# taz.de -- Schwarz-gelbe Koalition in NRW: Viel versprochen, wenig erreicht | |
> Nach zweieinhalb Jahren Schwarz-Gelb macht sich in Nordrhein-Westfalen | |
> Enttäuschung breit: Ministerpräsident Armin Laschet rede vor allem viel. | |
Bild: Zukunft für NRW? Ministerpräsident Armin Laschet testet ein Elektroauto… | |
Düsseldorf taz | Zweieinhalb Jahre nach Regierungsantritt des | |
nordrhein-westfälischen CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet haben | |
Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbände und Mietervereine ebenso wie die | |
Opposition seiner schwarz-gelben Landesregierung ein negatives | |
Halbzeitzeugnis ausgestellt. Dabei hatte der heute 58-jährige Laschet im | |
Wahlkampf viel versprochen: Der Aachener wollte NRW mit seinen knapp 18 | |
Millionen Einwohnern als „schlafenden Riesen entfesseln“. Ohne große | |
soziale Einschnitte sollten die Wirtschaft gestärkt, neue Jobs geschaffen, | |
die Bürokratie abgebaut werden – und die langen Staus auf den Autobahnen | |
sollten auch verschwinden. | |
Die Wähler*innen belohnten die CDU dafür mit einem Ergebnis von 33 Prozent | |
– die SPD von Ex-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft holte 31,2 Prozent. 30 | |
Monate später aber macht sich Ernüchterung breit. Am Montagmorgen meldete | |
nicht nur der WDR rund 300 Kilometer Stau. Die Arbeitslosenquote liegt mit | |
offiziell 6,4 Prozent weiter über dem Bundesschnitt – in Problemregionen | |
wie Gelsenkirchen sind es sogar mehr als 10 Prozent. Hier leidet die | |
Wirtschaft immer noch am Niedergang der einst so wichtigen Schwerindustrie. | |
Laschet versuche sich als Moderator, sagt Nordrhein-Westfalens DGB-Chefin | |
Anja Weber trotzdem diplomatisch – ihr Gewerkschaftsbund registriert, dass | |
der Regierungschef den Strukturwandel im einstigen Steinkohlerevier mit | |
einer „Ruhrkonferenz“ beschleunigen will und mit seinem | |
„industriepolitischen Leitbild“ besonders Jobs und die | |
Energie-Versorgungssicherheit im Blick hat. Realpolitisch verbucht Weber | |
aber nur das kostenfreie Kita-Jahr und gute Tarifabschlüsse im öffentlichen | |
Dienst auf Laschets Habenseite. | |
Größtes Problem seiner Regierung bleibe das Dogma der „Schwarzen Null“, an | |
der CDU-Landesfinanzminister Lutz Lienenkämper ebenso festhalte wie sein | |
[1][SPD-Pendant Olaf Scholz im Bund], sagt die DGB-Chefin: „Wir haben eine | |
riesige Finanzierungslücke in der öffentlichen Infrastruktur.“ Die | |
Entschuldung der Städte gerade im Ruhrgebiet komme nicht voran, zurück | |
blieben marode Schulen und kaputte Straßen. | |
## Auch die Sozialverbände sind ernüchtert | |
Auf Investitionen in der Niedrigzinsphase drängen auch die | |
Einzelgewerkschaften: Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung | |
und Wissenschaft, fordert immer wieder mehr Geld für Schulen in | |
Brennpunktvierteln, die Bekämpfung des Lehrermangels und die im Wahlkampf | |
versprochene [2][gleiche Bezahlung der Grundschullehrer*innen.] | |
Ernüchtert zeigen sich auch die Sozialverbände. Von Laschets Versprechen, | |
Nordrhein-Westfalen zum „sozialen Gewissen Deutschlands“ machen zu wollen, | |
sei wenig zu spüren, kritisiert Franz Schrewe, NRW-Landeschef des | |
Sozialverbands Deutschland. Mit dem Argument des Bürokratieabbaus seien | |
Qualitätsstandards etwa in der Pflege reduziert worden – dabei kostet ein | |
stationärer Pflegeplatz mit rund 2.500 Euro im Monat nirgendwo mehr als in | |
NRW. Und Horst Vöge, Landesvorsitzender des Sozialverbands VdK, beklagt, es | |
