| # taz.de -- Mietendeckel in Berlin: Da geht noch mehr Revolution! | |
| > Weißer Rauch über dem Roten Rathaus: Der Mietendeckel ist beschlossen. | |
| > Was sind die nächsten Schritte ins schöne Leben? Wir haben mal fünf | |
| > gesammelt. | |
| Bild: Demonstrationszug gegen Mietenwahnsinn zieht auf der Karl-Marx-Allee zur … | |
| ## 1. Wahlrecht für alle! | |
| Verhindern, dass Menschen an den Rand gedrängt, ausgeschlossen werden, weil | |
| sie bestimmte Kriterien nicht erfüllen, etwa wenig Geld haben – das hat R2G | |
| mit dem Mietendeckel erreicht. Will die Koalition solche Politik gegen die | |
| Spaltung der Gesellschaft fortsetzen, muss sie jetzt das Wahlrecht für | |
| Ausländer*innen einführen. | |
| Denn auch, wer hier überhaupt mitbestimmen darf, ist ausgesprochen exklusiv | |
| geregelt – und hängt auch von Einkommensverhältnissen ab. Wer deutscher | |
| Staatsbürger ist, darf wählen – wer deutscher Staatsbürger werden will, | |
| muss aber erst mal Geld verdienen. Nicht von Sozialleistungen abhängig zu | |
| sein, ist eine der Voraussetzungen für die Einbürgerung. Wer arm ist, hat | |
| also weniger Chancen, diese zu bekommen – eine zutiefst antidemokratische | |
| Regelung. | |
| 758.550 der insgesamt 3.754.418 Berliner*innen hatten zum Stichtag 30. Juni | |
| 2019 keinen deutschen Pass – gut 20 Prozent. Viele von ihnen sind, etwa als | |
| Geflüchtete, in besonderem Maße Objekte landespolitischer Maßnahmen – alle | |
| sind es als Bewohner*innen dieser Stadt. Mitbestimmen dürfen sie aber | |
| nicht. Klar gesagt: Ein Fünftel der Bewohner*innen dieser Stadt ist von | |
| Teilhabe ausgeschlossen. Bei Kommunalwahlen ist es in Bezirken wie Mitte | |
| mit 33 und Neukölln mit 24 ein noch höherer Prozentsatz. | |
| Einen so großen Teil der Bevölkerung von politischer Partizipation | |
| auszuschließen, kann keine Politik vor sich rechtfertigen, die demokratisch | |
| legitimiert sein und inklusiv, also gegen Ausgrenzungen, wirken will. | |
| Schließlich geht es auch um diese Berliner*innen, wenn Bildungspolitik, | |
| Verkehrspolitik, Sozialpolitik, Wohnungspolitik gemacht wird. Wer hier | |
| lebt, muss auch wählen dürfen – und keineswegs nur, wie es sich R2G 2016 | |
| als Bundesratsinitiative vorgenommen (inzwischen aber wohl wieder | |
| vergessen) hat, auf kommunaler Ebene. Sondern auch die Landesregierung. | |
| Alke Wierth | |
| ## 2. Obergrenze für Autos! | |
| Der Anfang ist gemacht. Am 5. und 6. Oktober war die Friedrichstraße | |
| autofrei. Zumindest ein paar hundert Meter lang. Was spräche eigentlich | |
| dagegen, die Straße künftig ganz zu sperren? Wer Mietendeckel kann, kann | |
| auch Verkehrswende. | |
| Im Koalitionsvertrag steht nichts von einer autofreien Innenstadt. Aber | |
| auch der Mietendeckel stand nicht in dieser Heiratsurkunde von SPD, Linken | |
| und Grünen. Also kann R2G den Vertrag ruhig noch einmal toppen, zumal sich | |
| in der Verkehrspolitik ohnehin nie einer dran hielt. Oder ist etwa die | |
| Straße Unter den Linden, wie im Dezember 2016 beschlossen, für den | |
| Autoverkehr gesperrt? | |
| So wie die Mieten nun gedeckelt werden, muss es auch eine Obergrenze für | |
