| # taz.de -- Pflege-Ausbildung in Bremen: Ein fauler Kompromiss | |
| > Die Finanzierung für die generalistische Pflege-Ausbildung in Bremen | |
| > steht. Die ausgehandelten Pauschalen sind allerdings viel zu niedrig. | |
| Bild: Schlecht finanziert: die generalistische Pflege-Ausbildung in Bremen | |
| BREMEN taz | Die gute Nachricht: Die Finanzierung der 2020 startenden | |
| generalistischen Pflegeausbildung in Bremen steht, Die schlechte Nachricht: | |
| Die Pauschalen für die schulische und praktische Ausbildung künftiger | |
| Pflegefachkräfte sind miserabel. | |
| Das war leider vorauszusehen. Arnold Knigge, Vorstandssprecher der | |
| Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände (LAG), | |
| [1][berichtete im Juli], dass die Pauschalen, die die Pflege- | |
| beziehungsweise Krankenkassen für die Ausbildung in Bremen zahlen wollten, | |
| bereits am Anfang der Verhandlungen weit unter denen der anderen | |
| Bundesländer gelegen hätten. Nun gibt es zwar eine Einigung – aber die | |
| Pauschalen liegen noch immer unter denen der anderen Länder. „Es ist ein | |
| Kompromiss“, sagt Knigge. „Wir hätten uns mehr gewünscht, aber so konnte | |
| ein Schiedsverfahren abgewendet werden, das im schlimmsten Falle Monate | |
| gedauert hätte.“ | |
| Die Verhandlungspartner – das waren die Gesundheits- und die | |
| Sozialsenatorin, die Landeskrankenhausgesellschaft, die Träger der | |
| ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen, die Landesverbände der | |
| Kranken- und Pflegekassen, der Verband der privaten Krankenkassen und die | |
| Vertreter der Pflegeschulen – haben sich konkret darauf verständigt, die | |
| praktischen Ausbildungsanteile mit 7.950 Euro pro Jahr und Auszubildendem | |
| zu finanzieren und die schulischen Anteile zwischen 7.740 und 8.790 Euro. | |
| Die jeweilige Höhe, erklärt Knigge, richte sich danach, wie hoch die | |
| Arbeitgeber-Kosten seien sowie nach Klassenstärke: Kommen auf eine | |
| Lehrkraft mehr als 15 Pflege-SchülerInnen, wird eine niedrigere Pauschale | |
| gezahlt. Die ausgehandelten Pauschalen erhöhen sich im Folgejahr auf 8.166 | |
| für die praktischen Ausbildungsanteile und bis zu 9.054 Euro für die | |
| schulischen. | |
| Auf den ersten Blick wird die schulische Ausbildung besser finanziert als | |
| im Bundesdurchschnitt. In Niedersachsen wird es pro PflegeschülerIn mit | |
| 8.650 Euro fast 150 Euro weniger geben als in Bremen – zumindest, wenn man | |
| vom Bremer Höchstsatz ausgeht. Allerdings plant das Nachbarland auch | |
| Klassengrößen von 20 Auszubildenden – Bremen will hingegen für eine bessere | |
| Qualität der Ausbildung eine Klassenstärke von nicht mehr als 15 Azubis. | |
| Das bedeutet: Mehr Kosten für Lehrpersonal und damit eine rasche | |
| Relativierung der vermeintlich ordentlichen Finanzierung der theoretischen | |
| Ausbildung. Zum Vergleich: 9.380 Euro beträgt in Rheinland-Pfalz das Budget | |
| für Schulen mit einem Lehrer-Schüler-Verhältnis von 1:17,5 bis 1:15. | |
| Die Pauschalen für die praktische Ausbildung sehen bereits auf den ersten | |
| Blick schlecht aus: Im Bundesdurchschnitt liegen sie bei rund 8.250 Euro, | |
| in Niedersachsen bei 8.430 Euro – die für die stationäre Altenpflege sogar | |
| noch auf 8.580 Euro und für die ambulante Pflege auf 8.800 Euro aufgestockt | |
| werden. | |
| Selbst die ab 2021 erhöhte Pauschale in Bremen liegt also noch fast hundert | |
| Euro unter dem Bundesschnitt. Für Christina Seltzer, Sprecherin der | |
| Gesundheitssenatorin, liegt Bremen damit allerdings im „Mittelfeld“: | |
| Schließlich gebe es ja „auch Länder, die mit ca. 7.500 Euro abgeschlossen | |
| haben.“ Da hat sie Recht: Sachsen zahlt den Ausbildungsbetrieben zwischen | |
| 7.550 und 8.100 Euro. | |
| Als „Kompromiss, um ein Schiedsverfahren zu vermeiden“ bezeichnet auch | |
| Angela Sallermann, Leiterin des Bildungszentrums des Altenhilfeträgers | |
| Bremer Heimstiftung die ausgehandelten Pauschalen. Für sie steht es außer | |
| Frage, dass es spätestens im Jahr 2021 Nachverhandlungen geben muss: „Wir | |
| werden mit der generalistischen Ausbildung ja eine völlig neue Situation | |
| erfahren und wenn wir nach einem Jahr harte Zahlen, Daten und Fakten haben, | |
| können wir die vorlegen.“ | |
| Mit der Pauschale für den praktischen Teil der Ausbildung, erklärt | |
| Sallermann, müsse die Freistellung von PraxisanleiterInnen finanziert | |
| werden. Personell sei das nur sehr schwer zu leisten, weil viele Stellen im | |
| Bereich der Altenpflege gar nicht erst besetzt seien. | |
| Eine finanzielle Anerkennung für die PraxisanleiterInnen sei zwar | |
| vorgesehen, „aber die wird angesichts der niedrigen Pauschale natürlich | |
| nicht üppig ausfallen“, sagt Sallermann. Außerdem kämen Azubis, die bereits | |
| in diesem Jahr ihre Ausbildung begonnen haben, nicht in den Genuss der | |
| freigestellten AnleiterInnen: „Das halten wir für ein großes Problem.“ | |
| ## Lehrermangel an Pflegeschulen | |
| Personalmangel herrscht auch an den Pflegeschulen: „Wir haben große Not, | |
| Lehrpersonal zu bekommen. Sie werden sogar von allgemeinbildenden Schulen | |
| abgeworben – die zahlen besser.“ Das Arbeitsumfeld in den Pflegeschulen | |
| müsse viel attraktiver werden. „Es ist gut, dass die senatorischen Behörden | |
| es wichtig finden, kleine Klassenverbände zu haben – aber was nützt das, | |
| wenn das benötigte Personal nicht finanziert wird?“ | |
| Natürlich, sagt Sallermann, hätten die geringen Pauschalen etwas mit dem | |
| Haushaltsnotlageland Bremen zu tun. „Und man darf auch nicht vergessen, | |
| dass der Ausbildungsfonds zur Finanzierung der neuen Ausbildung von jedem | |
| einzelnen Heim-Bewohner oder seinen Angehörigen – oder eben dem Sozialamt | |
| mitgetragen wird.“ | |
| Für die Planungssicherheit sei es gut, dass die Finanzierung nun erst | |
| einmal stehe, sagt Sallermann, aber: „Eigentlich müsste Bremen den | |
| Pflegenotstand ausrufen.“ | |
| 13 Sep 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Simone Schnase | |
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