# taz.de -- Sachsen einmal ganz anders: Der eigene Weg | |
> Nebelschütz, sagt der Dorf-Bürgermeister, war früher ganz besonders | |
> hässlich. Wie es eine Gemeinde geschafft hat, zum Vorzeigeort zu werden. | |
Bild: Stolz auf das Erreichte: Bürgermeister Thomas Zschornak ist hier seit ba… | |
Nebelschütz taz | Es ist Hochsommer, und kein Nebel wird heute den kleinen | |
Ort in der Hügellandschaft zwischen den Feldern verschwinden lassen. | |
Weiß-orange gestrichen, strahlt die barocke Kirche am Hang in der | |
Morgensonne, vergoldete Kruzifixe auf steinernen Säulen stehen an der | |
Dorfstraße. | |
Nebelschütz (Njebjelčicy) in der Oberlausitz, Sachsen, zwischen Kamenz und | |
Bautzen gelegen, ist sorbisches Siedlungsgebiet und schwer katholisch. In | |
den fast 30 Jahren seit der Wende hat der Ort der Abwanderung und dem | |
wirtschaftlichen Niedergang getrotzt. Hier gibt es solidarische | |
Landwirtschaft, Ökokonto, Hofladen, eine Sozialwerkstatt, einen | |
ökologischen Baustoffhof, drei Biobauern. | |
Ein Modell- oder Museumsdorf ist Nebelschütz aber auch wieder nicht. Kein | |
Ort, in den am Wochenende die Städter einfallen, keine hippen Cafés, keine | |
Wochenendhäuser, sondern stille Provinz, wo die Pilger auf dem sächsischen | |
Teil des Jakobsweg in der Wanderherberge absteigen. | |
Wer hier eine Wohnung mieten oder Land erwerben will, kommt auf eine | |
Warteliste. Wer hier mobil telefonieren will, verflucht das Funkloch. Die | |
ehemalige Gastwirtschaft des Ortes ist eine Pension und öffnet ihren | |
Festsaal nur für gebuchte Festivitäten. Es ist verdammt ruhig in | |
Nebelschütz. Seit den neunziger Jahren leben wieder zwei Storchenpaare im | |
Ort. | |
## Keine Idylle, aber ein Dorf mit Zukunft | |
Nebelschütz ist keine Idylle, aber ein Ort mit Zukunft. Schon früh hat die | |
Gemeinde den Ankauf von Grund- und Flurstücken betrieben. Veranstaltet | |
Pflanzentauschbörsen, treibt den ökologischen Umbau des Dorfes voran. Was | |
hat Nebelschütz, was andere Dörfer nicht haben? Gibt es ein Erfolgkonzept? | |
„Man braucht nicht unbedingt viel Geld“, sagt Thomas Zschornak, | |
Bürgermeister des Orts. „Man muss kreativ sein.“ Vieles sei bei ihm | |
„Bauchgefühl“ gewesen. Wichtig ist ihm: „Wir hatten Beratung.“ | |
Zschornak trägt großen Anteil daran, dass die Gemeinde Nebelschütz heute | |
wieder ein „enkeltauglicher“ Ort ist, wie er es nennt. „Wir waren zu | |
DDR-Zeiten wirklich ein hässliches Dorf“, sagt er. „Die Lebensqualität war | |
katastrophal: Es gab nicht eine gute Straße, keine Wasserleitung, überall | |
Baustellen.“ Rundherum LPGs. | |
Daraus sind heute Agrargroßbetriebe geworden. Auf etwa 1:10 schätzt | |
Zschornak das Verhältnis von ökologischer und industrieller Landwirtschaft. | |
Das soll sich ändern, die Gemeinde verpachtet gezielt Land an Biobauern. | |
Ihre Höfe befinden sich nicht in Nebelschütz selbst, sondern in einem | |
Nachbardorf, das zur Gemeinde gehört. Die besteht insgesamt aus fünf | |
Dörfern, 1.200 Menschen leben hier. In Nebelschütz selbst sind es 420. | |
„Das Wichtigste ist, Eigenverantwortung zu übernehmen“, sagt Zschornak. Das | |
Wort fällt oft im Gespräch. „Und man braucht Zeit. Das muss von unten | |
wachsen. Deswegen kommt der Strukturwandel jetzt für viele zu schnell.“ In | |
Nebelschütz wächst es von unten seit 1990, seither ist Zschornak hier | |
nämlich Bürgermeister. Heute ist der Diplomverwaltungswirt 55 Jahre alt, | |