| Autos in der Innenstadt geben. Als Erstes sollte der gesamte S-Bahn-Ring | |
| zur Parkraumbewirtschaftung erklärt werden. Der Preis fürs Parken, so hat | |
| es der Verkehrsforscher Andreas Knie dem Senat ins Stammbuch geschrieben, | |
| soll die Kosten abbilden, die ein Parkplatz die öffentliche Hand kostet – | |
| also 15 Euro am Tag. | |
| Obergrenzen heißt Verknappung. Wo immer möglich, muss eine Autospur dem | |
| Radverkehr weichen. Wo ein Angebot ist, steigt die Nachfrage – Kopenhagen | |
| zeigt es. Wo es sinkt, steigt die Bereitschaft, das Auto stehen zu lassen. | |
| Für Bauvorhaben sollte als zweiter Schritt die Verpflichtung wegfallen, | |
| Tiefgaragen zu bauen. Dass es auch ohne in einer Metropolregion geht, hat | |
| London vorgemacht. Wer in der Innenstadt arbeitet, kann mit dem Fahrrad | |
| oder den Öffis kommen. Das alles braucht Mut. Aber wer wagt, gewinnt auch. | |
| Uwe Rada | |
| ## 3. Flugdeckel fürs Inland! | |
| 35 Millionen Passagiere verreisen jährlich über die Berliner Flughäfen, | |
| etwa 20 Prozent davon überflüssigerweise. Diese etwa 7 Millionen Fluggäste | |
| steigen nämlich in Tegel oder Schönefeld in die Flieger, nur um etwa eine | |
| Stunde später immer noch in Deutschland wieder auszusteigen. Die | |
| Top-Destination Berlins ist München, das mittlerweile per Bahn in unter | |
| vier Stunden zu erreichen ist. Schneller ist man bei einem Flug vom | |
| Stadtrand samt zeitintensiver Sicherheitschecks nicht. | |
| Auf der Liste der beliebtesten Ziele folgen die per ICE ebenfalls gut | |
| angebundenen Städte Frankfurt am Main und Köln/Bonn. Allein die Mitarbeiter | |
| der Bundesministerien und ihrer Verwaltungen haben vergangenes Jahr 229.000 | |
| dienstliche Inlandsflüge zumeist in die alte Hauptstadt unternommen. Dabei | |
| ist das Flugzeug mit Abstand das schmutzigste Verkehrsmittel. Diesen | |
| klimaschädlichen Wahnsinn, der auch die Lebensqualität der Berliner | |
| einschränkt, muss die Stadt beenden. | |
| Einfach wird das aber nicht, denn über Slots für Flüge entscheidet allein | |
| die Flughafenkoordination des Bundes. Bislang hofft die Flughafen Berlin | |
| Brandenburg GmbH, die die Flughäfen der Region betreibt, auf möglichst | |
| viele Slots. Ihr Erfolg bemisst sich in Flügen und Passagieren. Berlin ist | |
| 37-prozentiger Gesellschafter der Flughafengesellschaft – neben Brandenburg | |
| und dem Bund – und könnte sich dafür starkmachen, dass die Stadt bei der | |
| Flughafenkoordination darum bittet, keine innerdeutschen Flüge mehr zu | |
| bekommen. | |
| Wenn Brandenburg mitzieht, wäre die Entscheidung auch mehrheitsfähig. Ein | |
| anderer Weg ist eine Bundesratsinitiative, die sich generell für ein Verbot | |
| von Inlandsflügen einsetzt. Mehrheiten dafür sind nicht zu erwarten, doch | |
| politischer Druck von der Straße kann sein Übriges tun. Mit großem | |
| Widerstand der Airlines ist nicht zu rechnen, die verdienen vor allem an | |
| Langstreckenflügen. Erik Peter | |
| ## 4. Wohnungspaket 2.0! | |
| Wo ein Gesetz ist, sind auch Lücken: Wenn bald also der Mietendeckel | |
| greift, werden Vermieter ihre Wege suchen, Wohnungen nicht zu den von der | |
| Politik festgesetzten niedrigen Preisen zu vermieten. Was Berlin daher | |
