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# taz.de -- Landtagswahlen in Brandenburg: Bitte mehr Bio in Brandenburg
> Der Ökolandbau in Brandenburg braucht neue Impulse, sagt Agrarminister
> Jörg Vogelsänger im Wahlkampf. Eine Pressefahrt zu Öko-Musterhöfen in der
> Mark.
Bild: Hallo, wer ist da? In Brandenburg gibt's mehr konventionelle als Bio-Baue…
Unbeschwert picken die Hühner im freien Grasland, der Hahn stolziert
aufpassend zwischen ihnen. Vor dem mobilen Hühnerhaus hat sich das
Federvieh kleine Bodenkuhlen zum Baden im märkischen Sand gegraben.
Eierlegen ist hier, im Choriner Land auf dem Landgut Geelhaar, nur noch
freiwillige Zugabe, hat es den Anschein.
Besuch in der ökologischen Landwirtschaft Brandenburgs, die mit 12 Prozent
der Agrarfläche einen bundesweiten Spitzenrang erreicht hat und weiter
expandieren will. Nächstes Etappenziel soll in zehn Jahren die
20-Prozent-Marke sein, hat sich Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD)
vorgenommen.
Ob er selbst daran mitwirken kann, wird sich am 1. September entscheiden,
wenn mit der Landtagswahl auch über die künftige Landwirtschaftspolitik
abgestimmt wird. Vogelsänger, einer der dienstältesten Minister im Kabinett
Woidke, der zugleich für die Themen Umwelt, Forsten und Ländliche
Entwicklung zuständig ist, lud jüngst zur Pressefahrt zu ökologischen
Musterhöfen in der Mark.
Weitab vom Trubel der Großstadt haben sich im Oderbruch Amelie und
Franziska Wetzlar mit dem Milchschafhof „Pimpinelle“ ihren Traum vom
Bauernhof verwirklicht. Auf einer Fläche von 13 Hektar werden im Ort
Quapppendorf 62 Schafe gehalten, deren Milch zu handgemachten Schafkäse,
Joghurt und Quark verarbeitet werden.„Unsere Produkte vermarkten wird ab
Hof, über Bioläden und auf Märkten in der Region“, berichten die
Bäuerinnen. Nachaltigkeit und das Wirtschaften in Kreisläufen ist hier
oberstes Prinzip: „Dazu gehören die extensive Weidehaltung, eigene
Heugewinnung und die Zusammenarbeit mit nahegelegenen Kleinbetrieben“. Für
den Bau eines neuen Stalls gibt jetzt einen Zuschuss des Landes.
## Mehr Bio mit Geld aus Brüssel
„Der Ökolandbau in Brandenburg braucht neue Impulse“, begründet Vogelsän…
seinen Wachstumsstrategie. Sie hat vor allem eine bessere Versorgung des
Berliner Markts im Blick, mit seiner steigenden Nachfrage nach biologisch
hergestellten Lebensmitteln. Das „Förderprogramm Ökologischer Landbau“ so…
daher weiterhin konventionelle Bauernhöfe zur Umstellung auf den Biobetrieb
bewegen. Dafür will man in den nächsten Jahren 28 Millionen Euro
Umstellungsgelder aus Brüssel einwerben, um die 20 Prozent Ökoanteil zu
erreichen.
In Müncheberg in Märkisch-Oderland hat sich vor zehn Jahren die
Biomanufaktur „Wünsch Dir Mahl“ (WDM) niedergelassen. In großen Kesseln
werden leckere Suppen und Eintöpfe aus Bioprodukten gekocht: Rote
Linsensuppe, Afrikanischer Erdnusstopf oder vegetarisches Chili. Der Absatz
läuft über Biosupermärkte, so erfolgreich, dass die Suppenküche inzwischen
14 Mitarbeiter beschäftigt.
Den direkten Vertriebsweg zum Endkunden baut das Ökodorf Brodowin aus, das
in Eberswalde eine eigene Betriebsstätte unterhält. In ihr werden die
Brodowiner Bioprodukte nach den Internet-Bestellungen der Kunden in Kisten
verpackt und wöchentlich an 2.000 Berliner Haushalte zugestellt. „Wir
wollen auf diese Weise regionale Kreisläufe unterstützen“, sagt
Brodowin-Geschäftsführer Ludolf von Maltzahn.
In der Brodowiner Kette von landwirtschaftlicher Produktion, Verarbeitung
und Vertrieb arbeiten mittlerweile über 100 Menschen. Die Logistik-Zentrale
Eberswalde wird jetzt um eine neue Halle für 800.000 Euro erweitert. „Wir
erhalten hier eine eigene Verarbeitungsküche, um die Tiere vollständig
verarbeiten zu können“, erklärt von Maltzahn. So abfallarm wie möglich ist
das Ziel.
