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# taz.de -- Deutschland und die Erderwärmung: Merkel verschärft das Klimaziel
> Die Bundeskanzlerin gibt ihren Widerstand gegen ein höheres EU-Klimaziel
> auf. Das aber heißt: Deutschland muss noch viel mehr reduzieren.
Bild: Zuletzt war Merkel wegen ihrer Blockade unter Klimaschützern verhasst. D…
Berlin taz | Zuhause in Deutschland sucht ihre Koalition gerade intensiv
nach Mitteln, Wegen und Finanzen, um das deutsche Klimaziel für 2030 zu
schaffen – nämlich eine Reduzierung um 55 Prozent gegenüber 1990. Zu Besuch
in den Niederlanden verschärfte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am
Donnerstag mal eben indirekt dieses Ziel. „Ich kann den Vorschlag von 55
Prozent gut mittragen“, sagte sie mit Bezug auf eine Erhöhung des EU-Ziels
bis 2030. Ein derart verschärftes europäisches Ziel bedeutet aber nach
Meinung vieler Experten: Deutschland muss noch deutlich mehr und schneller
den CO2-Ausstoß reduzieren als bislang geplant.
Vor dem Hintergrund des deutschen 55-Prozent-Ziels sagte Merkel: „Für uns
wäre ein ambitionierteres europäisches Niveau kein Problem.“ Man habe das
noch nicht „ausbuchstabiert“, wolle aber im Klimakabinett am 20.September
eine Lösung vorlegen. „Dann müssen wir horchen, was andere europäische
Länder bereit sind zu tun.“
Bislang hat sich die EU nur verpflichtet, bis 2030 ihre Emissionen um 40
Prozent zu senken. Das Pariser Abkommen zum Klimaschutz fordert aber nach
Meinung vieler EU-Staaten mehr: Mindestens minus 55 Prozent. Bisher hatte
sich Merkel immer gegen eine Erhöhung des EU-Ziels gesträubt. Denn
Deutschland erbringt als großes und reiches Land in der EU proportional
höhere Einsparungen als der Durchschnitt. Wenn das Gesamtzeil bei 55
Prozent liegt, muss Deutschland nach dieser Logik mehr als 55 Prozent
erreichen – es sei denn, der Verteilerschlüssel wird geändert.
Für diesen Schlüssel gebe es einen guten Grund, sagt Patrik Graichen,
Leiter des Thinktanks Agora Energiewende: „Die deutschen
Pro-Kopf-Emissionen sind deutlich höher als im EU-Durchschnitt. Und
Deutschland ist größter CO2-Emittent in der EU. Daraus folgt automatisch,
dass bei einem höheren EU-Klimaziel auch der deutsche Beitrag deutlich
ambitionierter sein muss.“
## Ein EU-Ziel von minus 55 Prozent wäre machbar
Bisher muss Deutschland minus 53 Prozent erreichen, um EU-weit die
Reduktion um 40 Prozent zu garantieren. Bleibt es bei dieser Logik, kommt
je nach Rechnung für 2030 ein deutsches Klimaziel von minus 68 bis minus 73
Prozent heraus. Bisher hat Deutschland eine Reduktion von etwa 30 Prozent
erreicht.
Ein EU-Ziel von minus 55 Prozent wäre machbar, meinen Experten. Denn durch
die verschäften EU-Regeln bei Effizienz, den stärkeren Zubau von
erneuerbaren Energien und weil manche Länder ihren Ausstieg aus der Kohle
vorziehen wollen, erreiche die EU ohnehin ein Minus von knapp 50 Prozent.
Diese Marke hat auch die neue Chefin der EU-Kommission Ursula von der
Leyen, eine enge Vertraute von Merkel, vor dem EU-Parlament als Mindestziel
versprochen. Sie will außerdem prüfen, ob ein EU-Ziel von 55 Prozent
erreichbar ist.
## Ministerin Schulze begrüßt Merkels Vorstoß
Offiziell gab es zu Merkels Vorstoß von der zuständigen Umweltministerin
Svenja Schulze (SPD) keinen Kommentar. Aus Kreisen des Ministeriums wurde
er aber begrüßt – das „zeige die Dringlichkeit beim Klimaschutz“, hieß…
Die Umsetzung müsse auf EU-Ebene besprochen werden.
„Mit dem Vorschlag wechselt die Bundeskanzlerin den Pfad – Weg von der
bisherigen Reduktion von nur 80 Prozent bis 2050, hin zu minus 95 Prozent“,
lobte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Kai Niebert
gegenüber der taz. Dabei hätten die Bundesministerien beim aktuellen Kampf
um das Klimaziel für 2030 erst Maßnahmen vorgelegt, die nur zur Hälfte
ausreichen.
Wolle die EU das neue Ziel von minus 55 Prozent erreichen, werde das
bedeuten, die jährliche Obergrenze für Zertifikate im Europäischen
Emissionshandel dreimal so schnell zu senken wie geplant. „Das würde die
CO2-Zertifikate so verteuern, dass der deutsche Kohleausstieg kurz nach
2030 käme“, so Niebert.
23 Aug 2019
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
CO2-Emissionen
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Klimawandel
Verkehrswende
SPD
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