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# taz.de -- Giftmülldeponie in Frankreich: Die kleine Asse am Oberrhein
> Arsen, Asbest, Zyanid: Seit 20 Jahren lagert im Südelsass Giftmüll im
> Kalibergwerk Stocamine – und bedroht das Grundwasser der Rheinebene.
Bild: Wittelsheim, Frankreich, Blockade der Giftmülldeponie Stocamine im ehema…
Berlin taz | Stahlpfosten stützen die durchhängende Salzdecke ab,
Seitenwände brechen teilweise nach innen. Dazwischen eingequetscht lagern
auf Paletten gestapelte weiße Kunststoffsäcke gefüllt mit Tonnen
hochgiftiger Industrieabfälle. Darin: Alles von Arsen bis Asbest und
Zyanid.
Einige Kammern der Giftmülldeponie Stocamine in einem einstigen
Kalibergwerk in Wittelsheim im Südelsass, 30 Kilometer von der deutschen
Grenze entfernt, werden in rund fünf Jahren wahrscheinlich nicht mehr zu
betreten sein. „Dieser Abfall ist eine enorme Bedrohung für unser
Grundwasser“, sagt Philippe Aullen, [1][Mitglied des Bündnisses
Destocamine.]
Seit Beginn der Einlagerung vor 20 Jahren fordert das Bündnis aus 14
Umwelt- und Gewerkschaftsorganisationen, dass der Müll endlich hochgeholt
und sachgemäß entsorgt wird. „Wir wissen, dass irgendwann Wasser in die
Mine eindringt, dann haben wir ein riesiges Problem am Oberrhein“, sagt
Aullen.
Die Mine liegt direkt an einem der größten Grundwasserreservoirs
Mitteleuropas, das sich von Basel bis Mainz unter der Rheinebene
hindurchzieht. Deutsche [2][Aktivisten nennen sie schon die „kleine Asse“
vom Oberrhein] – frei nach dem zum Atommülllager umfunktionierten
Salzbergwerk in der Nähe von Wolfenbüttel, durch den bereits Wasser
schwappt.
## Kommunalwahlen sollen helfen
Mitte des Jahres will der französische Staat entscheiden, ob er den
Giftmüll aus den Schächten holt oder für immer zwischen den Salzschichten
einbetoniert. Am kommenden Sonntag starten in ganz Frankreich die
Kommunalwahlen. „Das möchten wir nutzen, um die Lokalpolitiker zum Handeln
zu bringen“, sagt Aullen.
Grundsätzlich stehen diese hinter dem Bündnis: Bürgermeister, das
Departement Haut-Rhin und auch der länderübergreifende Oberrheinrat sind
für die Räumung der Mine. Doch das Umweltministerium in Paris verschleppe
die dringende Entscheidung seit Jahren, finden viele Kritiker*innen.
42.000 Tonnen Industrieabfälle lagern in 600 Metern Tiefe in der Nähe von
Mulhouse. Bei der Eröffnung 1999 plante die Betreibergesellschaft Mines de
potasse d’Alsace (MDPA), 300.000 Tonnen Sondermüll dort einzulagern.
Zugelassen waren nichtbrennbare Stoffe wie verunreinigte Böden, Rückstände
aus der Abfallverbrennung sowie Chrom, quecksilber- und asbesthaltige
Substanzen.
Doch als es 2002 in der Mine brannte, stoppte MDPA sein Vorhaben.
Untersuchungen zeigten dann, dass bereits in 120 Jahren mit dem Eindringen
von Grundwasser zu rechnen ist. MDPA hatte die Salzschichten mindestens
noch 1.500 Jahre für sicher gehalten.
## Unklar, was mit dem Restmüll geschieht
Im Jahr 2014 wurde begonnen, den für das Wasser besonders gefährlichen
quecksilberhaltigen Abfall aus der Mine herausholen. Drei Jahre dauerte die
Bergung; die 2.000 Tonnen lagern [3][seitdem im thüringischen Bergwerk
Sondershausen]. Was mit dem verbliebenen Müll geschieht, ist unklar.
