# taz.de -- Räumung der Asse: Finanzielles Fiasko | |
> Laut Bundesrechnungshof könnten die Kosten für die Bergung von Atommüll | |
> aus dem maroden Bergwerk bis 2033 auf fünf Milliarden Euro steigen. | |
Bild: Rechnung gesehen, aus den Latschen gekippt: In der Asse wird neben Atomm�… | |
GÖTTINGEN taz | Mehr als 126.000 Fässer mit Atommüll und teils hochgiftigen | |
Chemieabfällen, zwischen den Jahren 1967 und 1978 eingelagert oder einfach | |
abgekippt, gammeln seit Jahrzehnten im ehemaligen Salzbergwerk Asse II vor | |
sich hin. Weil die Grube instabil ist und voll Wasser zu laufen droht, | |
sollen die teils wohl schon von Salz und Rost zerfressenen Fässer nach | |
Möglichkeit an die Oberfläche geholt werden. Die Räumung eines | |
unterirdischen Atomendlagers wäre ein weltweit einmaliges Unterfangen. | |
Obwohl die Rückholung noch gar nicht begonnen hat, sind schon jetzt 1,5 | |
Milliarden Euro in das Vorhaben geflossen. Und es könnte insgesamt viel | |
teurer werden als bislang kalkuliert, warnt der Bundesrechnungshof in einem | |
jetzt bekannt gewordenen Bericht. | |
Die Finanzprüfer sehen „das erhebliche Risiko, dass die Gesamtausgaben für | |
das Projekt die letztmals im Jahr 2011 geschätzten zwei Milliarden Euro | |
erheblich übersteigen“. So gehe die Bundesgesellschaft für Endlagerung | |
(BGE) als Betreiberin des maroden Bergwerks von weiteren Ausgaben in Höhe | |
von rund 3,35 Milliarden Euro von 2019 bis 2033 aus. Erst dann soll nach | |
gegenwärtiger Planung die eigentliche Bergung der Abfälle beginnen. | |
Die bisher freigegebenen Gelder haben das Bundesumweltministerium – | |
gewissermaßen Dienstherr der BGE – zu 92 Prozent für die Offenhaltung des | |
Bergwerks sowie für Notfallmaßnahmen verwendet, schreiben die | |
Rechnungsprüfer weiter. Die Planungskosten für die Rückholung stagnierten | |
dagegen seit 2013 bei acht Prozent auf niedrigem Niveau – 2013 war die | |
Räumung der Asse beschlossen worden. | |
Im Bericht monieren die Prüfer auch eine mangelhafte Kostenkontrolle durch | |
das früher für die Asse verantwortliche Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), | |
das vor der BGE für das Atommülllager zuständig war. Die Prüfer verlangen, | |
dass das Bundesumweltministerium die Fachaufsicht über die Kosten der | |
Rückholung übernimmt. Außerdem soll die BGE dem Bundestag jährlich einen | |
Bericht vorlegen. | |
Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums erklärte auf Anfrage, die Kosten | |
für die Asse seien „eine unausweichliche Konsequenz der falschen und ohne | |
Folgenabschätzung getroffenen Entscheidung zur Nutzung der Atomenergie in | |
Deutschland“. Ministerium und BfS hätten stets deutlich gemacht, dass eine | |
belastbare Abschätzung der Gesamtkosten wegen der Einmaligkeit des | |
Bergungsprojekts nicht möglich sei. „Sicherheit muss stets absoluten | |
Vorrang haben“, betonte der Sprecher. Gleichzeitig müsse das Vorhaben | |
kosteneffizient durchgeführt werden, finanzielle Erwägungen dürften aber | |
keine notwendigen Maßnahmen zur sicheren Rückholung der Abfälle verhindern. | |
Den Vorwurf eines unzureichenden Finanz-Controllings wies der Sprecher | |
zurück. Das BfS habe 2009 nach dem Übergang der Verantwortung für die Asse | |
in den Geschäftsbereich des Umweltministeriums eine Termin- und | |
Kostenkontrolle für das Projekt eingerichtet: „Entgegen der Sichtweise des | |
Bundesrechnungshofs wurden damit Projekt und Finanzcontrolling | |
wahrgenommen.“ Auch die inzwischen zuständige BGE habe umfassende | |
Regelungen zum Projektcontrolling getroffen. | |
Der Asse II-Koordinationskreis unabhängiger Bürgerinitiativen hält die | |
Kritik des Rechnungshofes am Umweltministerium und dem BfS hingegen für | |
„voll berechtigt“. Weniger als ein Zehntel der Asse-Kosten für | |
Rückholungsplanungen aufzuwenden, erscheine „als Armutszeugnis“ dafür, wie | |
das in den untersuchten Jahren 2010 – 2016 zuständige BfS mit dem Auftrag | |
zur Rückholung des Atommülls umgegangen sei. | |
Schon seit Jahren kritisiere der Koordinationskreis, dass nicht an | |
Maßnahmen gearbeitet werde, die für eine Rückholung erforderlich seien, | |
sagt Sprecher Andreas Riekeberg: Der Bau eines weiteren Schachtes, die | |
Entwicklung von ferngesteuerter Bergetechnik und die Erstellung eines | |
detaillierten Masterplans. Auch die Arbeiten zur Notfall- und | |
Gefahrenabwehr seien wichtig, „aber die Vorbereitungsarbeiten für die | |
Rückholung müssen parallel laufen“. | |
Jochen Stay von der Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“ wies darauf hin, | |
dass die in Rede stehenden rund fünf Milliarden Euro lediglich die Kosten | |
betreffen, die bis zum Jahr 2033 anfallen. Die eigentliche Bergung und | |
Neuverpackung der Fässer werde mit Sicherheit etliche weitere Milliarden | |
verschlingen: „Die Gesamtaufwendungen zur Aufarbeitung des Asse-Desasters | |
könnten also gut und gerne doppelt so hoch ausfallen“, sagt Stay. Das Geld | |
komme im Übrigen nicht aus dem Atom-Fonds, in den die Stromkonzerne | |
einmalig 24 Milliarden Euro eingezahlt haben. Bezahlt werde das alles aus | |
dem Bundeshaushalt, also von der Allgemeinheit. | |
Die Linke bekräftigte unterdessen ihre Forderung nach einem | |
Asse-Sonderbeauftragten des Landes Niedersachsen: Seit neun Jahren bestehe | |
der politische Auftrag, den Atommüll aus der Asse zu holen, sagt | |
Landeschef Lars Leopold. Seitdem sei nicht viel passiert und es sehe fast | |
so aus, als werde auf Zeit gespielt: „Da rosten über 126.000 Fässer mit | |
radioaktivem Müll vor sich hin und die Landesregierung schaut seelenruhig | |
zu, wie weiter täglich Wasser in das marode Bergwerk läuft.“ | |
Um das Tempo bei der Rückholung des Atommülls zu erhöhen und eine Flutung | |
oder einen Einsturz des instabilen Bergwerks zu verhindern, sagt Leopold, | |
müsse Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Asse endlich zur Chefsache | |
erklären und einen Sonderbeauftragten einsetzen. | |
21 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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