## Konventionell ist der Standard
Die übergroße Mehrheit der rund 36.500 Brandenburger Landwirte produziert
indes auf konventionelle Weise, in großen Ställen und mit Agrochemie auf
dem Acker. Ihr Wortführer ist der Präsident des Landesbauernverbandes
Henrik Wendorff, der zur Landtagswahl klare Positionen der kandidierenden
Parteien einfordert.
„In der jüngeren Vergangenheit haben sich die Parteien gern hervorgetan,
wenn es um Ansprüche an die Landwirtschaft ging“, sagt er zum Start einer
Befragungsaktion. „Wenn wir dann aber über die dafür notwendigen
Rahmenbedingungen reden wollten, dann wurde es auf der anderen Seite des
Tisches häufig still“. Achselzuckend sei dann auf den Bund oder die EU
verwiesen worden. „Damit muss endlich Schluss sein.“
Eine ähnliche Umfrage der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau
Berlin-Brandenburg (FÖL) förderte die größten Unterschiede zwischen den
Parteien bei ihrer Haltung zur EU-Agrarreform zutage. Während die Grünen
für eine „Neuaufstellung der Agrarpolitik“ mit stärkerer Forderung
umweltbezogener Leistungen der Bauern sind, hält die CDU an der bisherigen
flächenbezogenen Verteilung der Agrarsubventionen fest. Die SPD konnte dazu
„keine konkrete Aussagen“ machen. Es sollten aber „finanzielle Anreize f�…
eine naturverträgliche Landnutzung geschaffen werden“.
Weitgehender Gleichklang dagegen beim Parteien-Statement zu den beiden
Volksinitiativen zum Thema Artenschutz – das eine von den
Naturschutzverbänden initiiert („Artenvielfalt retten“), das andere von den
„Landnutzern“ – darunter Bauernverband, Jagdverband, Gartenbauverband,
Schafzuchtverband und Landesanglerverband – auf den Weg gebracht („Mehr als
nur ein Summen“).
## „Dialogprozess Insektenschutz“
Die Linke unterstützt beide Initiativen, die CDU wünscht einen „Konsens
zwischen beiden Positionen“, ebenso die SPD. Die Sozialdemokraten verweisen
zudem darauf, dass ein „Dialogprozess Insektenschutz“ eingeleitet wurde,
der zu einem „Aktionsprogramm Insektenschutz“ führen solle, etwa mit der
Anlage von Streuobstwiesen und Blühstreifen an den Feldern.
Andere große Agrarthemen liegen dagegen brach und werden kaum beackert.
Dazu zählt die absehbare Fachkräftelücke. Nach einer Studie im Auftrag des
Agrarministeriums droht in der Brandenburger Landwirtschaft in den nächsten
elf Jahren ein Fachkräftemangel von geschätzt 20.000 Personen, die aus
Altersgründen ausscheiden. Der demografische Wandel treibt das Höfesterben
voran.
Noch gravierender ist das Thema Landgrabbing, das die Grünen im Landtag am
Montag dieser Woche in einem Fachgespräch diskutierten. „Angesichts
explodierender Bodenpreise und der Übernahme ganzer Betriebe durch
Finanzinvestoren hat unsere Fraktion die Landesregierung seit 2013 mehrfach
aufgefordert ein Agrarstrukturgesetz für Brandenburg auf den Weg zu
bringen, ohne Erfolg“, begründeten die Grünen den neuerlichen Vorstoß.
## Agrarland wird rasant teurer
Der landwirtschaftliche Bodenmarkt funktioniere nicht mehr. So seien die
Preise für Agrarland in Brandenburg bis 2006 stabil geblieben, seitdem aber
um fast das Fünffache auf 11.372 Euro pro Hektar im Jahr 2017 gestiegen.
Die Erträge aus landwirtschaftlicher Produktion blieben dagegen im selben
Zeitraum nahezu gleich.
Eine wesentliche Ursache für den rasanten Anstieg der Kauf- und Pachtpreise
sei „das Interesse von außerlandwirtschaftlichen Investoren“, die nach der
Finanzkrise neue Renditequellen suchten. Leider werde ein
Agrarstrukturgesetz, mit dem ein Riegel vorgeschoben werden könne, von den
Regierungsparteien SPD und Linke auf Landesebene ablehnt, bedauern die
Grünen. „Die bodenmarktpolitischen Probleme in Brandenburg finden im
Wahlprogramm der SPD keine Erwähnung“, so ihre Kritik.
An diesem Problem, so konnte SPD-Minister Vogelsänger bei seiner Ökotour
vor Ort erfahren, knapsen auch die Biohöfe.
16 Aug 2019
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
Landwirtschaft
Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft
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