| # taz.de -- CDU-Politiker über Kenia in Sachsen: „Nazis waren noch nie bürg… | |
| > Was passiert jetzt in Sachsen? Der CDU-Politiker Marco Wanderwitz kann | |
| > sich ein Bündnis mit den Grünen vorstellen – aber keinesfalls eins mit | |
| > der AfD. | |
| Bild: Marco Wanderwitz: „Wir werden sehr seriös versuchen, diese Koaliton zu… | |
| taz: Herr Wanderwitz, wird die CDU in Sachsen jetzt öko? | |
| Marco Wanderwitz: Es kann sein, dass der Freistaat Sachsen als Ganzes dem | |
| Thema noch mehr Gewicht beimisst, wenn die Grünen jetzt Teil der Regierung | |
| werden. | |
| Sie formulieren im Indikativ. Sie rechnen damit, dass Schwarz-Grün-Rot in | |
| Sachsen kommt? | |
| Wir werden sehr seriös versuchen, diese Koaliton zu schmieden. Das wird | |
| nicht einfach, weil es auf beiden Seiten Vorbehalte und rote Linien gibt. | |
| Aber ich bin optimistisch. Wir kriegen das Ding schon zum fliegen. | |
| Wird das eine Notkoalition oder ein gemeinsames Projekt? | |
| Das ist in der Tat die Frage. Es geht ja nicht nur ums Klein-Klein der | |
| Tagespolitik. Für uns ist eine dieser großen Linien der Strukturwandel in | |
| der Lausitz und dem mitteldeutschen Kohlerevier. Es geht um die Zukunft der | |
| Bildung. Und es geht um die ländlichen Räume und die Großstädte, wo es | |
| jeweils Herausforderungen gibt. | |
| Der Kompromiss der Kohlekommission sieht einen Ausstieg aus der Kohle bis | |
| 2038 vor. Denken Sie, dass Sachsen auf Landesebene einen schnelleren | |
| Ausstieg hinbekommt? | |
| Wir sind ein Kohleland und ich weiß noch nicht, wie das gelingen soll. An | |
| erster Stelle steht der Strukturwandel, der gern auch ein grüner Wandel | |
| sein soll. Ein Riesenkraftakt. Wenn der gut gelingt, kann man darüber | |
| reden, ob man schneller aussteigen kann. Nur so rum kann gedacht werden. | |
| Aber wenn der Strukturwandel erfolgreich ist, kann der Ausstieg schneller | |
| gehen? | |
| Ich könnte mir das vorstellen. Die Grünen möchten möglichst schnell raus | |
| aus dem fossilen Energieträger Braunkohle. Wir sorgen dafür, dass wir ihn | |
| mit erneuerbaren und alternativen Energien schnellstmöglich ersetzen | |
| können. Für uns als sächsische CDU ist mindestens gleichwertig, was an den | |
| Stellen passiert, wo wir den Stecker ziehen und tausende von Menschen ihre | |
| Arbeit in der Braunkohle haben. Diese Menschen, die Regionen brauchen | |
| Zukunft. Das sind unterschiedliche Herangehensweisen, aber man kann sie | |
| zusammenbringen. | |
| Die Grünen und die SPD möchten, dass Kinder und Jugendliche länger | |
| gemeinsam lernen: in einer Gemeinschaftsschule, die es bisher in Sachsen | |
| nicht gibt. Machen Sie mit? | |
| Wir sollten uns einfach hinsetzen und sprechen. Ich kann mir vorstellen, | |
| dass man da mehr zulässt. Nur sind auch die Bedingungen in Sachsen ganz | |
| verschieden. In Leipzig platzen die Schulen aus allen Nähten und wir müssen | |
| neue Schule bauen. Im ländlichen Raum haben wir unter schweren Schmerzen | |
| Schulen aller Typen geschlossen und ein mühselig austariertes System, wo | |
| wir nicht alles wieder auf den Kopf stellen sollten. Und das gegliederte | |
| Schulsystem mit Durchlässigkeit ist auch grundhaft überlegen. | |
| Warum lassen Sie nicht Lehrer und Eltern vor Ort entscheiden? | |
| Wir wollen im Grundsatz das gegliederte Schulsystem erhalten. Aber wir | |
| können sicher Lösungen finden, dass es für die Schulträger, also die | |
| Kommunen und Kreise, Spielräume gibt in Abstimmung mit Eltern, Schülern und | |
| Lehrern. | |
| Gegen das scharfe sächsische Polizeigesetz sind Grüne und Linke vor das | |
| Verfassungsgericht gezogen. Erleichtert das die Verhandlungen, weil die | |
| Koalitionäre einfach auf das Urteil warten können? | |
| Das Gesetz ist richtig. Zunächst mal sehe ich einen großen Konsens, dass | |
| wir mehr Polizisten brauchen. Wir wollen Stellen aufbauen, die Polizei | |
| verjüngen und besser ausstatten. | |
| Die Grünen schlagen eine unabhängige Polizeikommission vor, an die die | |
