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# taz.de -- Polen unterliegt vor dem EuGH: Angriff auf den Rechtsstaat
> Das höchste Gericht der EU schiebt dem Umbau von Polens Rechtsstaat einen
> Riegel vor. Doch Warschau könnte sich weiter stur stellen.
Bild: Malgorzata Gersdorf, Präsidentin von Polens Oberstem Gerichtshof, ist ge…
Im Streit um den Rechtsstaat hat Polen eine weitere Niederlage vor dem
Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg erlitten. Die
Zwangspensionierung von Richtern an ordentlichen polnischen Gerichten
widerspricht dem EU-Recht, stellte der EuGH fest. Zuvor hatten die
Luxemburger Richter bereits die Zwangspensionierungen am Obersten Gericht
gekippt.
Geklagt hatte die EU-Kommission in Brüssel. Sie sieht in der
Zwangspensionierung einen unzulässigen Angriff auf den Rechtsstaat und auf
das Prinzip der Gleichbehandlung von Männern und Frauen.
Der EuGH gab der Brüsseler Behörde nun Recht. Die unterschiedlichen
Ruhestandsalter seien eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts, urteilten die Luxemburger Richter. Statt wie bisher mit 67
Jahren sollten Frauen mit 60, Männer hingegen erst mit 65 Jahren in Pension
gehen.
Ausnahmen sollte nur der Justizminister genehmigen dürfen. Doch auch dem
schiebt der EuGH nun einen Riegel vor: Damit werde die Unabhängigkeit der
Richter beschnitten, urteilte das höchste EU-Gericht.
## Ungarn hält zu Polen
Die EU-Kommission und die rechtskonservative Regierung in Polen liegen seit
Jahren im Clinch. Stein des Anstoßes ist die [1][Justizreform]. Der von der
Regierungspartei PiS forcierte Umbau der Justiz sei ein Angriff auf den
Rechtsstaat, heißt es in Brüssel.
Nachdem der zuständige EU-Kommissar Frans Timmermans vergeblich versucht
hatte, die Regierung in Warschau zum Einlenken zu bewegen, zog die
Kommission im Dezember 2017 vor den Europäischen Gerichtshof. Außerdem
leitete sie ein so genanntes Rechtsstaats-Verfahren ein, das im Extremfall
zum Entzug des polnischen Stimmrechts im Ministerrat führen kann.
In der Praxis muss Polen jedoch keine Sanktionen fürchten, da das
befreundete Ungarn bereits angekündigt hat, [2][ein Veto einzulegen]. Umso
wichtiger ist das Urteil des EuGH.
In Brüssel wurde das Urteil einhellig begrüßt. Die EU-Kommission sprach von
einer „wichtigen Entscheidung, die die Unabhängigkeit der Justiz in Polen
unterstützt und die Diskriminierung wegen des Geschlechts unterbindet.“
## Brüssel sucht Entspannung
Das Europaparlament forderte die Regierung in Warschau auf, die
umstrittenen Reformen nun schnell rückgängig zu machen. „Ich erwarte von
der polnischen Regierung, dass sie ihr Gesetz in dieser Form zurück nimmt“,
sagte der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. Ähnlich äußerte sich die
SPD-Europapolitikerin Katarina Barley. Sie sprach von einem „Signal für
Rechtsstaatlichkeit“. Nun müsse die polnische Regierung handeln.
Wie es nun weiter geht, ist unklar. Die polnische Regierung erklärte, die
fraglichen Regelungen seien bereits geändert worden. Sie hat die Befugnisse
des Justizministers beschnitten und das Pensionsalter von Frauen auf 65
Jahre angehoben.
Aus Sicht der EU-Kommission reicht dies jedoch nicht aus. Eine Sprecherin
bemängelte, dass betroffene Richter nicht entschädigt worden seien. Sollte
sich Warschau stur stellen, könnte die Brüsseler Behörde theoretisch erneut
vor das EU-Gericht ziehen. Dann drohen empfindliche Geldstrafen.
Zuletzt war Brüssel jedoch um Entspannung bemüht. Die künftige
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) ist bereits auf die
Regierung in Polen zugegangen. Zudem hat sie Timmermans, der in Warschau
angefeindet wurde, [3][mit einer neuen Aufgabe betreut]: Er wird sich
künftig um den Klimaschutz kümmern. Der Rechtsstaat wird, wenn nicht alles
täuscht, künftig tiefer gehängt.
5 Nov 2019
## LINKS
[1] /Kommentar-Justizreform-in-Polen/!5518965/
[2] http://xn--Blo%20keine%20Polemik%20gegen%20Polen-slc
[3] https://www.euractiv.de/section/energie-und-umwelt/news/kuenftiger-klimache…
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Polen
EuGH
PiS
Rechtsstaatverfahren
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Jarosław Kaczyński
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Schwerpunkt Rassismus
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