deutschland drei Menschen pro Tag, weil sie keine Niere, | |
Bauchspeicheldrüse oder Lunge erhalten haben. | |
Andere EU-Länder sind längst weiter: Dort gilt [2][die Widerspruchslösung]. | |
Alle BürgerInnen sind Organspender – falls sie keinen Einspruch einlegen. | |
Diese Regelung soll auch in Deutschland greifen, wenn es nach | |
CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn und SPD-Experte Karl Lauterbach geht. | |
Leider ist keineswegs gesichert, dass sich ihr Konzept durchsetzt. Nicht | |
nur viele Grüne und Linke [3][sind dagegen] – auch die Kirchen machen | |
mobil. So hat der evangelische Prälat Martin Dutzmann alle | |
Bundestagsabgeordneten angeschrieben, weil er findet: Wann immer | |
persönliche Daten weitergegeben werden, sei ein Einverständnis nötig. „Das | |
darf bei meinem Herzen oder meiner Niere doch nicht andersherum sein.“ | |
Der Prälat irrt. Es trifft schlicht nicht zu, dass die BürgerInnen stets | |
gefragt würden, wenn ihre Daten verwendet werden. Sonst könnte die Polizei | |
ihre Ermittlungsarbeit sofort einstellen. Beim Datenschutz werden | |
individuelle Rechte und soziale Kosten pragmatisch gegeneinander abgewogen. | |
Diesen Pragmatismus würde man sich auch in der Organdebatte wünschen. Denn | |
Umfragen ergeben ein bizarres Bild: 84 Prozent der Deutschen finden | |
Organspenden richtig – aber nur 36 Prozent haben einen Ausweis. | |
Diese Diskrepanz dürfte dadurch zu erklären sein, dass viele Menschen | |
ungern über Krankheit und Tod nachdenken. Ein Organspendeausweis im | |
Portemonnaie würde sie täglich daran erinnern, dass ihr Leben endlich ist – | |
also haben sie lieber keinen. Die Widerspruchslösung ist daher elegant: | |
Organspenden bleiben freiwillig, erfordern aber nicht mehr, dass man sich | |
mit der eigenen Vergänglichkeit beschäftigen muss. | |
Trotzdem setzen viele GegnerInnen lieber auf die mündige BürgerIn statt auf | |
die Widerspruchslösung: Wer einen Personalausweis beantragt, soll künftig | |
auch gefragt werden, wie er zur Organspende steht. Viele Menschen dürften | |
jedoch instinktiv auf Abwehr schalten, wenn plötzlich, mitten in einer | |
Amtstube, das leidige [4][Thema des eigenen Todes verhandelt] würde. | |
Spontan dürften viele Nein sagen, obwohl sie nichts gegen eine Organspende | |
hätten. | |
Verbale Aufklärung hat manchmal Grenzen. Man sollte es mit der | |
Widerspruchslösung versuchen – allein, weil 2.000 Menschen im Jahr sterben, | |
für die es keine Spenderorgane gibt. | |
28 Dec 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Notstand-bei-Organspenden/!5648528 | |
[2] /Organspende-Gesetzentwurf-vorgestellt/!5582101 | |
[3] /Gruenen-Politikerin-ueber-Organspenden/!5602381 | |
[4] /Kommentar-Organspende-Debatte/!5582228 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
## TAGS | |
Organspende | |
Transplantation | |
Medizin | |
Organspende | |
Organspende | |
Organspende | |
Organspende | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Lesestück Interview | |
Organspende | |
Organspende | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Pro und Contra Widerspruchslösung: Organspende als Standard? | |
Der Bundestag stimmt in dieser Woche über die künftige Regelung der | |
Organspende ab. Wie sollte sie aussehen? Ein Pro und Contra. | |
Organspende im Bundestag: Jeder entscheidet für sich | |
Bei der Abstimmung im Parlament über die Organspende konkurrieren zwei | |
Gesetzentwürfe. Der Fraktionszwang ist aufgehoben. | |
Statistik zur Organspende 2019: Nur 932 SpenderInnen | |
Die Zahl der OrganspenderInnen in Deutschland blieb 2019 nahezu auf dem | |
Niveau des Vorjahres. Im internationalen Vergleich steht Deutschland | |
schlecht da. | |
Streit um neues Transplantationsgesetz: Spenden im Tod geht nicht | |
Organmangel wird durch das neue Transplantationsgesetz nicht behoben. Die | |
Gleichsetzung der Diagnose „hirntot“ mit dem Tod rührt an die Verfassung. | |
Notstand bei Organspenden: Auf der Warteliste | |
Nur eine neue Niere kann sie retten: Seit Jahren wartet Bärbel Dittmann auf | |
ein Spenderorgan. Ob sie bis zur Operation überlebt, weiß sie nicht. | |
Grünen-Duo über seine Kandidatur: „Da muss mehr Schwung rein“ | |
Die Linke und der Realo: Die Grünen Kirsten Kappert-Gonther und Cem Özdemir | |
erklären im Interview, warum sie FraktionschefInnen werden wollen. | |
Grünen-Politikerin über Organspenden: „Ein zentrales Element von Würde“ | |
Der Gesetzentwurf mit Widerspruchslösung ist ein Eingriff in das | |
Selbstbestimmungsrecht, sagt die Grünen-Politikerin Kirsten | |
Kappert-Gonther. | |
Zweiter Gesetzentwurf zur Organspende: Nur mit Zustimmung | |
Eine Abgeordnetengruppe hat einen alternativen Gesetzentwurf zur | |
Organspende vorgestellt. Dieser setzt ein aktives Ja zu Lebzeiten voraus. |