| Bürger Beschwerden richten können. Könnten Sie sich das vorstellen? Zum | |
| Beispiel eine Kommission beim Landtag? | |
| Ich kann mir schwer vorstellen, dass die direkte Kontrolle über den | |
| einzelnen Beamten in den parlamentarischen Raum verlagert wird. Aber | |
| vielleicht gibt es auch da einen vernünftigen Kompromiss. | |
| Warum sind in Sachsen Polizisten nicht gekennzeichnet? | |
| Das ist für uns im Grunde nicht verhandelbar. Zweifellos gibt es immer | |
| wieder Vorfälle. Aber Polizeibeamte sind auch Menschen mit einer Familie. | |
| Wer Kriminellen und Extremisten gegenüber an der Front steht, darf doch | |
| nicht mit Namen und Wohnanschrift ausgerufen werden. | |
| Sie übertreiben. In vielen Bundesländern tragen Polizisten einfach eine | |
| Nummer auf der Uniform. | |
| Das ist schon ein weniger invasiver Weg, aber auch nicht frei von | |
| Missbräuchen. Die Kennzeichnung von Polizisten sehe ich ingesamt äußerst | |
| kritisch. | |
| Das originäre Ministerium für die Grünen ist das Umweltressort. In Sachsen | |
| sind die Ressorts Landwirtschaft und Umwelt in einem Ministerium. Passt das | |
| für Sie? | |
| Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir das Ministerium für Umwelt und | |
| Landwirtschaft, so wie es ist, in grüne Verantwortung geben können. | |
| Weil Sie sich weiter vor die konventionellen Großbetriebe stellen möchten, | |
| die aus den ehemaligen LPGs hervorgegangen sind? | |
| Wir haben große Agrargenossenschaften, aber auch viele Wiedereinrichter, | |
| wir haben konventionelle und ökologische Bauernhöfe der unterschiedlichsten | |
| Art. In dieser komplizierten Gemengelage sollte die CDU ausgleichend | |
| wirken. | |
| Im Klartext: Die Massentierhalter können sich auf die CDU verlassen. | |
| Die Agrargenossenschaften sind besser als ihr Ruf. Für eine sächsische Kuh | |
| lebt sich's in einem ordentlichen großen Stall mit viel Licht und Luft | |
| besser als als bayerische Bergkuh in Anbindehaltung. | |
| Ministerpräsident Michael Kretschmer hat die Grünen im Wahlkampf mit der | |
| AfD gleichgestellt: beide arbeiteten mit „politischer Hysterie“. Fragen | |
| jetzt nicht manche Ihrer Parteifreunde: Zuerst stellt Kretschmer Grüne und | |
| AfD gleich – und jetzt wird nur mit den Grünen verhandelt? | |
| Wir haben am Montag im Landesvorstand und vor den Kreisvorsitzenden nochmal | |
| glasklar gesagt, dass wir irgendeine Zusammenarbeit mit der AfD | |
| ausschließen. Desweiteren hat Michael Kretschmer gesagt, dass er eine | |
| stabile Regierung anstrebt. Das ist eine Koalition und keine irgendwie | |
| geartete Minderheitsregierung. | |
| Und die Grünen? Hysterisch? | |
| Es gibt schon den einen oder die andere bei den Grünen, die ein bisschen | |
| viel Schaum vorm Mund haben. Aber wir setzen sie keinesfalls mit der AfD | |
| gleich, Michael Kretschmer tut das nicht und ich auch nicht. Die Grünen | |
| sind selbstverständlich eine unzweifelhaft demokratische Partei, die AfD | |
| ist es eben nicht. | |
| Sind Matthias Rößler, der Landtagspräsident von der CDU oder Christian | |
| Hartmann, der Landtagsfraktionschef so aufgeschlossen gegenüber den Grünen | |
| wie Sie? | |
| Christian Hartmann steigt gemeinsam mit Michael Kretschmer in die | |
| Vorgespräche mit den Grünen ein. Wir haben am Montag einstimmig | |
| beschlossen, dass wir Gespräche aufnehmen, um sie zu einem guten Ende zu | |
| führen. Das ist ausdrücklich auch das Ziel von Christian Hartmann. Auch | |
| Matthias Rößler saß mit am Tisch. | |
| Was hat er gesagt? | |
| Er saß mit am Tisch. | |
| AfD-Chef Alexander Gauland umwirbt die CDU und spricht von einer | |
| bürgerlichen Mehrheit. | |
| Am Wahlabend hat mich ja unglücklicherweise schon eine MDR-Moderatorin nach | |
| einer vermeintlich bürgerlichen Koalition gefragt. Und ich musste natürlich | |
| klarstellen, dass die [1][AfD keine bürgerliche Partei ist]. Die AfD ist in | |
| ihrer Mitgliederschaft durchsetzt von Rechtsextremisten, von Gegnern der | |
