# taz.de -- Grüne mit eigenem Klimapaket: Radikal-realistischer Aufschlag | |
> Mit einem weitreichenden Maßnahmenpaket zum Klimaschutz wollen die Grünen | |
> das Klimapaket der großen Koalition in den Schatten stellen. | |
Bild: Die Grünen wollen die – tendenziell klimafreundliche – Bahn ausbauen | |
BERLIN afp/taz | Mit einem weitreichenden Maßnahmenpaket zum Klimaschutz | |
wollen die Grünen das Klimapaket der großen Koalition in den Schatten | |
stellen. Die Vorschläge der Partei seien „radikal realistisch“ und sollten | |
einen „neuen Anlauf in der Klimapolitik“ einleiten, schreibt der | |
Grünen-Bundesvorstand in seinem am Samstag vorgelegten Leitantrag für den | |
Parteitag im November. Die Partei setze sich damit von den Klimaplänen der | |
„völlig ermüdeten Koalition“ ab. | |
Politiker dieser Koalition reagierten teils heftig auf das Paket. | |
SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich warf den Grünen vor, neoliberal | |
zu agieren und Politik vorwiegend für ihre gut situierte Klientel zu | |
machen. | |
Was die Klimapläne der Bundesregierung angeht, stecken die Grünen in einem | |
Dilemma: Einerseits wollen sie sich kooperativ zeigen, [1][andererseits | |
gehen ihnen die Maßnahmen längst nicht weit genug]. Das zeigt nun der | |
Leitantrag. | |
Die Kernpunkte des Grünen-Pakets: Der Ausstoß von CO2 soll viel teurer | |
werden als von der Koalition geplant, der Einbau von Ölheizungen soll | |
sofort verboten werden, Autos mit Verbrennungsmotoren sollen langsam von | |
den Straßen verschwinden und ab 2030 nicht mehr zugelassen werden. | |
Änderungen sind auch in der Landwirtschafts- und Verkehrspolitik | |
vorgesehen. Der Leitantrag trägt den Titel „Handeln – und zwar jetzt! | |
Maßnahmen für ein klimaneutrales Land“. | |
## 100 Euro Energiegeld pro Bürger | |
Die Energiesteuer im Bereich Verkehr und Wärme wollen die Grünen mit einer | |
CO2-Komponente reformieren. Als Einstiegspreis für den CO2-Ausstoß in | |
diesen Sektoren schlagen sie aktuell 40 Euro vor, bis 2021 soll er „auf 60 | |
Euro steigen, um etwas zu bewirken“, heißt es in dem Leitantrag. „Der Preis | |
muss danach weiter planbar ansteigen.“ | |
Um die Bürger zu entlasten, solle mit den Einnahmen die Stromsteuer auf das | |
„europarechtlich zulässige Minimum“ abgesenkt werden: Zudem solle „als | |
sozialer Ausgleich“ ein Energiegeld für alle eingeführt werden. Es solle | |
zunächst bei 100 Euro pro Bürger liegen. | |
Das Klimapaket der großen Koalition sieht vor, dass der Ausstoß von CO2 im | |
Verkehrs- und Wärmebereich ab 2021 zunächst nur mit zehn Euro pro Tonne | |
bepreist werden soll. Der Preis soll dann schrittweise bis 2025 auf 35 Euro | |
ansteigen. Danach soll eine Versteigerung der Zertifikate in einer | |
Preisspanne von 35 bis 60 Euro erfolgen. | |
Bei der Gebäudewärme fordern die Grünen eine rasche Wende: Ölheizungen | |
sollten ab sofort und fossile Gasheizungen ab 2025 nicht mehr eingebaut | |
werden dürfen, fordert die Partei in dem Leitantrag. | |
Neue Anreize solle ein Austauschprogramm „Sonne statt Öl“ setzen – ein | |
Förderprogramm für modernes Heizen mit Sonnenwärme, Wärmepumpe oder Holz. | |
Der Plan der großen Koalition hingegen sieht vor, den Einbau von | |
Ölheizungen erst ab 2026 zu verbieten. | |
## Keine neuen Bundesstraßen mehr | |
Des weiteren fordern die Grünen, den „steuer- und finanzpolitischen Rahmen“ | |
mit dem Ziel auszuschöpfen, den Kauf von Autos mit fossilem | |
Verbrennungsmotor auslaufen zu lassen und die Nutzung öffentlicher | |
Verkehrsangebote preiswert zu gestalten. „Zum Beispiel wollen wir, dass ab | |
2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden.“ | |
In der Verkehrspolitik sprechen sich die Grünen dafür aus, ab 2025 „keine | |
neuen Bundesstraßen mehr in Angriff zu nehmen, da Deutschland mit Straßen | |
ausreichend erschlossen ist“. Stattdessen solle die vergleichsweise | |
klimafreundliche Bahn ausgebaut werden. | |
Für die Landwirtschaft setzen die Grünen das Ziel, weniger Fleisch zu | |
produzieren. Die Partei wolle sich dabei auch „für mehr | |
Selbstverständlichkeit von vegetarischer und veganer Ernährung“ einsetzen, | |
heißt es in dem Leitantrag. | |
In einem weiteren Leitantrag zur „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ | |
spricht sich der Parteivorstand für eine Neuorganisation der Arbeitswelt | |
aus. Beschäftigte sollen souveräner über ihre Arbeitszeit bestimmen können, | |
dafür solle eine „Wahlarbeitszeit zwischen 30 und 40 Wochenstunden“ | |
eingeführt werden. „Damit wird die Vollzeit neu definiert“, heißt es in d… | |
Leitantrag. | |
Zudem will die Partei ein Recht auf Arbeiten von Zuhause aus – das „Home | |
Office“ – einführen. Den Mindestlohn wollen die Grünen von derzeit 9,19 | |
Euro auf zwölf Euro anheben. | |
## Harsche Kritik der SPD | |
SPD-Fraktionschef Mützenich sagte im Tagesspiegel dazu: „Die große Mehrheit | |
der Grünen will die Lenkungsfunktion zu klimaneutralem Handeln mit einem | |
höheren Preis erreichen. Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, der Staat | |
muss erst bestimmte Rahmenbedingungen auch und vor allem für | |
Geringverdiener schaffen, damit die Gesellschaft umsteuern kann. Ich spitze | |
das mal zu: Die Grünen handeln neoliberal.“ Womöglich habe das „damit zu | |
tun, dass ihre Wählerinnen und Wähler im Durchschnitt über ein hohes | |
Einkommen verfügen“. | |
Die Leitanträge sollen der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen vorgelegt | |
werden, die sich Mitte November in Bielefeld trifft. Sollten sie angenommen | |
werden, gelten sie als offizielle Parteilinie der Grünen. | |
6 Oct 2019 | |
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