fehlten tausende barrierefreie Wohnungen für Ältere und Behinderte. | |
Denn der Wohnungsmarkt ist nicht nur in Großstädten wie Köln dramatisch | |
angespannt. Trotzdem hat die schwarz-gelbe Landesregierung wichtige | |
Schutzbestimmungen wie die Mietpreisbremse auf den Prüfstand gestellt. „Das | |
ist Zeitverschwendung“, findet Silke Gottschalk, Geschäftsführerin des | |
Mieterbunds in NRW. Erst das Bündnis „Wir wollen wohnen“, dass 300.000 | |
Unterschriften für den Erhalt des Mieterschutzes gesammelt hat, habe | |
weitere Einschränkungen etwa im Bereich Zweckentfremdung verhindert. | |
Enttäuscht sind auch Umweltschützer*innen. Trotz massiver Proteste und der | |
Besetzung des Hambacher Walds bekenne sich Regierungschef Laschet noch | |
immer nicht eindeutig zum schnellen Ende der Braunkohleförderung, | |
kritisiert Dirk Jansen vom Umweltverband BUND. Die Windkraft habe Laschets | |
Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart ausgebremst. Und Ministerpräsident | |
Laschet selbst hält das seit Jahren umkämpfte Kohlekraftwerks Datteln IV | |
für sinnvoll – den Empfehlungen der Kohlekommission und vom BUND erwarteter | |
Kohlendioxid-Mehremissionen von jährlich 2 Millionen Tonnen zum Trotz. | |
## „Nichts als Wahlkampfblasen“ | |
Beispielhaft für „den kompletten Stillstand der Natur- und Umweltpolitik in | |
NRW“ sei der Landesentwicklungsplan, der immer neue Flächen für den Bau von | |
Industriegebieten auf der grünen Wiese bereitstelle, sagt Heike Naderer, | |
Vorsitzende des Naturschutzbunds Nabu. Das Ergebnis: Statt alte | |
Industriebrachen wie Zechenstandorte im Ruhrgebiet zu reaktivieren, werden | |
in NRW jeden Tag mehr als 10 Hektar unverbrauchte, unbelastete und damit | |
aber eben auch billige Natur zugebaut. | |
„Nichts als Wahlkampfblasen“ habe Laschet produziert, heißt es auch aus der | |
Antiatomkraftbewegung. Vom Versprechen, die maroden belgischen AKW Tihange | |
und Doel nicht mehr aus der [3][Urananreicherungsanlage im | |
nordrhein-westfälischen Gronau] beliefern zu lassen, sei „kein Wort mehr zu | |
hören“, kritisiert etwa Matthias Eickhoff von der Initiative Sofortiger | |
Atomausstieg. | |
Positiv äußert sich dagegen die Unternehmerseite. Die | |
„wirtschaftspolitische Grundstimmung im Land“ habe sich „deutlich | |
verbessert“, findet Luitwin Mallmann, Hauptgeschäftsführer des Verbands | |
Unternehmer NRW – und fordert eine weitere „Entbürokratisierung“. | |
Laschet selbst versprach prompt, zu liefern. NRW sollen bundesweit das Land | |
mit den schnellsten Genehmigungsverfahren werden, sagte er bei der | |
Vorstellung seiner eigenen Bilanz. Negativ fällt dagegen das Urteil der | |
Opposition aus: Nicht nur rund um die Brankohleförderung am Hambacher Wald | |
„spalte“ der Regierungschef, „statt zu versöhnen“, so die grüne | |
Landtagsfraktionschefin Monika Düker. Laschet mache „Politik für wenige, | |
nicht für die vielen“, sagt auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas | |
Kutschaty. | |
Das sehen offenbar auch immer mehr Wähler*innen so. Nach einer vom WDR in | |
Auftrag gegebenen Umfrage von Anfang November sind nur noch 44 Prozent der | |
Bürger*innen mit der Arbeit seines Kabinetts zufrieden. Zwar zeigt sich | |
seine CDU mit 32 Prozent relativ stabil – doch die FDP verliert ein Drittel | |
ihrer Unterstützer*innen und käme bei Wahlen nur noch auf 8 Prozent. Eine | |
Mehrheit hätte Laschet damit nicht mehr. | |
14 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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