# taz.de -- Regierungserklärung in Polen: „Rückkehr zur Normalität“ | |
> Vom „guten Wandel“ ist keine Rede mehr. Aber Mateusz Morawiecki rühmt die | |
> bisherige Sozialpolitik seiner Partei und verspricht einen | |
> Wohlfahrtsstaat. | |
Bild: Die PiS ist seit 2015 an der Regierung, Morawiecki (vorne rechts) ist sei… | |
Warschau taz | Große Visionen sehen anders aus. Für die nächsten vier Jahre | |
seiner Regierungszeit verspricht Polens Premier Mateusz Morawiecki von der | |
Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) seinen Landsleuten die „Rückkehr zur | |
Normalität“. | |
Polens Nationalpopulisten hatten bei den [1][Parlamentswahlen im Oktober] | |
erneut die absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus gewonnen. Sie regieren | |
seit 2015. Bisher punktete die Partei mit dem „guten Wandel“, dem | |
Wiederaufbau des „Polens in Ruinen“ oder dem „Von-den-Knien-aufstehen“ … | |
der polnischen Außenpolitik. An diesem Dienstag war von all dem nichts zu | |
hören. | |
Dafür versprach der Multimillionär Morawiecki Polen „einen | |
Wohlfahrtsstaat“, der durch den normalisierenden Einfluss der PiS auf den | |
freien Markt entstehen werde. Die PiS wolle in Zukunft Steuerflucht und | |
Geldwäsche stärker verfolgen, international agierende Unternehmen dazu | |
bringen, auch in Polen Steuern zu zahlen und mehr Anreize für | |
Privatinvestitionen geben. | |
Rentner würden nach wie vor von einer 13. Rente profitieren, schließlich | |
auch von einer 14. Rente. Arme sollten Sozialhilfe erhalten. In der | |
vergangenen Legislaturperiode sei es der PiS gelungen, rund [2][zwei | |
Millionen Menschen vor der Armut zu retten], rühmte der Premier. | |
## Extreme Armut nimmt in Polen wieder zu | |
Was Morawiecki nicht erwähnte: dass sich der Trend längst umgedreht hat und | |
die extreme Armut in Polen wieder zunimmt. Kein Wort auch über die neue | |
Altersarmut, in die viele Polen in den kommenden Jahren schlittern werden, | |
da sie die erforderlichen Beitragsjahre nicht zusammenbekommen werden. Der | |
Grund ist die von der PiS eingeführte und von vielen Polen zunächst | |
bejubelte Herabsetzung des Renteneintrittsalters. Da hilft dann auch keine | |
13. oder gar 14. Rente mehr. | |
Morawiecki betonte außerdem, dass das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes | |
in Polen in den nächsten vier Jahren rund 3 bis 4 Prozentpunkte über | |
demjenigen in der Euro-Zone liegen solle. Erreichen will er dies durch | |
Investitionsanreize für Klein-, Mittel- und Großunternehmer. Auch | |
ausländische Investoren sollen weiter nach Polen gelockt werden. | |
Allerdings setzt Morawiecki hinzu, dass der Satz „Kapital habe keine | |
Nationalität“ Unsinn sei.„Polnisch ist die Normalität“, sagte er. Der S… | |
werde daher polnische Unternehmen unterstützen, so wie die ausländischen | |
von ausländischem Kapital gefördert würden. | |
Auch könne es zu Repolonisierungen kommen – in Geschäftsfeldern, die von | |
strategischem Interesse für den polnischen Staat seien. Tatsächlich hatte | |
die PiS in den letzten Jahren immer die „Repolonisierung der Medien“ aufs | |
Tapet gebracht und dabei insbesondere deutsche Zeitungsverlage und einen | |
amerikanischen Medienkonzern als angeblich „marktbeherrschend“ kritisiert. | |
## Zur EU sagte Morawiecki erstaunlich wenig | |
Auch die staatlichen Großprojekte, die die PiS in den nächsten vier Jahren | |
vorantreiben will, gehören laut Morawiecki zu einer „normalen langfristigen | |
Perspektive für Polen“. Die PiS werde zum Beispiel die Gaspipeline Baltic | |
Pipe durch die Ostsee vorantreiben, mit deren Hilfe Polen hofft, von | |
Gaslieferungen aus Russland unabhängig zu werden. | |
Zur Europäischen Union sagte Morawiecki erstaunlich wenig. Dabei gehört die | |
EU seit der Regierungsbildung vor ein paar Tagen zum Aufgabenbereich des | |
Premiers. Die Kompetenzen des polnischen Außenministers wurden massiv | |
beschnitten. Der Premier betonte nun, dass die EU sich wieder stärker auf | |
einen ihrer Grundwerte besinne solle – die Solidarität. | |
Morawiecki wollte am Dienstagabend die Vertrauensfrage für sein neues | |
Kabinett stellen. Dies sieht die polnische Verfassung vor. Ein für ihn | |
positiver Ausgang war klar: Die PiS stellt im Sejm 235 von 460 | |
Abgeordneten. | |
19 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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