Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Dieselfahrverbot für München ignoriert: Beugehaft für Markus Sö…
> Die Umwelthilfe hat beim EuGH beantragt, Bayerns Ministerpräsident in
> Zwangshaft zu nehmen, weil er Gerichtsurteile missachtet.
Bild: Schert sich nicht um Fahrverbote: Bayerns Regierungschef Markus Söder (C…
Luxemburg taz | Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will Markus Söder in
Zwangshaft bringen – weil der Ministerpräsident von Bayern Gerichtsurteile
zur Luftreinhaltung nicht umsetzt. Was für manche wie eine alberne
PR-Nummer des Umweltverbandes wirkt, ist doch Gegenstand einer ernsten
juristischen Diskussion: An diesem Dienstag verhandelt der Europäische
Gerichtshof (EuGH) über diese Frage.
Seit 2012 wird in Bayern darüber gestritten, ob in München Fahrverbote
vorbereitet werden müssen. Bayerische Verwaltungsgerichte haben das
angeordnet. Die CSU-geführte Landesregierung weigert sich. „Eines ist ganz
klar: Bayern ist Autoland, und daher sind wir gegen Fahrverbote“, sagte
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Juni 2018.
Zwangsgelder blieben erfolglos. Kein Wunder, denn die Höhe ist gesetzlich
auf 10.000 Euro begrenzt. Das ist in Landeshaushalten von rund 50
Milliarden Euro völlig irrelevant. Außerdem zahlt das Land das Zwangsgeld
an die Staatskasse, also an sich selbst.
## Zwangsgelder wären nur symbolisch
Solche Zwangsgelder sind offensichtlich nur symbolisch. Der Gesetzgeber
ging einst davon aus, dass sich der Staat selbstverständlich an seine
eigenen Gerichtsurteile hält. Was ist aber, wenn sich eine Regierung
renitent zeigt, weil sie sich davon politische Vorteile erhofft?
Die DUH hat als Klägerin deshalb beantragt, Regierungschef Söder und/oder
Regierungsbeamte in Zwangshaft zu nehmen. Das wäre keine Strafe für
Fehlverhalten, sondern ein Beugemittel, um die Umsetzung der
Gerichtsurteile zu erreichen. Sobald die Regierung ihre Weigerung aufgibt,
könnte die Haft beendet werden. In Baden-Württemberg hat die DUH Anfang
August einen ähnlichen Antrag gegen Ministerpräsident Kretschmann (Grüne)
gestellt.
In der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist Zwangshaft zwar nicht
vorgesehen, aber die VwGO verweist bei Lücken auf die Zivilprozessordnung
(ZPO), die die Zwangshaft für die Durchsetzung von Gerichtsurteilen kennt.
Auf dieser Grundlage wären bis zu sechs Monaten Zwangshaft möglich.
## Verfassungsrechtliche Probleme
Bisher ist die Zwangshaft für Regierungsmitglieder und Beamte in
Deutschland nicht üblich. Es würde „die Wahrnehmung der öffentlichen
Aufgaben der Behörde beeinträchtigen“, erklärte 1995 der
Verwaltungsgerichtshof Mannheim. Wer im Gefängnis sitzt, fehlt eben am
Arbeitsplatz.
Der VGH München sah im November 2018 sogar verfassungsrechtliche Probleme.
Der Gesetzgeber habe beim Verweis auf die ZPO nicht vor Augen gehabt, dass
er hiermit Freiheitsentzug für Regierungsmitglieder ermögliche. Ob es diese
Probleme wirklich gibt, ist umstritten. Immerhin hat das
Bundesverfassungsgericht 1999 den Rückgriff auf zivilprozessuale Mittel
ausdrücklich für „geboten“ erachtet, um renitente Behörden „zu rechtm�…
Handeln anzuhalten.“
Doch weil der VGH München sich nach deutschem Recht an der Verhängung von
Zwangshaft gehindert sieht, hat er eine neue Baustelle aufgemacht. Er legte
den Fall dem EuGH vor und fragte: Könnte sich eine entsprechende Befugnis
oder gar Verpflichtung aus EU-Recht ergeben?
## Gerichtshof soll sich äußern
Die DUH wäre auch mit einer EU-rechtlichen Begründung für die Zwangshaft
einverstanden. So verweist DUH-Anwalt Remo Klinger auf ein EuGH-Urteil von
2017. Danach muss das nationale Prozessrecht so ausgelegt werden, dass es
dem EU-Umweltrecht zur praktischen Wirksamkeit verhilft. Wo das nicht
möglich ist, müsse das entgegenstehende nationale Recht ignoriert werden.
Vermutlich wird der EuGH dies nun abstrakt bestätigen. Aber wird er sich
auch explizit zur Zwangshaft gegen Regierungsmitglieder äußern? Oder wird
er dies wieder dem VGH München überlassen?
Das EuGH-Urteil wird in einigen Monaten verkündet.
1 Sep 2019
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Dieselfahrverbot
Markus Söder
Deutsche Umwelthilfe
Markus Söder
EuGH
Umweltschutz
Schwerpunkt Klimawandel
Verkehr
DUH
## ARTIKEL ZUM THEMA
Söder und Dieselfahrverbot: Am Ende droht Zwangshaft
Der EuGH hält Beugehaft gegen bayerische Amtsträger für geboten. Aber nur,
wenn sie weiter die Luft vernachlässigen und mildere Mittel nichts nutzen.
Plädoyer vor Europäischem Gerichtshof: Söder doch nicht in den Knast
Muss der bayerische Ministerpräsident in Haft, weil er Urteile zur
Luftreinhaltung missachtet? Der EuGH-Generalanwalt meint: Nein.
Regierungsberater über Klimaschutz: „Wenn, dann richtig“
Der Regierungsberater Christian Calliess warnt vor Klima-Symbolpolitik. Er
plädiert für ein Klimagesetz und scharfe Kontrollen durch Gerichte.
Billigflüge innerhalb Europas: CSU fordert Strafsteuer
Die CSU-Landesgruppe will Billigflügen mit einer „Kampfpreis-Steuer“
begegnen. Bayerns Ministerpräsident Söder hat noch einen weiteren
Vorschlag.
Experte zu Dieselfahrverbot auf der A40: „Die Bundesregierung tut nichts“
Erstmals hat ein Gericht ein Fahrverbot für Diesel auf einer Autobahn
verordnet. Wird die Luft nun besser? Vielleicht ein bisschen, sagt Michael
Müller-Görnert.
Maßnahmen gegen Stickoxidbelastung: Dieselfahrverbote in Frankfurt
Die Umwelthilfe gewinnt beim Verwaltungsgericht Wiesbaden. Zwangsgelder für
die Landesregierung in NRW wird es zunächst nicht geben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.