mittelgroß, die grauen Haare trägt er kurz. Noch zu DDR-Zeiten gründete | |
Zschornak eine Bürgerinitiative, die sich gegen die Berieselung der Felder | |
mit Gülle und gegen Massentierhaltung aussprach. Mit Protesten gegen eine | |
Mülldeponie ging es – erfolgreich – nach der Wende weiter. | |
„Ich musste mich immer einmischen“, sagt Zschornak. Zunächst mischte er mit | |
im Neuen Forum Bautzen, damals im März 1990. Bei den ersten freien Wahlen | |
in der Noch-DDR kandidierte er als Gemeinderat und wurde daraufhin prompt | |
zum Bürgermeister gewählt. Nun ist er in seiner fünften Amtszeit, drei | |
Jahre bleiben noch, danach will er nicht mehr antreten. | |
Thomas Zschornak ist CDU-Mitglied, auch das seit fast 30 Jahren. „Damals | |
war ich von der CDU überzeugt“, sagt er. Es klingt, als wäre er heute nicht | |
mehr so ganz überzeugt. „Der Staat entfernt sich mehr und mehr von den | |
Bürgern und den Dörfern“, sagt er. Zschornak hat seine Aktivitäten vom | |
Kreistag auf den Serbskij Sejm verlagert, das sorbische Parlament, das sich | |
im November 2018 in Nebelschütz gegründet hat. Dessen 24 Abgeordnete hoffen | |
auf mehr öffentliche Wahrnehmung, Mitsprache und Autonomie zum Beispiel im | |
Bildungswesen. Und manche träumen von einer Minderheitenpartei, die, | |
ähnlich wie die dänische in Schleswig-Holstein, von der Aufhebung der | |
Fünf-Prozent-Klausel profitieren könnte. | |
Auch Zschornak switcht, wenn er in Nebelschütz unterwegs ist, | |
selbstverständlich zwischen dem Deutschen und dem Sorbischen hin und her, | |
einer westslawischen Sprache, die noch etwa 20.000 Menschen aktiv | |
beherrschen. Die Kindertagesstätte ist deutsch-sorbisch, das Projekt einer | |
freien Schule ist in Planung. Doch nur eine alte Nebelschützerin trägt noch | |
Tracht, erzählt Zschornak. | |
## Ein „steinreicher“ Ort | |
Die Besucherin aus Berlin holt der Bürgermeister im fünf Kilometer | |
entfernten Kamenz am Bahnhof ab. Noch bevor es in den Ort geht, biegt | |
Zschornaks Wagen zum Miltitzer Steinbruch ab – hier wurde bis zum Jahr 2000 | |
Granit abgebaut. Nach der Schließung erwarb die Gemeinde den Steinbruch, | |
die Grube lief im Lauf der Zeit mit Wasser voll, inzwischen ist der See 19 | |
Meter tief. „Wir sind steinreich“, scherzt Zschornak und zeigt auf kleine | |
und große Skulpturen aus Granit, Holz und Metall, die den See und seine | |
Umgebung säumen. | |
Das Areal des ehemaligen Steinbruchs beherbergt einen Tauchverein und die | |
Aufenthaltsräume des Soziokulturellen Zentrums Am Krabatstein. Auch die | |
Internationale Skulpturenwerkstatt findet hier statt, ausgerichtet vom | |
Kulturverein Steinleicht e. V. Der Verein experimentiert mit Permakultur, | |
die durch Mulchen darauf setzt, dass sich die Pflanzen selbst aussäen, hat | |
Kräutergarten, Hochbeete und ein Insektenhotel angelegt. | |
„Es ist vielleicht nicht das größte, aber bestimmt das schönste | |
Insektenhotel“, sagt Hubert Lange stolz und kraxelt etwas schweratmig durch | |
Lavendel, Blumen- und Kräuterbeete, die zum Plateau des einstigen | |
Botonfundaments für den Lastenkran führen. Es dient im Sommer auch als | |
Freiluftbühne. Die Außenwände sind mit Holz verkleidet, in das zahlreiche | |
Löcher zum Nisten der Insekten eingelassen sind. Hummeln und Bienen surren | |
im blühenden Lavendel. | |
Lange ist im Vorstand von Steinleicht, zugleich arbeitet er als Betreuer | |
für das Soziokulturelle Zentrum. Er ist mit einem Trupp | |
