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# taz.de -- Umweltpolitik der Konservativen: Grün ist das neue Schwarz
> Mit Klimapolitik will die Union ihrem derzeit gefährlichsten Gegner, den
> Grünen, Wähler*innen abspenstig machen. Kann das klappen?
Bild: Plötzlich öko? Unionschefin Annegret Kramp-Karrenbauer
Berlin taz | Umwelt- und Klimaschutz waren bisher nicht gerade
Herzensthemen der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer. Als sie
Mitte Mai Journalisten der Welt am Sonntag baten, einen profilierten
Umweltpolitiker der CDU zu nennen („Tote und Rentner gelten nicht“), da
schob ihr ihre Pressesprecherin einen Zettel zu – sicherheitshalber.
Kramp-Karrenbauer fielen dann drei Namen ein, die aber einer breiteren
Öffentlichkeit völlig unbekannt sein dürften.
Die Union krebst in Umfragen zwischen 26 und 28 Prozent herum und schaut
ängstlich auf die starken Grünen, die längst in konservativen Milieus
wildern. Angesichts dieser Entwicklung arbeitet Kramp-Karrenbauer an der
Ergrünung der CDU, wie erfolgreich, bleibt abzuwarten. Am Wochenende
veröffentlichte sie – wieder in der Welt am Sonntag – einen Debattenbeitrag
mit engagiert klingenden Vorschlägen. Die CDU, so die Botschaft, kann auch
öko.
Kramp-Karrenbauer will zum Beispiel das Abgabe- und Steuersystem im
Energiesektor „grundlegend“ umbauen. Die CDUlerin will dem Staat aber nicht
mehr Einnahmen verschaffen, sondern die BürgerInnen durch bessere Steuerung
entlasten. „Wenn wir also das unstrukturiert gewachsene System reformieren,
den Ausstoß von Treibhausgasen zum Maßstab machen und im Verkehr und bei
Gebäuden einen CO2-Deckel einziehen, dann muss es auch Entlastung für
Bürger und Betriebe geben – zum Beispiel beim Strompreis über die
EEG-Umlage und die Stromsteuer.“
Energieeffizientes Wohnen will Kramp-Karrenbauer in Zukunft gezielter
fördern, zum Beispiel mit einer steuerlichen Sanierungsförderung und einer
Abwrackprämie für Ölheizungen. Aber was heißt das genau? Die Vorschläge
sind so wolkig formuliert, dass unklar bleibt, was in der Realität
passieren soll. Ein Konzept für eine CO2-Steuer liegt beispielsweise seit
Längerem vor, Kramp-Karrenbauer blieb bisher allerdings auf Distanz. Die
Abwrackprämie für Ölheizungen wird durch aktuelle CDU-Politik
konterkariert.
## Programmatisch blank
In der Vergangenheit agierte Kramp-Karrenbauer beim wichtigsten Thema des
21. Jahrhunderts unbeholfen. In einem Gastbeitrag in der Zeit, der im Juni
erschien, betonte sie zwar mit blumiger Sprache, wie notwendig die
„Bewahrung der Schöpfung“ sei – nannte aber kein einziges konkretes
Instrument. Die Jugendlichen, die bei Fridays for Future für die Einhaltung
der Pariser Klimaschutzziele demonstrieren, kritisierte Kramp-Karrenbauer
im März für Schulschwänzerei – und empfahl, den verpassten Unterrichtsstoff
nachzuholen. Die Versuche der Vorsitzenden, das Feld zu besetzen, können
nicht verdecken, wie blank die CDU programmatisch ist – die Zeiten eines
Klaus Töpfer sind lange vorbei.
Kramp-Karrenbauers taktisches Interesse ist offensichtlich: Klimaschutz ist
heutzutage ein wahlentscheidendes Thema. Wer keine Konzepte vorweisen kann,
verliert. Bei den Landtagswahlen 2018 in Hessen und Bayern liefen
scharenweise WählerInnen von CDU und CSU zu den Grünen über. Allein in
Bayern machten laut Infratest dimap 170.000 ehemalige CSU-Wähler ihr Kreuz
bei der Ökopartei. CSU-Chef Markus Söder hat folgerichtig die Grünen zum
Hauptfeind beim Kampf um die bürgerliche Mitte erklärt.
Der Bayer arbeitete im Sommer [1][konsequent an seinem grünen Image]. Er
forderte günstigere Bahnfahrkarten, ein Verbot von Plastiktüten, und er
will den Klimaschutz ins Grundgesetz schreiben. Sein Kabinett musste unter
grünen Platanen im Münchner Hofgarten beraten, Söder lehnte sich für die
Kameras an einen Baum. Die nüchterne Kramp-Karrenbauer ist sich für solch
barocke Schamlosigkeit zu schade, aber ihr Ziel ist das gleiche.
Auch sie plädiert nun wie Söder dafür, Nachhaltigkeit ins Grundgesetz zu
schreiben. Und sie wirbt – wie zuvor schon Kanzlerin Angela Merkel – für
„Klimaneutralität bis 2050“, was deutlich über die aktuell geplante
Reduzierung der Emissionen um 80 bis 95 Prozent hinausgeht. Damit steckt
sie ein höheres Ziel, als es die Grünen tun. Kramp-Karrebauers Ideen, so
vage sie auch sind, schaffen Anknüpfungspunkte und öffnen Räume für eine
mögliche schwarz-grüne Regierung.
## Besonderer Co-Autor
Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck begrüßte am Montag die Vorschläge,
blieb aber verhalten. Es gebe ein Sammelsurium an Einzelvorschlägen, aber
keine klare Strategie gegenüber den großen Herausforderungen der Gegenwart,
sagte Habeck. Er selbst erinnere sich aus seiner Zeit als
schleswig-holsteinischer Umweltminister noch daran, wie Fachminister
diskutiert hätten, die Subventionen für neue Ölheizungen zu streichen – wie
aber Kollegen anderer Parteien dies stets abgelehnt hätten.
Dennoch: „Die Gedankenübungen, die da veranstaltet werden, können wir nur
begrüßen.“ Reflexhaftes Beißen der Opposition sei fehl am Platze.
Ein Detail zeigt, dass Kramp-Karrenbauers Vorstoß mehr als heiße Luft ist.
Interessant ist, wer neben ihr als Co-Autor über dem Text steht (und
vermutlich mehr zum Text beigetragen hat als die Parteichefin selbst).
Andreas Jung ist einer der wenigen aus der Union, die Klimaschutz nicht als
notwendiges Übel betrachten, mit dem man sich jetzt mit Rücksicht auf die
Wähler eben auch irgendwie beschäftigen muss.
Der 44-jährige Bundestagsabgeordnete aus Baden-Württemberg saß viele Jahre
in den Beiräten des Bundesverbands Erneuerbare Energien und des Potsdamer
Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung. Er engagiert sich
seit vielen Jahren glaubwürdig für das Thema und wird auch in der
Umweltszene, die der Union sonst kritisch gegenübersteht, geschätzt. Einen
Erfolg kann Kramp-Karrenbauer also schon mal für sich verbuchen: Sie hat
einen fähigen Umweltpolitiker in der CDU aufgespürt.
13 Aug 2019
## LINKS
[1] /Soeders-Zukunftsentwurf/!5614358
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
Ulrich Schulte
## TAGS
Grüne
Klima
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