# taz.de -- Parteitag der NRW-AfD: Radikale im „Schnellen Brüter“ | |
> Im internen Machtkampf verliert der von Höcke angeführte „Flügel“ in N… | |
> nur formell. Inhaltlich geht es weiter nach rechts. | |
Bild: Nur oberflächlich gemäßigt: Der neu gewählte Landesprecher der AfD in… | |
KALKAR UND BERLIN taz | Der vom Thüringer AfD-Chef Björn Höcke angeführte | |
radikale „Flügel“ hat in Nordrhein-Westfalen eine | |
organisatorisch-personelle Niederlage hinnehmen müssen. Bei den | |
Vorstandswahlen der NRW-AfD in der zum Freizeitpark umgewandelten Ruine des | |
Atomkraftwerks „Schneller Brüter“ in Kalkar setzten sich am Samstag | |
durchgehend Vertreter von Positionen durch, die parteiintern als noch | |
„gemäßigt“ gelten. Neuer und alleiniger Sprecher des Landesvorstands ist | |
der 68-jährige Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen. Auch seine drei | |
Stellvertreter gelten als angeblich „Moderate“, stehen politisch aber wie | |
der ehemalige Oberst im Generalstab selbst am rechten Rand. | |
Lucassens Wahl vorausgegangen war ein Chaos-Parteitag im Juli in Warburg: | |
Dabei hatte der damals amtierende AfD-Landesvorsitzende Helmut Seifen dem | |
„Flügel“ vorgeworfen, den NRW-Parteiverband unterwandern und spalten zu | |
wollen. Zuvor hatte der Ex-Gymnasialdirektor geklagt, Höckes Rhetorik | |
gleiche der Hitlers und seines Propagandaministers Joseph Goebbels. In | |
Warburg war Seifen dann zusammen mit acht weiteren AfDlern aus dem | |
zwölfköpfigen Landesvorstand abgetreten. | |
Zurück blieben drei „Flügel“-Männer um Seifens Co-Landeschef Thomas | |
Röckemann. In Kalkar wollte sich der Rechtsanwalt wiederwählen lassen – | |
verlor aber mit rund 39 Prozent deutlich. In seiner Bewerbungsrede hatte er | |
massiv auf migrationsfeindliche und islamophobe Sprüche gesetzt: „Der | |
Rassismus ist zurückgekehrt nach Deutschland“, giftete der 54-Jährige. „W… | |
Deutschen sind diesmal die Opfer. Wir sind die Untermenschen, die | |
Scheißdeutschen.“ | |
Sein Gegner Lucassen betonte unmittelbar nach seiner Wahl trotzdem, er | |
wolle den „Flügel“, dem in NRW rund 40 Prozent der AfDler anhängen sollen, | |
keinesfalls ausgrenzen. Zuvor hatte auch [1][Alice Weidel, Chefin der | |
AfD-Bundestagsfraktion], den mit etwa 5.300 Mitgliedern größten | |
Landesverband zur Einigkeit aufgerufen: Ohne Erfolg im | |
bevölkerungsreichsten Bundesland werde die Partei auch [2][im Bund nie | |
durchsetzungsfähig] – doch angesichts der Selbstzerlegung dümpelt die AfD | |
in NRW um 7 Prozent. | |
## Im Westen „mit feinen Flöten“ | |
Die Flügel-Gegner betonten deshalb immer wieder, der Streit drehe sich | |
nicht um Inhalte, sondern um eine Ansprache, die möglichst wenige | |
Wähler*innen abstoße. Landeschef Lucassen erklärte, er wolle die AfD mit | |
einem national-konservativen Kurs, „für das bürgerliche Lager“, | |
anschlussfähig halten. Lucassens erster Stellvertreter Matthias Helferich | |
war schon im Bundestagswahlkampf mit einer Kornblume am Revers aufgetreten | |
– dem Symbol der Nazis während ihres Verbots in Österreich. Der zum 2. | |
Stellvertreter gewählte Martin Schiller zitierte die Mahnung des | |
AfD-Vordenkers Götz Kubitschek, die Partei könne im „Osten ins Horn | |
stoßen“, müsse aber „den Westen mit feinen Flöten einstimmen“. | |
Denn NRW ist nicht der einzige Landesverband, in dem ein heftiger | |
innerparteilicher Machtkampf tobt. In Baden-Württemberg bekriegen sich die | |
beiden Landeschefs. Auch in Bayern geht es hoch her. Ende September | |
erschienen nur zwölf von 20 Mitgliedern zur Neuwahl des Fraktionsvorstands. | |
Im Landesparlament ist die AfD in Flügel-Unterstützer und -Gegner gespalten | |
– und zwar ungefähr halbe-halbe. | |
Zerstritten sind auch kleine Landesverbände: Erst vor wenigen Wochen | |
zerbrach die Bremer AfD-Fraktion. Und in Schleswig-Holstein wählte die | |
Partei zunächst Doris Sayn-Wittgenstein als Landeschefin wieder, obwohl | |
gegen die „Flügel“-Frau ein Parteiausschlussverfahren lief. Inzwischen ist | |
sie aus der Partei geflogen, was im Norden aber keineswegs für Ruhe sorgt. | |
Durch die internen Machtkämpfe sind viele der AfD-Westverbände paralysiert. | |
Dies führt – neben den hohen Wahlergebnissen – dazu, dass die im | |
Durchschnitt radikaleren Ostverbände ihren Einfluss immer weiter ausbauen | |
können. Sie sind nicht nur stramm auf Flügelkurs, sondern haben die | |
parteiinterne Opposition auch weitgehend vergrault. Und sie können eines: | |
mobilisieren. Trotz der personellen Niederlage in NRW wird Flügel-Chef | |
Björn Höcke deshalb weiterhin mehr Einfluss für die ostdeutschen | |
Landesverbände im Bundesvorstand einfordern. | |
6 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
Sabine am Orde | |
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