| Demokratie und völkischem Gedankengut. Der sogenannte „Flügel“ ist in | |
| Ostdeutschland der dominante Teil der Partei. Nazis waren noch nie | |
| bürgerlich. Die Mitte liegt links der AfD. | |
| Wie ist das mit CDU und AfD auf lokaler Ebene? Bei Ihnen in Zwickau wurde | |
| ein Vertreter der AfD in den Verwaltungsrat der Sparkasse gewählt. | |
| Da hab ich mich als Kreisvorsitzender in der Stadtratsfraktion in Zwickau | |
| schon angemeldet. Das ist ein Fall, der nicht passieren sollte. Wann immer | |
| es eine unzweifelhaft demokratische Alternative gibt, können die | |
| CDU-Stimmen nicht bei der AfD sein. Teilweise passieren solche Unfälle, | |
| weil man ein bisschen ums Eck denken muss und auch hier und da eine | |
| Absprache treffen muss, nur nicht mit der AfD, sondern mit anderen. | |
| Sehen das alle so? | |
| Bei der Konstituierung der Kreistagsfraktion in Zwickau habe ich deutlich | |
| gesagt, dass und warum wir mit diesen Leuten nichts machen. Und erhielt | |
| allgemeinen Zuspruch. Ich weiß aber aus ostsächischen Kreisverbänden, dass | |
| es sehr wohl solche Diskussionen gibt. Da muss man dagegen halten: Nicht | |
| mit der AfD. | |
| Nehmen wir mal an, es kommt die schwarz-grün-rote Regierung. Sollen sich | |
| die Grünen Augen und Ohren zuhalten, wenn zum Beispiel Michael Kretschmer | |
| wieder behauptet, es habe keinen Mob gegeben, wenn gerade Neonazis grölend | |
| durch eine Stadt gelaufen sind. Oder wenn er ein ZDF-Team als unseriös | |
| betrachtet, das von der Arbeit abgehalten worden ist. | |
| Auch wir werden nachsichtig sein müssen mit den Grünen. Ich will ja nichts | |
| beschönigen. Wir sind natürlich momentan maximal auseinander. Wir haben 30 | |
| Jahre auf verschiedenen Seiten gestanden und noch nie groß was zusammen | |
| gemacht. Aber das wird schon. Koalitionspartner können gemeinsam und | |
| aneinander wachsen. | |
| 4 Sep 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Erfolge-der-AfD-im-Osten/!5619766 | |
| ## AUTOREN | |
| Georg Löwisch | |
| ## TAGS | |
| Kenia-Koalition | |
| AfD Sachsen | |
| CDU | |
| Bündnis 90/Die Grünen | |
| Wahlen in Ostdeutschland 2024 | |
| Osten | |
| Schwerpunkt Landtagswahlen | |
| Schwerpunkt Landtagswahlen | |
| Bündnis 90/Die Grünen | |
| Schwerpunkt Landtagswahlen | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Schwerpunkt Landtagswahlen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Nachfolger für Christian Hirte: Der Neue für den Osten | |
| Nach der Regierungskrise in Thüringen musste Ost-Beauftragter Christian | |
| Hirte (CDU) zurücktreten. Sein Parteikollege Marco Wanderwitz übernimmt nun | |
| das Amt. | |
| Sondierungsgespräche in Sachsen: Noch ein instabiles Dreieck | |
| In Sachsen haben die Regierungsgespräche für eine CDU-Grünen-SPD-Koalition | |
| begonnen. Die Stimmung ist gut. Konfliktthemen gibt es aber reichlich. | |
| Wahlforscher zu Ostwahlen: „Grüne sind der Antipode zur AfD“ | |
| Endet der Grünen-Höhenflug bald? Nein, glaubt der Wahlforscher Matthias | |
| Jung. Die Ökopartei werde als modern und bürgerlich wahrgenommen. | |
| Die Grünen für mehr Repräsentanz: Weg vom weißen Privileg | |
| Die Grünen wollen neue Wähler*innen gewinnen – und zwar diejenigen, für die | |
| sie eintreten. Die sind aber kaum in der Partei vertreten. | |
| Linken-Parteichef über die Wahlschlappe: „Eine schwierige Phase“ | |
| Wie kam es zu dem Misserfolg im Osten für die Linke? Bernd Riexinger will | |
| neue WählerInnen suchen und setzt trotz allem auf die Wahl in Thüringen. | |
| Der Wahlerfolg der AfD: Überzeugungswähler | |
| Die AfD ist keine bloße Protestpartei mehr, sondern hat mit ihren | |
| rechtsradikalen Inhalten viele hinter sich. Das sollte vor allem die CDU | |
| begreifen. | |
| Regierungsbildung nach Wahl in Sachsen: 7,7-Prozent-Mann stellt Bedingungen | |
| In Sachsen sind SPD, CDU und Grüne für ein Bündnis aufgeschlossen – alles | |
| andere ist nach der Wahl unrealistisch. Die AfD bietet sich der CDU an. |