# taz.de -- China ist der falsche Nato-Gegner: Nicht als Aggressor brandmarken | |
> Klar hat Peking militärische Stärke, bedrohlich ist die aber bislang | |
> nicht. Die Nato sollte in China keine antiwestlichen Ressentiments | |
> schüren. | |
Bild: Militärparade über dem Tiananmen-Platz am 70. Jahrestag der Gründung d… | |
Als „hirntot“ [1][bezeichnet Frankreichs Präsident Macron die Nato]. | |
Mitgliedsland Türkei droht Verteidigungspläne für Osteuropa zu blockieren, | |
sollten die anderen Staaten seinen Feldzug gegen kurdische Milizen nicht | |
unterstützen. So zerstritten wie bei diesem „Jubliäumsgipfel“ war die Nato | |
schon lange nicht mehr. Doch offenbar einen gemeinsamen Nenner haben die 29 | |
Länder doch gefunden: Feindbild China. | |
Erstmals in seiner 70-jährigen Geschichte will das nordatlantische | |
Militärbündnis das Bedrohungspotenzial im Fernen Osten ins Visier nehmen. | |
Schließlich, so die Argumentation von Nato-Generalsekretär Stoltenberg, | |
verfüge China inzwischen über das zweitgrößte Verteidigungsbudget der Welt. | |
Zudem besitzen die Chinesen moderne Raketen, die hypothetisch auch die USA | |
und Europa erreichen könnten. | |
All das ist nicht falsch. Nur: Die kommunistische Führung in Peking hat gar | |
kein Interesse, Europa oder gar die USA militärisch zu bedrohen. | |
Was hingegen sehr wohl eine Bedrohung darstellt: Chinas weltweite | |
wirtschaftspolitische Ziele und sein technologischer Aufstieg. Mit „Made in | |
China 2025“ strebt die kommunistische Führung nichts Geringeres an, als in | |
den nächsten Jahren in rund zwei Dutzend Zukunftstechnologien zum | |
Weltmarktführer aufzusteigen. [2][Mit der Neuen-Seidenstraßen-Initiative] | |
(One Belt, one Road) ist Peking zudem eifrig dabei, weltweit neue | |
Handelsrouten zu schaffen, die allesamt ins Reich der Mitte führen. | |
Insbesondere deutsche Unternehmen sehen darin offenbar mehr Chancen als | |
Gefahren, erhoffen sie sich doch, an Chinas Megaprojekten kräftig | |
mitzuverdienen. Kurzfristig mag das der Fall sein. Doch sollten die | |
Chinesen technologisch weiter so große Sprünge machen wie zuletzt, dürften | |
westliche Unternehmen schon bald nicht mehr nur nicht benötigt, sondern | |
auch abgehängt werden. | |
Denn was die chinesischen Unternehmen auszeichnet, ist nicht nur ihre | |
Innovationsstärke, sondern [3][ein finanzstarker Staat mit einer klaren | |
Strategie], der die heimische Industrie tatkräftig zu unterstützen weiß – | |
sofern sie in die Pläne passt. Genau eine solche Strategie fehlt den | |
Europäern, ebenso eine dringend benötigte Neubewertung, wie mit China | |
wirtschaftlich und technologisch künftig zusammengearbeitet werden sollte. | |
Keine Frage: Peking setzt auch auf militärische Stärke. Doch diese stellt | |
bislang keine allzu große Bedrohung dar. Bemessen an der Wirtschaftskraft | |
liegt China bei den Militärausgaben pro Kopf gerade einmal an 52. Stelle, | |
weit hinter Indien, Großbritannien und selbst Burundi. Auch in absoluten | |
Zahlen gibt die Militärsupermacht USA weit mehr als doppelt so viel aus wie | |
die kommunistische Führung in Peking. | |
Abgesehen von den Territorialkonflikten im Südchinesischen Meer sowie | |
seinen Machtanspruch auf Taiwan zeigt Peking auf der Weltbühne bislang | |
verhältnismäßig wenig militärische Ambitionen. Je mehr der Westen | |
allerdings China auch militärisch als Aggressor brandmarkt, desto größer | |
die Gefahr, dass Nationalismus und antiwestliche Ressentiments im Land | |
zunehmen und Forderungen laut werden, auch militärisch den Westen zu | |
überbieten. Zu einer solchen Entwicklung sollte die Nato nicht beitragen. | |
4 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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