Langzeitarbeitsloser da, die nach getaner Garten- und Küchenarbeit im | |
Freien unter einem Holzdach sitzen, quatschen oder rauchen. Gesichter, die | |
zeigen, dass ihnen das Leben meist nicht freundlich entgegengekommen ist, | |
manche leiden an Depressionen oder haben körperliche Beeinträchtigungen. | |
Lange wird sie gleich mit seinem Kleinbus zum Bahnhof nach Kamenz fahren. | |
Die zwei Frauen und ein Dutzend Männer sind schon seit dem frühen Morgen | |
hier, sie nehmen an der einjährigen Fortbildungsmaßnahme im Umweltbereich | |
teil. Sie sollen lernen zu gärtnern, eigene Lebensmittel zu produzieren. | |
## Treffpunkt des Dorfs ist der Hofladen | |
Nadja Schreiber, 61, hat heute für Wanderer gekocht. Ursprünglich kommt sie | |
aus Russland, sie lebt seit 1997 in Deutschland. „Unsere Truppe ist gut, | |
aber spricht viel Sächsisch“, sagt sie. Aber es gefällt ihr, „zwischen | |
Leute zu sein“. Das Essen scheint eher Nebensache zu sein. | |
Eben kommt Thomas Zschornak zurück, der eine Tour zum Bahnhof übernommen | |
hat. „Die Leute gesunden in dieser Umgebung zusehends“, sagt er. Das | |
Sozialprojekt ist ein Anfang, der Miltitzer Steinbruch soll zu einem Natur- | |
und Umweltbildungszentrum ausgebaut werden. Doch die beim Land und der EU | |
beantragten Fördermittel wurden abgelehnt. „Wir werden nicht lockerlassen“, | |
sagt Zschornak. Was auf dem Areal wächst, die Kräuter, für die jemand einen | |
solaren Trockenschrank konzipiert hat, die Früchte der Mischobstwiesen, | |
alles was nicht verwertet wird, erklärt Lange, kommt in den Hofladen in | |
Nebelschütz. Lange ist wie Zschornak einer der vier Gesellschafter des | |
einzigen Ladens im Dorf, gleich neben Gemeindezentrum, Feuerwehr und | |
Schwesternwohnheim. Personalunion scheint auf dem Dorf unvermeidlich – es | |
sind eine Handvoll Leute, die sich engagieren. | |
Im Hofladen steht Ruth Tintschert, 55, hinter dem Tresen. Zschornak greift | |
in die Eistruhe, zieht drei Eis am Stil heraus und verschwindet kurz. „Hier | |
kann man noch anschreiben“, sagt er und lacht. In den Regalen das | |
übersichtliche Sortiment eines normalen Bioladens, Kaffee, Tees, | |
Konfitüren, regionale Produkte, Krabatsalz, Quittenessig, Bautzener Senf, | |
und in den offenen Obst- und Gemüsekisten die Produkte aus eigenem Anbau. | |
Tinschert säubert Stachelbeeren. Die ausgebildete Krankenschwester hat | |
lange in einem Bioladen in Leipzig gearbeitet, bevor sie sich auf | |
Nebelschütz einließ. Der Laden funktioniert als Dorftreffpunkt, | |
Kneipenersatz, erzählt sie, manche trinken hier ihr Feierabendbier, was | |
nicht heißt, dass die Dörfler auch die Bioprodukte kaufen. Permakultur, | |
eigentlich höherwertig als Bio, erklärt Tinschert, „das kennen hier viele | |
gar nicht“. Der Laden trägt sich, wenn auch durch Selbstausbeutung, aber | |
immerhin kämen Leute aus Kamenz, um hier einzukaufen. Dort gibt es keinen | |
Bioladen. „Die Leute hier ticken doch anders“, sagt Tinschert verhalten | |
optimistisch. | |
„Es kommt langsam bei den Leuten an“, erklärt Zschornak dagegen. Er lädt | |
abends in seinen Garten, sein Sohn und sein 14-jähriger Enkel aus Berlin | |
sind zu Besuch, Zschornaks Frau Beate hat einen großen Topf Hähnchenfleisch | |
geschmort. Es gibt Salat und Kartoffeln, dazu das lokale Krabatpils, | |
Weißwein und Wasser. Drei erwachsene Kinder haben die Zschornaks, der | |
andere Sohn wohnt nebenan mit Frau und drei Kindern, die Tochter studiert. | |
