# taz.de -- Angeblicher Hackerangriff in NRW: Die lange Nase des Ministers | |
> Nächster Dreh in der irren NRW-Affäre um Ex-Ministerin Schulze Föcking: | |
> Der Justizminister könnte das Parlament belogen haben, glauben SPD und | |
> Grüne. | |
Bild: Christina Schulze Föcking vor dem Untersuchungsausschuss des NRW-Landtag… | |
Düsseldorf taz | Im bizarren Skandal um den angeblichen Hackerangriff auf | |
Nordrhein-Westfalens Ex-CDU-Landwirtschaftsministerin Christina Schulze | |
Föcking steht deren Parteifreund, Landesjustizminister Peter Biesenbach, im | |
Verdacht, vor einem Untersuchungsausschuss des Landtags gelogen zu haben. | |
Zwar hat Biesenbach stets beteuert, keinerlei Einfluss auf die seinem | |
Ministerium unterstehende Staatsanwaltschaft und deren Ermittlungen zu dem | |
vermeintlichen Hackerangriff genommen zu haben. Einräumen musste er aber, | |
den leitenden Oberstaatsanwalt ausgerechnet in dem Moment angerufen zu | |
haben, als der am 29. März 2018 auf dem Weg zu Schulze Föcking war. | |
Der Staatsanwalt wollte der Nochministerin damals gerade persönlich | |
mitteilen, dass sich der angebliche Hackerangriff auf ihr privates | |
IT-Netzwerk – weswegen er ermittelte – als peinlich-banale Fehlbedienung | |
eines Tablets herausgestellt hat. Die Ermittlungen waren also hinfällig, | |
eine schwere Blamage für die Landesregierung drohte, hatte sie die | |
Ministerin doch öffentlichkeitswirksam als Hacking-Opfer in Szene gesetzt. | |
Versuchte der Justizminister den Staatsanwalt beim Telefonat deshalb dazu | |
zu bewegen, die Ermittlungen trotzdem fortzusetzen? | |
Massive Zweifel gibt es auch an der Aussage des Justizministers, er habe | |
niemals mit seiner Ex-Kabinettskollegin über die Ermittlungen gesprochen. | |
Aufgetauchte Verbindungsdaten von Biesenbachs Diensthandy zeigen vielmehr: | |
Nur eine Minute nach dem Telefonat mit dem Oberstaatsanwalt rief der | |
Minister bei Schulze Föcking an. | |
## Biesenbach will nichts durchgestochen haben | |
Über was sie gesprochen haben ist unbekannt, aber die zeitliche Nähe zum | |
Telefonat mit dem Staatsanwalt legt nahe, dass es um die peinlichen | |
Erkenntnisse zum vermeintlichen Hacker-Angriff ging. Biesenbach selbst | |
beteuert, sich an dieses Gespräch nicht erinnern zu können. Was der | |
Justizminister aber trotzdem ganz sicher zu wissen glaubt: Niemals habe er | |
Details der Staatsanwaltschaft an seine Parteifreundin durchgestochen. | |
Die Opposition im nordrhein-westfälischen Landtag hält das für völlig | |
lebensfremd. Biesenbach leide offenbar unter „Amnesie“ und | |
„Gedächtnisschwund“, kritisierte der grüne Abgeordnete Stefan Engstfeld am | |
Mittwoch in einer Aktuellen Stunde des Landtags. Völlig lächerlich sei auch | |
die von Vertrauten Biesenbachs verbreitete Erklärung, das Handy des | |
Ministers habe sich in dessen Hosentasche selbstständig gemacht und | |
ausgerechnet Schulze Föcking angerufen: „Wer's glaubt, wird selig“, meinte | |
Engstfeld. Die SPD-Abgeordnete Nadja Lüders erklärte, Biesenbach sei | |
„unglaubwürdig“, „nicht wahrhaftig“ und seines Amtes „unwürdig“. | |
Die neuen Enthüllungen sind nur der letzte Dreh einer bizarren Affäre, die | |
die [1][schwarz-gelbe Landesregierung von CDU-Ministerpräsident Armin | |
Laschet] schon oft in Erklärungsnot gebracht hat. Denn | |
Ex-Landwirtschaftsministerin Schulze Föcking hat sich über Wochen wider | |
besseres Wissen als Opfer militanter Tierschützer*innen inszeniert. | |
Auf ihrem internetfähigen Fernseher seien plötzlich Bilder einer | |
Landtagsdebatte zu sehen gewesen, in der sie üble Haltungsbedingungen im | |
Schweinemastbetrieb ihrer Familie rechtfertigen musste, klagte die | |
Christdemokratin Mitte März 2018 – und vermutete, dass Hacker | |
dahinterstecken würde. „Stern TV“ hatte zuvor Bilder vom Hof der | |
Landwirtschaftsministerin veröffentlicht, auf denen Schweine mit | |
entzündetem und abgestorbenem Gewebe zu sehen waren, die sich in | |
drangvoller Enge offenbar gegenseitig angefressen hatten. | |
## Die Eltern waren schuld an der „Fehlbedienung“ | |
Die Staatsanwaltschaft begann daraufhin zu ermitteln und die | |
Landesregierung startete prompt eine Entlastungskampagne für Schulze | |
Föcking. Regierungssprecher Christian Wiermer sprach von „offenkundig | |
kriminellen Eingriffen in die Privatsphäre der Ministerin“. Nicht nur das | |
gesamte Kabinett, auch die Landtagsfraktionen von CDU, FDP, SPD und Grünen | |
solidarisierten sich mit der heute 43-Jährigen. | |
Zwar wusste Schulze Föcking spätestens seit dem Gespräch mit dem leitenden | |
Oberstaatsanwalt am 29. März 2018, dass niemand ihr IT-Netzwerk gehackt | |
hatte – stattdessen hatten [2][ihre ebenfalls auf dem Hof lebenden Eltern | |
ein Tablet falsch bedient] und die Landtagsdebatte auf dem TV-Gerät der | |
Nochministerin gestartet. Auch Regierungschef Laschet hat eingeräumt, immer | |
„zeitnah“ informiert gewesen zu sein. Die solidarische Opposition erfuhr | |
wie die Öffentlichkeit aber über Wochen nichts: Erst am 7. Mai räumte | |
Schulze Föcking die „Fehlbedienung“ in ihrem „Mehrgenerationenhaus“ ei… | |
Entsprechend sauer reagierten Sozialdemokraten und Grüne: | |
Regierungssprecher Wiermer habe die „Geschichte aufgeblasen, um Mitleid und | |
Solidarität für eine schwer angeschlagene Ministerin zu organisieren“, | |
ärgerte sich SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty. Die grüne | |
Fraktionsvorsitzende Monika Düker kritisierte, die „Imagepflege eines | |
angeschlagenen Regierungsmitglieds“ sei „offenbar wichtiger als die | |
richtige Information der Öffentlichkeit“. Was folgte, war der Rücktritt | |
Schulze Föckings Mitte Mai 2018 – und ein Untersuchungsausschuss, der | |
mögliche Lügen der Laschet Regierung und des Ministerpräsidenten selbst | |
aufklären soll. | |
Noch heute laufe die Desinformationskampagne weiter, so die Opposition. Sie | |
will Justizminister Biesenbach ebenso wie Schulze Föcking deshalb noch im | |
Dezember ein weiteres Mal vor dem Untersuchungsausschuss aussagen lassen – | |
dieses Mal unter Eid. | |
28 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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