# taz.de -- Umsetzung des Pflegeberufegesetzes: Halbherzige Neuerung | |
> In Bremen hat sich der „Weser-Bildungsverbund Gesundheit und Pflege“ | |
> gegründet, um die beschlossene Reform der Pflege-Ausbildung | |
> vorzubereiten. | |
Bild: Wer andere pflegt, soll in Zukunft breiter und akademischer ausgebildet w… | |
BREMEN taz | Ab dem 1. Januar 2020 gilt das neue „Pflegeberufegesetz“. Es | |
wird bundesweit das Alten- und Krankenpflegegesetz ablösen. Damit einher | |
geht die Zusammenführung der bisher unterschiedlich geregelten | |
Pflege-Ausbildungen zu einer generalistischen Ausbildung. Die bedeutet eine | |
erhebliche Umstellung des bisherigen Systems – auch in Bremen. Mit Blick | |
darauf hat sich deswegen kurz vor Weihnachten der Verein | |
„Weser-Bildungsverbund Gesundheit und Pflege“ gegründet. | |
Ab 2020 lernen sämtliche Pflege-Azubis zwei Jahre lang gemeinsam und legen | |
währenddessen einen Schwerpunkt für die praktische Ausbildung fest. Wird | |
diese generalistische Ausbildung im dritten Ausbildungsjahr weitergeführt, | |
endet sie mit dem Berufsabschluss „Pflegefachfrau/Pflegefachmann“. Wer die | |
Ausbildung in den Bereichen Alten- oder Kinderkrankenpflege vertiefen | |
möchte, kann stattdessen einen speziellen Abschluss in der Alten- oder | |
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erwerben. | |
„Die neue Ausbildung bringt so viele Änderungen mit sich wie damals die | |
Einführung der Pflegeversicherung“, sagt Alexander Künzel, Seniorvorstand | |
der Bremer Heimstiftung. „Wir benötigen ein neues Curriculum, neue Dienste | |
und vor allem eine Kooperation mit allen Trägern und Institutionen im | |
Pflegebereich – das hat uns dazu bewogen, einen Verbund zu gründen.“ | |
Zusammengefunden haben sich neben der Heimstiftung die Stiftungen | |
Friedehorst und Egestorff, die Roland-Klinik, die Freie Christengemeinde, | |
die Paritätischen Pflegedienste Bremen, der ASB Ambulante Pflege und | |
Wohnen, das Erwin-Stauss-Institut, die Mobile Reha Bremen und die Zentrale | |
für Private Fürsorge – „ein erfreulich breites Bündnis“, sagt Künzel. | |
Ein weiteres Mitglied des neuen „Weser-Bildungsverbundes Gesundheit und | |
Pflege“ ist die Hochschule, denn ein weiterer Bestandteil des | |
„Pflegeberufegesetzes“ ist die Einführung eines Pflegestudiums, das ab | |
kommendem Jahr auch an der Hochschule Bremen angeboten wird. | |
Für Hochschul-Rektorin Karin Luckey bedeutet die Kooperation zwischen | |
Hochschule, Institutionen, Fachschulen und Trägern „eine Durchlässigkeit | |
zwischen den verschiedenen Bildungssystemen und ein gemeinsames, | |
attraktives Standortkonzept“. Eine Verzahnung zwischen Ausbildung und | |
Studium helfe Pflegefachleuten, die sich berufsbegleitend für ein Studium | |
entschieden. Und die gemeinsame Nutzung von Ausbildungsräumen, so Luckey, | |
biete von vornherein einen niedrigschwelligen Zugang zur akademischen | |
Weiterbildung. | |
„Die Heimstiftung hat drei Schulstandorte und wir werden im Bedarfsfall | |
keine weiteren Räumlichkeiten bauen, sondern die Hochschule als hoffentlich | |
zukünftigen Gesundheitscampus nutzen“, sagte Künzel. „Das ist viel | |
wichtiger als ein Medizinstudiengang.“ | |
Die Zeit bis zur Umstellung sei „sehr knapp bemessen, aber ich bin | |
heilfroh, dass es zu dieser Änderung kommt“, sagt Künzel, der überzeugt | |
davon ist, dass der Pflegeberuf durch die neue Ausbildung attraktiver wird: | |