| braucht, sind Begleitmaßnahmen, die dafür sorgen, dass der Mietendeckel | |
| seine volle Wirkung entfalten kann. | |
| Sicher freut sich Airbnb schon auf viele neue Anbieter. Das | |
| Zweckentfremdungsverbot wird seit Jahren systematisch hintergangen, | |
| Tausende Wohnungen werden ohne Genehmigung illegal an Touristen vermietet. | |
| Die Konsequenz daraus kann nur sein: Komplettverbot für Ferienwohnungen. | |
| Ebenso muss Leerstand endlich Konsequenzen haben. Ein einfacher Hebel: | |
| Hausbesetzungen werden nicht mehr sofort geräumt, die sogenannte Berliner | |
| Linie abgeschafft. Räumungen gibt es nur noch, wenn ein Eigentümer konkrete | |
| Nutzungspläne nachweisen kann. Die Niederlande und die Schweiz haben | |
| gezeigt, wie das geht. Auch in Frankreich gilt ein Verbot, Menschen im | |
| Winter aus ihren Wohnungen zu schmeißen. Genau so kann Berlin Räumungen | |
| aussetzen. | |
| Der schwierigste Schritt wird sein, Umwandlung von Miet- in | |
| Eigentumswohnungen zu unterbinden. Milieuschutzgebiete sorgen im Moment nur | |
| dafür, dass es lange Fristen gibt, ehe eine Wohnung an jemand anderes als | |
| die Mieter verkauft werden darf, verhindern aber nicht den Prozess. Auch | |
| hier muss wohl Bundesrecht geändert werden, es sei denn, ein findiger | |
| Verwaltungsmitarbeiter findet noch eine Regelungslücke, die das Land | |
| ausfüllen kann. Hat beim Deckel ja auch geklappt. Erik Peter | |
| ## 5. Make BER Greta again! | |
| Die Klimakrise ist die Zukunftsfrage. Da trifft es sich gut, dass gerade | |
| dabei Rot-Rot-Grün spielend leicht Akzente setzen und Berlin weltweit in | |
| die Schlagzeilen bringen kann. Statt – wie von der taz bereits gefordert – | |
| lediglich Inlandsflüge von und zum BER zu verbieten, sollte R2G den | |
| Flughafen kurz nach dessen Eröffnung Anfang 2021 (mit ein bisschen | |
| Verspätung also) wieder stilllegen. | |
| Begründung: Fliegen ruiniert zu guten Teilen die Existenzgrundlage dieser | |
| und kommender Generationen, heizt das Klima in den Innenstädten | |
| unerträglich auf und darf deswegen von einer progressiven Metropole in | |
| keinster Weise unterstützt werden – sonst könnten ja | |
| Entschädigungsansprüche von ImmobilienbesitzerInnen drohen, denen | |
| Mieteinnahmen beziehungsweise potenzielle KäuferInnen wegbrechen. | |
| Ganz nebenbei verhindert die Koalition weitere hämische Artikel des | |
| Tagesspiegel kurz vor der nächsten Wahl über die – seien wir ehrlich | |
| angesichts der BER-Historie – wohl unvermeidlichen Pannen und erwartbare | |
| Kostensteigerungen beim Terminal 2 oder der Startbahn 7. | |
| Damit das revolutionäre „Überholen ohne Einzuholen“ auch beim BER gelingt, | |
| muss ähnlich wie beim Tegeler Flughafengelände aus diesem Fossil ein Ort | |
| der Wissenschaft und damit der Zukunft werden: der | |
| Greta-Thunberg-Science-Campus. Und wenn sich Rot-Rot-Grün beeilt, landet | |
| Berlin mit dieser Namensgebung den ganz großen Coup. Bert Schulz | |
| 23 Oct 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Alke Wierth | |
| Uwe Rada | |
| Erik Peter | |
| Bert Schulz | |
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