Musikerfreunde des Sohns, auch aus Berlin angereist, gesellen sich dazu. | |
Das Wohnhaus, ein um- und ausgebautes Dreiseitgehöft, gehörte einst ihren | |
Eltern. Nebenan versinkt der neu angelegte Feuerlöschteich in der | |
Abenddämmerung, das Gras des Gemeindelands kauen Schafe nieder. Brombeer- | |
und Stachelbeerbüsche sind Teil der „Essbaren Landschaften“, die Zschornak | |
in Österreich kennengelernt und als Idee gleich adoptiert hat. | |
## 12 Dorfpreise für die Gemeinde | |
Er steht in ständigem Austausch – mit vielen. Durch die internationalen | |
Städtepartnerschaften, die dem Dorf den Anschluss an die Welt ermöglicht, | |
durch den Austausch mit anderen innovativen Gemeinden und das Engagement in | |
entsprechenden Netzwerken, durch seinen Broterwerbsjob als Angestellter des | |
Kommunalverwaltungsverbands, durch seine Aktivitäten in der Kommunalpolitik | |
und für die Sache der Sorben. „Die Verwaltung zusammenzulegen macht Sinn“, | |
sagt Zschornak, trotzdem hat er sich gegen die Gemeinde- und | |
Kreisgebietsreformen gewehrt, gegen den Landkreis und den Freistaat Sachsen | |
gestellt. Verhindern konnte er sie nicht. „Die Reformen waren zum Schaden | |
der Menschen auf dem Land. Sie haben weder kurze Wege gebracht noch Geld | |
gespart.“ In der Beziehung hat ihn seine Partei enttäuscht. | |
„Es geht darum, politische Verantwortung zu haben“, erklärt der langjähri… | |
Bürgermeister. „Die wurde uns aber genommen. Sie haben gesagt: ‚Wir kümme… | |
uns um euch‘, das haben sie aber nicht getan.“ Zschornak hat sich selbst | |
gekümmert, er ist „ein typischer Kümmerer“, der viele Mitkümmerer hat. �… | |
sind dann eigene Wege gegangen“, erklärt er. Dafür hat man sie belächelt, | |
doch das ist heute längst vorbei. Zwölf Dorfpreise hat Nebelschütz | |
gewonnen. Man müsse den kleinen Kommunen mehr Geld geben, findet Zschornak, | |
sie nicht noch mehr ausbluten lassen. Keine weiteren Eingemeindungen | |
vornehmen, ihre Eigenständigkeit und Eigenwilligkeit stärken. | |
In Nebelschütz machen sie vieles anders: Jeder der fünf Ortsteile hat | |
seinen eigenen Entwicklungsplan. Im Gemeinderat gibt es keine Fraktionen. | |
Zwar hat die AfD im Landkreis bei den Kommunalwahlen im Mai 15 Prozent | |
erzielt, doch in den Gemeinderat hat es die Partei nicht geschafft. „Obwohl | |
wir einen AfD-Kandidaten akzeptiert hätten“, sagt Zschornak. „Nach | |
Möglichkeit betreiben wir Konsenspolitik“, erklärt er die Praxis. Das | |
heißt: informieren, diskutieren, überzeugen, Kompromisse schließen. | |
Notfalls eine Entscheidung vertagen. Das heißt: Die in Nebelschütz | |
befindliche Sauenzuchtanlage bleibt, aber darf nicht erweitern. Drei Hallen | |
wurden geschlossen. | |
## Aus Nebelschütz kommen künftig frische Garnelen | |
In diesen Hallen hat Suburban Seafood seinen Standort gefunden: das | |
Start-up plant im Schweinestall die Zucht von Garnelen, später auch | |
Schnecken und Seidenraupen. Drei nicht mehr ganz junge Männer werken seit | |
einem Jahr an dieser Idee: Friedrich Tietze, 36, Roman Schwarz, 39, und | |
Felix Kirsten, 27 – Tietze ist Ingenieur für Wasserwirtschaft, Schwarz | |
Wirtschaftsingenieur und Kirsten Biotechnologe. Aus dem alten Schweinestall | |
haben sie alles entfernt– „total zugekeimt“, sagt Tietze. Die Hallen wurd… | |
mit einem Wärme reflektierenden Material gedämmt – ein Verfahren aus der | |
Flugzeugtechnik. Rundum an den Wänden ist die äußere Haut, Silberfolie, zu | |
sehen. | |
