Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wahlrecht in Polen: „Politische Spielchen“
> Die nationalpopulistische Regierungspartei PiS will die Präsidentenwahl
> im Mai durchziehen und führt jetzt die Briefwahl ein. Die Postler
> rebellieren.
Bild: Krisenbedingt einziger Wahlkämpfer Andrzej Duda mit seiner Frau Agata Ko…
Warschau taz | Polen hat ein neues Briefwahlrecht. Die Abstimmung im
[1][Senat], der zweiten Kammer des polnischen Parlaments, und die
Unterschrift des Präsidenten Andrzej Duda sind nur noch eine Formsache.
Mitten in der [2][Corona-Virus-Pandemie] sollen schon im Mai 30 Millionen
PolInnen bei [3][der Präsidentenwahl] ihre Stimme per Briefwahl abgeben.
Das hat der Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, Montagnacht beschlossen.
In einem ersten Entwurf hatten die regierenden Nationalpopulisten von der
Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nur an ihre Kernwählerschaft gedacht:
nur Polen und Polinnen über 60 Jahre sowie Menschen in zweiwöchiger
Quarantäne, sollten das Briefwahlrecht bekommen.
Doch dann, nachdem die Partei sämtliche Kritik und Änderungswünsche der
Opposition en bloc abgeschmettert hatte, brachte ein Mitglied des
Wahlkampfteams von Andrzej Duda einen Verbesserungsvorschlag ein: Bei der
anstehenden Präsidentschaftswahl sollen alle WählerInnen in Polen das Recht
auf Briefwahl haben.
Dem Wahlkampfteam des amtierenden Präsidenten schien das Szenario „Stell
Dir vor, es sind Wahlen, und keiner geht hin“ allzu realistisch. Wenn aber
nur 30 Prozent der WählerInnen wegen der Seuchengefahr ihre Stimmen abgeben
würden, hätte Duda eine sehr schwache Legitimität.
## Ständig im Fernsehen
Dass er wiedergewählt wird, steht laut Umfragen außer Zweifel. Denn
Wahlkampfveranstaltungen gibt es keine mehr. Der einzige
Präsidentschaftskandidat, der noch Wahlkampf machen kann und permanent im
Fernsehen zu sehen ist, ist Andrzej Duda, der amtierende Präsident.
Während die Opposition beinahe geschlossen darauf drängt, den in der
Verfassung vorgesehenen Katastrophenzustand auszurufen, um den Wahltermin
in die Zeit nach Überwindung der Pandemie – Herbst 2020 oder Frühjahr 2021
– zu verschieben, schlug ein Mitglied der PiS-Fraktion noch Montagfrüh eine
revolutionäre Verfassungsänderung vor: die Amtszeit des Präsidenten sollte
von fünf auf sieben Jahre verlängert werden.
Danach dürfte Duda aber nicht mehr kandidieren. Nachdem der von vornherein
völlig unrealistische Vorschlag gescheitert war, trat Jaroslaw Gowin,
Hochschul- und Wissenschaftsminister sowie einer von drei Vize-Premiers
zurück. Seine kleine Partei trat aber weder aus der PiS-Fraktion aus noch
verließ sie die Regierung.
Ein Problem stellen jetzt nur noch Polens Briefträger dar. Sie wollen auf
keinen Fall Gesundheit und Leben riskieren, nur weil die
nationalpopulistische Regierungspartei PiS unbedingt im Mai
Präsidentschaftswahlen abhalten will.
## Völlig absurd
Innerhalb von knapp einer Woche sollen sie 30 Millionen Briefwahlunterlagen
an alle Wahlberechtigten austragen. „Ich bedaure, dass man die Post gegen
ihren Willen in diese politischen Spielchen gezerrt hat. Am 10. Mai Wahlen
abhalten zu wollen, ist völlig absurd“, sagt Slawomir Redmer, der
Gewerkschaftsvorsitzende der Postler.
Als sich dem auch der Solidarnosc-Vorsitzende der Postler anschloss, wagte
der bislang mächtige Post-Chef zunächst einen leisen Einspruch bei der
Partei und trat schließlich zurück. Auf seinem Posten sitzt nun Tomasz
Zdzigot aus dem Verteidigungsministerium.
Denn sollten alle Stricke reißen, müssten Soldaten nicht nur die Briefe
zustellen, sondern womöglich auch die Stimmen auszählen. Bislang nämlich
gibt es keine Freiwilligen für die Jobs in den Wahlkommissionen.
7 Apr 2020
## LINKS
[1] /Polen-nach-der-Parlamentswahl/!5641987
[2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[3] /Praesidentenwahl-in-Polen/!5675749
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Andrzej Duda
Präsidentenwahl
Polen
PiS
Schwerpunkt Coronavirus
Polen
Polen
PiS
Polen
Polen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Präsidentschaftswahl in Polen: Abstimmung ohne Wähler
Die Präsidentschaftswahl findet am Sonntag statt, allerdings ohne Wähler.
Ein Gericht soll sie für ungültig erklären, um sie im Sommer nachzuholen.
Präsidentschaftswahl in Polen: Tick, tack...
Für die PiS-Regierung läuft der Countdown, sie will die Abstimmung am
Sonntag durchziehen. Doch das Vorhaben könnte noch scheitern.
Streit über Abtreibungen in Polen: Von der Wut der Frauen überrollt
Seit Jahren will Polens Regierungspartei PiS das ohnehin restriktive
Abtreibungsrecht weiter verschärfen. Doch der massive Protest zeigt
Wirkung.
Präsidentenwahl in Polen: Ab an die Urne
Trotz Corona will die PiS-Regierung die Abstimmung am 10. Mai durchziehen.
Immer mehr Kommunalpolitiker widersetzen sich diesem Ansinnen.
Polen nach der Parlamentswahl: Der PiS Paroli bieten
Im Senat ist es der vereinigten Opposition gelungen, den regierenden
Nationalpopulisten mit 51 zu 49 Stimmen den Vorsitz abzuringen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.