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# taz.de -- Gericht verdonnert Bundesrepublik: IS-Frau muss zurückgeholt werden
> Ein Gericht verpflichtet die Bundesrepublik, eine deutsche IS-Anhängerin
> aus Syrien zurückholen. Der Beschluss hat Folgen auch für andere Fälle.
Bild: Rückkehr deutscher IS-Anhängerinnen? Frauen im Al-Hol-Camp in Syrien
BERLIN taz | Es ist eine Entscheidung, die weitreichende Folgen haben
dürfte: Am Donnerstagnachmittag veröffentlichte das Oberverwaltungsgericht
(OVG) Berlin-Brandenburg einen Beschluss, in dem die Bundesregierung
verpflichtet wird, eine IS-Anhängerin aus Wolfsburg aus dem kurdischen
Lager Al-Hol in Syrien nach Deutschland zurückzuholen. Dies gelte
„unverzüglich“.
Die Frau hatte bereits im Mai auf ihre Rückholung nach Deutschland geklagt,
zusammen mit ihren drei Kindern, die acht, sieben und drei Jahre alt sind.
Die 27-Jährige hatte Ende 2014 mit zwei der Kinder Niedersachsen verlassen,
um sich dem „Islamischen Staat“ anzuschließen. Dort lebte sie in Rakka.
Anfang Januar stellte sie sich kurdischen Einheiten nahe der letzten
IS-Hochburg Baghuz. Seitdem sitzt die Wolfsburgerin mit tausenden weiteren
IS-AnhängerInnen im kurdischen Lager Al-Hol fest.
Das Berliner Verwaltungsgericht hatte bereits am 10. Juli entschieden, dass
die Bundesrepublik die Frau mitsamt ihren Kinder zurückholen müsse. Das
Auswärtige Amt hatte dagegen eine Beschwerde eingelegt. Es war nur bereit,
die Kinder zu holen. Bei der Frau führte sie eine Sicherheitsgefährdung der
Bundesrepublik an. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen die 27-Jährige
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.
## Regierung habe keine Gefahr durch die Frau nachgewiesen
Das Oberverwaltungsgericht weist die Beschwerde nun zurück. Für eine
tatsächliche Gefährlichkeit habe die Bundesregierung „keine Tatsachen oder
Anhaltspunkte benennen können“. Auch eine alleinige Rückholung der Kinder
sei nicht möglich, da diese traumatisiert und „zwingend auf den Schutz und
die Betreuung ihrer Mutter angewiesen“ seien. Hier habe der grundgesetzlich
verbriefte Schutz des familiären Verbundes Vorrang.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist nicht mehr anfechtbar. Ein
Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte der taz am Donnerstag nur, die
Entscheidung werde nun geprüft.
Die Bundesregierung verweigert seit Monaten eine Rückholung deutscher
IS-AnhängerInnen aus Syrien. Sie sieht die Betroffenen als
Sicherheitsgefahr und mögliche Attentäter. Offiziell heißt es, es gebe
keine offiziellen Kanäle in Syrien, mit denen man die Rückholungen
organisieren könne. [1][Einzig drei deutsche Waisenkinder und ein schwer
krankes Baby wurden zuletzt von der Bundesregierung zurückgeholt.]
## Familien bejubeln „Durchbruch“
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts war deshalb von vielen
Betroffenen mit Spannung erwartet worden. Claudia Dantschke vom Verein
„Hayat“, der Angehörige von etlichen Ausgereisten berät, nannte den
dortigen Beschluss „einen Durchbruch“. „Darauf haben die Familien lange
gewartet. Die Bundesregierung kann sich jetzt nicht mehr wegducken, sondern
ist nun zum Handeln gezwungen.“
Dantschke sprach von einer „Klagewelle“, die nun auf die Bundesregierung
zurollen werde. Viele weitere Ausgereiste oder ihre Familien hätten auf den
Beschluss gewartet und bereits Klageschriften auf Rückholungen vorbereitet.
„Für die Familien ist das ein freudiger Tag, weil sich endlich etwas tut.“
Derzeit sitzen etwa 120 Deutsche in kurdischen Lagern in Syrien fest. Nach
den Angriffen der Türkei gegen die Kurden sollen zuletzt [2][mehrere
IS-AnhängerInnen aus Lagern geflohen seien, darunter vier deutsche Frauen].
Zumindest bei den noch festsitzenden Frauen muss die Bundesrepublik nun
handeln.
7 Nov 2019
## LINKS
[1] /Rueckkehr-von-Kindern-von-IS-Anhaengern/!5627107
[2] /Tuerkische-Invasion-in-Syrien/!5633151
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Gefährder
Schwerpunkt Syrien
„Islamischer Staat“ (IS)
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IS-Terror
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