# taz.de -- Anwältin über Verbot von „Linksunten“: „Grund ist politisch… | |
> 2017 wurde die Website linksunten.indymedia verboten, Klagen gegen das | |
> Verbot laufen noch. Die Anwältin Kristin Pietrzyk zum aktuellen Stand. | |
Bild: Menschen demonstrieren 2017 gegen das Verbot der Plattform linksunten.ind… | |
taz: Frau Pietrzyk, [1][das Linksunten.indymedia-Verbot] ist zwei Jahre | |
her. Zwar wird gegen die Betreiber seit dem 19. August nicht mehr | |
ermittelt, [2][Klagen gegen das Verbot] laufen aber noch. Wie ist der | |
Stand? | |
Kristin Pietrzyk: Es ist fast noch nichts entschieden. Die bei den Razzien | |
sichergestellten Gegenstände konnten noch nicht ausgewertet werden, weil | |
die meisten Speichermedien verschlüsselt sind und noch nicht entschlüsselt | |
werden konnten. Vielleicht drücken sich die Gerichte auch darum, die | |
Rechtmäßigkeit der Razzien zu prüfen, und warten auf die Entscheidung des | |
Bundesverwaltungsgerichts. | |
Worüber wird dabei entschieden? | |
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über unsere Klage gegen das | |
Verbot, das wir für rechtswidrig halten. An anderen Gerichten laufen die | |
Klagen gegen die Sicherstellung der Speichermedien, anderer Gegenstände und | |
des „Vereinsvermögens“, gegen die Postbeschlagnahmung und dagegen, dass die | |
Gegenstände, die sichergestellt wurden, vom Verfassungsschutz ausgewertet | |
werden. | |
Der Verfassungsschutz? | |
Ich gehe davon aus, dass das Verbot eine Initiative des Verfassungsschutzes | |
war. In den Akten steht auch nichts von Ermittlungen des Innenministeriums, | |
es ist dabei immer nur von „Erkenntnissen des Verfassungsschutzes“ die | |
Rede. Deshalb gehe ich davon aus, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz | |
in Wirklichkeit das Verfahren führt – das Innenministerium stellt dem | |
Verfassungsschutz nur seine Exekutivbefugnisse zur Verfügung. Damit macht | |
es den Geheimdienst zu einer Behörde mit Polizeibefugnissen und verstößt | |
gegen das Trennungsgebot. | |
Für den Verfassungsschutz war Linksunten doch sicher eine gute | |
Informationsquelle. Warum das zunichtemachen? | |
Dahinter steht ein politisches Interesse. Bei Linksunten wurden auch | |
Nachrichten verbreitet, die die Mainstreammedien aufgegriffen haben, zum | |
Beispiel über den geplanten Ariernachweis der Deutschen Burschenschaft. | |
Das rückt viele alte Herren, die in der Deutschen Burschenschaft | |
organisiert waren, oder auch Sympathisanten der AfD in ein schlechtes | |
Licht. Mit Blick auf die personelle Zusammensetzung beim Innenministerium | |
und Verfassungsschutz ist es plausibel, dass es dort Bestrebungen gab, dem | |
Portal den Garaus zu machen. | |
Bei Linksunten gab es auch Anleitungen zum Bau von Brandsätzen und | |
Bekenner*innenschreiben. | |
Es ist unstrittig, dass einige der Beiträge sich für deren | |
Verfasser*innen im strafrechtlich relevanten Bereich bewegt haben. Aber | |
die Frage ist: Wie groß war dieser Anteil an der Gesamtheit aller Beiträge? | |
Das hat das Innenministerium gar nicht ausgewertet. Es hat einfach 90 | |
Beiträge ausgedruckt, die es für problematisch hält. Um problematische | |
Beiträge zu sperren gibt es aber ein von der EU vorgeschriebenes Vorgehen | |
nach dem Telemediengesetz. | |
Wie würde das laufen? | |
Dann wäre nicht das Innenministerium zuständig, sondern die | |
Landesmedienanstalt. Die würde die einzelnen Beiträge sperren. Das hätte | |
natürlich 2017, kurz nach G20 in Hamburg und vor der Bundestagswahl, keine | |
so schöne Pressekonferenz für Thomas de Maizière gegeben. | |
Wie begründet das Innenministerium, dass es dieses Vorgehen nicht anwendet? | |
Es setzt sich gar nicht damit auseinander, [3][dass hier Presse verboten | |
wird] und es eigentlich die Aufgabe des Staates wäre, die Pressefreiheit zu | |
schützen. Es hält sich ja an die Tatbestände des Vereinsgesetzes. Das ist | |
eigentlich ein Instrument gegen Rocker, islamistische Vereine oder rechte | |
Gruppierungen. | |
Was bedeutet das Verbot für andere Plattformen? | |
Wenn das Bundesverwaltungsgericht das Verbot für rechtmäßig befindet, kann | |
es auch andere treffen. Den Betreibern von Open-Posting-Plattformen wird | |
sich die Frage stellen: Wie stark müssen wir moderieren, um nicht verboten | |
zu werden? Was darf dann noch ein Blog, was darf eine nicht renommierte | |
Onlinezeitung, was darf ein Forum? Das öffnet Tür und Tor für Zensur. Wenn | |
man Pressefreiheit als Säule unserer Demokratie versteht – da wird ganz | |
schön dran gesägt. | |
21 Aug 2019 | |
## LINKS | |
[1] /linksuntenindymedia/!5442202 | |
[2] /Gesperrte-Indymedia-Website/!5440646 | |
[3] /indymedia-fordert-Pressefreiheit/!5614659 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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