„Der generalistische Abschluss wird europaweit anerkannt, es gibt hier | |
keine unterschiedlichen Standards mehr zwischen den einzelnen Pflegeberufen | |
und vor allem die Altenpflege-Ausbildung wird aufgewertet.“ Das mache sich | |
auch in der Ausbildungsvergütung bemerkbar: 1.000 Euro werden bereits im | |
ersten Ausbildungsjahr gezahlt. | |
Künzel rät allerdings von einer Spezialisierung im Bereich Altenpflege ab: | |
„Wir werden allen Auszubildenden raten, sich für die Generalistik zu | |
entscheiden, denn der Altenpflege-Abschluss ist nicht EU-weit anerkannt.“ | |
Hinzu kommt, dass Pflegefachleute gute Berufschancen in der Altenpflege | |
haben – AltenpflegerInnen umgekehrt aber kaum Chancen in der Krankenpflege. | |
Dass es diese Spezialisierung künftig dennoch geben wird, ist ein | |
Kompromiss, denn das 2016 vom damaligen Gesundheitsminister Hermann Gröhe | |
(CDU) und der damaligen Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) | |
eingebrachte Gesetz sah eigentlich eine komplett generalisierte Ausbildung | |
vor – die aber vor allem beim Bundesverband privater Anbieter sozialer | |
Dienste (BPA) auf massive Kritik gestoßen war. | |
„Ein Desaster“ nennt das Kerstin Bringmann von der Gewerkschaft Ver.di. | |
„Ich finde es unfassbar, dass sich die privaten Anbieter von Altenpflege | |
hier politisch durchsetzen konnten.“ Für sie ist klar, was dahinter steckt: | |
„Jemanden, der schlechter ausgebildet ist, den kann man auch schlechter | |
entlohnen.“ Bringmann ist sich mit Künzel einig: Nur der generalistische | |
Abschluss trägt wirklich zu einer Aufwertung des Berufs bei. | |
Zu diesem Ergebnis ist auch eine Untersuchung gekommen, die das Institut | |
Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Uni Bremen im Auftrag der | |
Arbeitnehmerkammer vorgenommen hat und deren Ergebnisse im Januar | |
veröffentlicht werden. Durch die Option der Spezialisierung werde weiterhin | |
eine „Vorsortierung“ vorgenommen, die nichts mit Generalistik zu tun habe, | |
sagt Ulf Benedix vom IAW. „Daneben wird es auch in Zukunft einen Wildwuchs | |
unterschiedlichster Assistenz- und Helferberufe geben, für die es genauso | |
wenig eine klare Regelung gibt wie für die Akademisierung des | |
Pflegeberufs.“ Aus den Befragungen von Behörden, Verbänden, Gewerkschaften | |
und Pflegeschulen sei hervorgegangen, „dass die neue Regelung der | |
Ausbildung für die Attraktivitätsteigerung des Pflegeberufs nichts bringt“. | |
Vielmehr müssten der Organisationsgrad der Pflegenden gestärkt und die | |
Strukturen in der Pflege verbessert werden. | |
„Wenn die Altenpflege weiterhin derart schlechte Arbeitsbedingungen bietet, | |
werden wir keine Fachkräfte hinzugewinnen“, sagt auch Kerstin Bringmann. | |
Sie hofft, dass sich möglichst viele Azubis für den generalistischen Weg | |
entscheiden werden, denn: „Ohne Personal wird auch der BPA keine | |
Pflegeheime betreiben können. Ich hoffe, dass die Generalistik dazu | |
beiträgt, den Auszubildenden ein gesundes Selbstbewusstsein zu vermitteln.“ | |
Dazu gehöre auch die Interessenvertretung der Auszubildenden durch | |
Betriebsräte, Mitarbeitervertretungen und Jugendausbildungsvertretungen. | |
Nach sechs Jahren, also 2026, soll evaluiert werden, ob sich das neue | |
Pflege-Ausbildungssystem bewährt hat oder ob es nachgebessert werden muss. | |
2 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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