Bassins und Becken, größere, kleinere, stehen im Raum, sie werden Teil des | |
kreislaufgeführten Aquakultursystems. Tietze und seine Kompagnons wollen | |
nicht nur importierte Pazifikgarnelen mästen, sondern in erster Linie – „da | |
gehen wir als Erste in Europa mit auf den Markt“ – selbst Larven züchten. | |
Dafür brauchen sie eigene Mikroalgenkulturen und Plankton, Filtersysteme, | |
ein eigenes Labor zur ständigen Überwachung der Wassertemperatur und | |
-qualität. Tietze zeigt auf ein noch leeres rundes Becken, hier wird man | |
die laichenden Weibchen mit männlichen Garnelen zusammenbringen, hier | |
können sie ihren speziellen Paarungstanz vollziehen. Zwanzig Tage bleiben | |
die Larven in der Anlage, bevor sie ausgeliefert werden. | |
„Du hast dich ja heute schön gemacht“, sagt Zschornak am nächsten Morgen … | |
Edith Penk, die in blaugeblümtem Kleid und mit unter dem Kinn gebundener | |
Haube, dazu eine kecke Sonnenbrille, vor dem Gemeindezentrum auf ihn | |
wartet. Penk, 81 Jahre alt, ist die Ehrenpräsidentin des Sorbischen | |
Parlaments und eine bekannte Aktivistin gegen die Kohleabbaggerung in der | |
Lausitz. Sie ist mit ihrem Sohn Christian da, „ich muss sie fahren“, sagt | |
er spöttisch. Sie steigen um in Zschornaks Wagen, mit dabei sind noch zwei | |
Mitglieder des Sorbischen Parlaments. | |
Am Mittag ist im Sächsischen Landtag eine Pressekonferenz des Sorbischen | |
Parlaments und des BUND zum Thema Mühlrose angesetzt. Das ist das | |
vielleicht letzte Dorf in der Lausitz, das der Braunkohle zum Opfer fallen | |
könnte. Im März wurde die Umsiedlung des Dorfes beschlossen, viele Bewohner | |
sind damit einverstanden, aber nicht alle. Zschornak wird neben Penk auf | |
dem Podium sitzen. Auch Nebelschütz war bis in die 70er Jahre vom | |
Kohleabbau betroffen. Mühlrose geht sie alle an, etwa 140 sorbische Dörfer | |
sind im Lauf der Zeit durch die Kohle verlorengegangen. Und damit auch | |
Sprache und Kultur der Sorben. | |
„Davon haben wir vor einem Jahr noch geträumt, im Sächsischen Landtag eine | |
Pressekonferenz zu geben“, witzelt Thomas Zschornak auf dem Weg nach | |
Dresden. – „Aber wir haben auch davon geträumt, die Machtfrage gelöst zu | |
haben“, gibt einer seiner Mitfahrer zurück. Denn noch hat das Sorbische | |
Parlament keine politische Legitimation. Und erst langsam erwacht das | |
Selbstbewusstsein. Etwas, was man Thomas Zschornak nicht absprechen kann. | |
„Viele Sorben sind verschlossen“, erklärt er, der so gern und gut | |
kommuniziert. „Wir haben uns zu DDR-Zeiten minderwertig gefühlt. Unsere | |
Dörfer wurden weggebaggert, in der Außenpolitik hat man uns als Minderheit | |
missbraucht.“ Jetzt will man Rechte geltend machen. In der Bildung, in der | |
Kultur, in der Natur. | |
In Nebelschütz laden sie dazu die Künstler ein. Mit dem Projekt „Njebjesa“ | |
(Himmelsort) sollen die Auen des örtlichen Jauerbachs renaturiert werden. | |
Auch dieses Projekt muss wachsen, braucht Zeit. | |
Land und Zeit, beides haben sie in ihrem Dorf Nebelschütz reichlich. „Wir | |
wollen uns nicht zu schnell entwickeln“, sagt Bürgermeister Thomas | |
Zschornak. Etwa 15 bis 20 junge Familien stehen auf der Warteliste, wollen | |
hier bauen oder mieten. Die Gemeinde einfach in der Fläche vergrößern, | |
kommt für Zschornak nicht infrage. „Wir wachsen von innen nach außen.“ | |
22 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Sabine Seifert | |
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