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# taz.de -- Polen nach der Parlamentswahl: Der PiS Paroli bieten
> Im Senat ist es der vereinigten Opposition gelungen, den regierenden
> Nationalpopulisten mit 51 zu 49 Stimmen den Vorsitz abzuringen.
Bild: Der neu gewählte Senatspräsident Tomasz Grodzki
Warschau taz | Die Geste kennt in Polen jeder: Mit hoch erhobenen Armen und
dem Victoryzeichen an beiden Händen erklimmt Tomasz Grodzki das Rednerpult
im Senat, der zweiten Kammer des polnischen Parlaments. Genauso hatte es
1989 Tadeusz Mazowiecki getan – der erste nichtkommunistische Premier
Polens nach dem Zweiten Weltkrieg. „Die absolute Herrschaft der
kommunistischen Partei ist gebrochen“, war damals die Botschaft.
Dieses Mal hat die Solidarität aller Oppositionspolitiker dazu geführt,
dass Grodzki mit 51 von 100 gültigen Stimmen zum neuen Senats-Marschall
(Vorsitzenden) gewählt wurde. Die Herrschaft der seit vier Jahren in beiden
Parlamentskammern mit absoluter Mehrheit regierenden Nationalpopulisten ist
damit gebrochen.
Zwar ist die Mehrheit der Opposition im Senat denkbar knapp – gerade mal
eine Stimme –, doch die an Millionen Fernsehbildschirmen mit Spannung
verfolgte Abstimmung zeigte, dass die verschiedenen Oppositionsparteien nun
wieder eine Chance auf politische Mitgestaltung haben.
Dabei wird [1][die im Oktober wiedergewählte Regierungspartei Recht und
Gerechtigkeit (PiS)] alles daransetzen, einzelne Senatoren mit lukrativen
Pöstchen auf ihre Seite zu ziehen. So bekannte der neue Senats-Marschall
Grodzki, ein aus der polnischen Ostsee-Stadt Szczecin stammender Chirurg,
dass die PiS ihm für den Seitenwechsel den Posten des Gesundheitsministers
angeboten habe. „Aber ich habe abgelehnt. Ich verrate meine Wähler nicht!“,
sagte er.
## Ministerium als Köder
Ein anderer Politiker sollte mit dem Sportministerium geködert werden.
Umworben hat die PiS in den vergangenen Tagen insbesondere die drei
unabhängigen Senatoren, die bei jeder Abstimmung das Zünglein an der Waage
sein werden. Bislang vergebens.
Doch die Opposition traut der PiS noch ganz andere Methoden zu, um
zukünftige Abstimmungen zu gewinnen. Züge könnten aufgehalten, Autobahnen
gesperrt, Flüge gecancelt werden, um ein pünktliches Erscheinen der
Oppositionssenatoren in Polens Hauptstadt Warschau zu verhindern.
Tatsächlich ist das denkbar, da die PiS nicht nur alle Minister stellt,
sondern auch die Polizei, die Geheimdienste und sämtliche Staatsunternehmen
kontrolliert.
Sollten die Oppositionssenatoren auch in Zukunft alle Hindernisse
überwinden, könnte es ihnen gelingen, den PiS-Rückbau der Demokratie, die
zunehmende Einschränkung der Meinungsfreiheit und [2][die Zerstörung der
Gewaltenteilung] zumindest aufzuhalten. Stoppen können sie die vom Sejm,
dem polnischen Abgeordnetenhaus, verabschiedeten Gesetze nicht.
Dort aber verfügt die PiS nach wie vor über die absolute Mehrheit der
Stimmen. In der ersten Sejm-Sitzung am Dienstag, mit der die neue
Legislaturperiode in Polen begann, kündigte PiS-Parteichef Jarosław
Kaczyński die Fortsetzung der „Politik des guten Wandels“ an.
## As im Ärmel
Zwar setzt sie damit den Kollisionskurs gegenüber der Europäischen
Kommission fort, die in Polen immer öfter das Prinzip der
Rechtsstaatlichkeit anmahnt. Doch in den bevorstehenden
EU-Haushaltsverhandlungen scheint die PiS ein As im Ärmel zu haben, mit dem
sie die ganze EU vor sich hertreiben kann: ihr Veto.
Am Freitag, wenn Polens bisheriger und künftiger Premier Mateusz Morawiecki
sein Regierungsexposé vorstellen wird, wird die polnische EU-Politik im
Mittelpunkt stehen. Denn in den nächsten vier Jahren soll nicht mehr Polens
Außenminister für die EU-Politik zuständig sein, sondern Polens Premier
höchstpersönlich. Zur Seite soll ihm der gescheiterte EU-Kommissar
Krzysztof Szczerski stehen. Für die EU verheißt das alles nichts Gutes.
13 Nov 2019
## LINKS
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[2] /EuGH-Urteil-zu-Polens-Justizreform/!5635613
## AUTOREN
Gabriele Lesser
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