| # taz.de -- Mieterverein zum Mietendeckel: „Mieterhöhungen nicht ignorieren�… | |
| > Solange der Mietendeckel nicht als Gesetz verankert ist, rät Wibke Werner | |
| > vom Berliner Mieterverein Mietern zur Vorsicht. | |
| Bild: Graffiti in Berlin-Kreuzberg | |
| taz: Frau Werner, Rot-Rot-Grün hat sich zum Mietendeckel durchgerungen. Der | |
| ist juristisches Neuland. Was glauben Sie: Wird er letztlich rechtlich | |
| haltbar sein? | |
| Wibke Werner: Wir gehen davon aus. Mit der Föderalismusreform liegt seit | |
| 2006 die Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen und auch für das | |
| Preisrecht bei den Ländern. Ob die Eingriffe des neuen Gesetzes | |
| kompetenzrechtlich in Ordnung sind, ist aber vor allem bei den Gegnern des | |
| Mietendeckels umstritten. | |
| Sicher bedeutet der Deckel viel Arbeit für die Berater des Mietervereins? | |
| Das haben wir bereits in den letzten Monaten zu spüren bekommen. Seit das | |
| Eckpunktepapier mit der Ankündigung eines Mietendeckels veröffentlicht | |
| wurde, gab es Tausende von Mieterhöhungen, die wir überprüft haben. | |
| Waren das deutlich mehr als sonst? | |
| Ganz eindeutig. Sonst ergibt sich immer mit der Veröffentlichung eines | |
| neuen Mietspiegels ein erhöhter Beratungsbedarf wegen Mieterhöhungen. Das | |
| wurde durch die Mietendeckelankündigung noch mal deutlich getoppt. | |
| Das Gesetz soll – wenn es dann im Frühjahr 2020 vom Parlament auch | |
| verabschiedet wird – rückwirkend zum 18. Juni 2019 gelten. MieterInnen, die | |
| vor diesem Stichtag noch eine Mieterhöhung bekommen haben, ist nicht mehr | |
| zu helfen. Oder? | |
| Die entscheidende Frage dürfte sein, ob einer Mieterhöhung vor dem 18. Juni | |
| 2019 zugestimmt wurde. Denn laut der aktuellen Fassung des Gesetzentwurfs | |
| ist die Miete maßgeblich, die am Stichtag 18. Juni 2019 wirksam vereinbart | |
| war. Wenn einer Mieterhöhung vor diesem Stichtag zugestimmt worden ist, | |
| wäre das die zulässige Miete, auf die es für das Gesetz ankommt. | |
| Und was ist mit jenen, die danach eine Mieterhöhung erhalten haben? | |
| Das betrifft die vielen tausend Mieterhöhungen, die nach Ankündigung des | |
| Mietendeckels im Juni 2019 zugesandt wurden. Auch jetzt werden noch viele | |
| Mieterhöhungen, zum Beispiel durch die Deutsche Wohnen, geltend gemacht. | |
| Wir sind der Auffassung, dass diese Erhöhungen mit Inkrafttreten des | |
| Mietendeckels rückgängig gemacht werden können, selbst wenn die Mieterinnen | |
| und Mieter der Erhöhung zugestimmt haben. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt – | |
| dem Stichtag 18. Juni 2019 – waren diese Erhöhungen noch nicht wirksam. | |
| Was sollen jene MieterInnen jetzt tun? | |
| Wir raten, Erhöhungen nach dem ganz normalen Mietrecht zu prüfen und | |
| entsprechend zu reagieren. Denn solange der Mietendeckel nicht in Kraft | |
| ist, gilt das Mietrecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Mieter, deren | |
| Mieterhöhungen korrekt sind, sollten jetzt auch der Mieterhöhung zustimmen. | |
| Sie sagen also nicht: Mieterhöhungen einfach ignorieren, denn der | |
| Mietendeckel kommt ja? | |
| Nein. Die Wahrscheinlichkeit wäre groß, dass der Vermieter die Zustimmung | |
| zur Mieterhöhung einklagt. Dann landet das vor Gericht. | |
| Die RichterInnen könnten doch auch auf den Gesetzgebungsprozess verweisen. | |
| Nein, die Richter können aktuell nicht auf ungelegte Eier Rücksicht nehmen. | |
| Erst mit Inkrafttreten des Gesetzes kann bei Vorliegen von | |
| Verfassungsklagen ausgesetzt werden. | |
| Aber wer jetzt noch eine Mieterhöhung kriegt – da reichen doch die Fristen | |
| bis ins Frühjahr. | |
| Auch da wären wir vorsichtig. Der Gesetzgebungsprozess dauert: Jetzt wird | |
| erst mal der Rat der Bürgermeister angehört, dann kommen die | |
| parlamentarischen Beratungen. Der letzte Schliff ist noch nicht vollzogen, | |
| vielleicht ändern sich wichtige Details. Wir wollen das nicht hoffen, aber | |
| es kann passieren. Und solange wir das Gesetz nicht vorliegen haben, wäre | |
| es risikobehaftet, Mieterhöhungen im Vertrauen auf den Mietendeckel zu | |
| ignorieren. MieterInnen sollten aber die vollen zwei Monate, die ihnen nach | |
| Zugang einer Mieterhöhung für die Prüfung bleibt, voll ausnutzen. | |
| Im Zweifelsfall also unter Vorbehalt zustimmen? | |
| Das können wir auch nicht empfehlen: Eine Zustimmung unter Vorbehalt gilt | |
| im Prinzip wie eine nicht erteilte Zustimmung. Auch da könnte der Vermieter | |
| auf Zustimmung zur Mieterhöhung klagen. | |
| 23 Oct 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
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