„Keiner weiß genau, was dort unten wirklich lagert“, sagt Aullen, „und
deswegen will der französische Staat den Rest auch nicht hochholen.“
Im März 2018 trafen sich Lokalpolitiker*innen aus dem Elsass, vom
Department Haut-Rhin sowie den umliegenden Gemeinden mit dem damaligen
Umweltminister François de Rugy, der eine Studie zur Bergung des Mülls in
Auftrag gab. Das Ergebnis bestätigte sieben Monate später, was längst
bekannt war: Wegen der Einsturzgefahr der Stollen ist die Räumung
herausfordernd – doch bis 2025 gut möglich.
Der französische Staat hält aber das Risiko für die Arbeiter*innen für zu
hoch. Der ehemalige Bergbauingenieur Hans-Willi Lisch glaubt, dass dieser
Grund nur ein Vorwand sei. Bei der Räumung des Quecksilbermülls war er als
Maschinenführer unter Tage: „Wenn man es bergmännisch richtig macht, ist
die Bergung auf jeden Fall möglich.“ Dem französischen Staat seien die
Kosten aber zu hoch, meint Lisch.
Je länger Frankreich wartet, desto teurer wird es. Denn jedes Jahr schiebt
sich das Salz weiter in die Mine: rund sieben Zentimeter – und damit viel
schneller als bei Eröffnung der Deponie angenommen. Das Departement
Haut-Rhin schätzt, dass die vollständige Räumung 250 Millionen Euro kosten
dürfte.
Axel Mayer, ehemaliger Geschäftsführer des BUND Südlicher Oberrhein,
verfolgt den Streit um Stocamine seit Beginn. „Das Grundproblem sind die
Billiglösungen“, sagt Mayer. „Es gibt den Mythos, dass die Umweltbewegung
alles teurer mache. Hier ist das Gegenbeispiel.
## Grenzüberschreitender Widerstand
Hätte man auf die kritischen Stimmen gehört und bestimmte Stoffe nicht
eingelagert, wäre es für die Gesellschaft günstiger geworden.“ Dass
verschmutztes Grundwasser nach Deutschland gelangt, fürchtet Mayer hingegen
nicht: „Die Grundwasserströme laufen im Elsass parallel zum Rhein, das
Wasser fließt dann Richtung Straßburg nach Norden.“
Trotzdem ist der Widerstand gegen Stocamine grenzüberschreitend. Der
Oberrheinrat – mit Vertreter*innen aus Kreis- und Länderebene aus
Frankreich, Deutschland und der Schweiz – hat im Juni 2019 eine Resolution
verabschiedet. Darin äußert der Rat die Sorge, dass die „Verschmutzung des
Rheingrundwassers auf lange Sicht weitaus höhere Kosten verursachen würde
als die vollständige Auslagerung der Sondermülldeponie.“
Das französische Umweltministerium antwortet auf die Befürchtungen nur
zögerlich. Derzeit wartet es auf die Ergebnisse einer weiteren Studie, die
Mitte des Jahres erscheinen soll. Dieses Mal untersucht das Büro eine
partielle Räumung der Deponie.
Gleichzeitig arbeitet die Zentralregierung weiter an den Plänen, den Müll
einzumauern „Solange es keine Entscheidung gibt, haben wir Hoffnung“, sagt
Aullen. „Aber mit jeder Studie vergehen Jahre – und wir rennen gegen die
Zeit an.“ Die AktivistInnen fürchten, dass die Behörden weiter zögern. So
lange, bis es für eine ordnungsgemäße Räumung zu spät ist.
10 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.destocamine.fr/
[2] http://www.bund-rvso.de/asse-stocamine-atommuell-giftmuell.html
[3] /Giftmuell-aus-Frankreich-nach-Thueringen/!5027757
## AUTOREN
Isabel Röder
## TAGS
Schwerpunkt Frankreich
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Elsass
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