| # taz.de -- CDU-Klimaexperte über Emissionshandel: „Viel Geld, wenig Klimasc… | |
| > Im Koalitionsstreit über einen CO2-Preis setzt CDU-Fraktionsvize Andreas | |
| > Jung jetzt auf einen Emissionshandel – mit Höchst- und Mindestpreis. | |
| Bild: Ist Klimaschutz für die Union nur Spielerei? Angela Merkel bei der Einwe… | |
| taz: Herr Jung, haben Sie sich in Ihrer Partei in den letzten Jahren | |
| eigentlich einsam gefühlt? Viele, die sich ernsthaft mit Klimaschutz | |
| beschäftigen, gab es da ja nicht. | |
| Andreas Jung: Es gibt mehr, als man denkt – auch wenn das in den letzten | |
| Jahren vielleicht nicht immer in der notwendigen Weise sichtbar geworden | |
| ist. Jetzt haben sich jedenfalls sehr viele klar zum Klimaschutz bekannt, | |
| sodass wir eine gute Grundlage dafür haben, die notwendigen Beschlüsse | |
| umzusetzen. | |
| Aber wenn es jetzt heißt, Klimaschutz sei schon immer ein Herzensanliegen | |
| der CDU gewesen – macht sich die Union da nicht lächerlich? | |
| Zwei Dinge dazu: Klimaschutz war für uns ein wichtiges Thema – denken Sie | |
| an die Bundeskanzlerin, die große Verdienste hat, etwa beim Pariser | |
| Abkommen. Aber wahr ist auch, dass in den letzten Jahren andere Themen im | |
| Mittelpunkt standen: die Wirtschaftskrise, die Eurokrise, die | |
| Flüchtlingsfrage. Da ist der Klimaschutz etwas in den Hintergrund geraten. | |
| Auch dadurch ist bei unseren Zielen eine Lücke entstanden, und die müssen | |
| wir jetzt schließen. | |
| Sie wollen diese Lücke ja durch Ihr Klimaschutzkonzept schließen. Was | |
| planen Sie? | |
| Wir stellen das Gesamtgebäude aus Steuern, Umlagen, Abgaben, Entgelten, die | |
| wir im Energiebereich haben, auf den Prüfstand, das sind 80 Milliarden Euro | |
| im Jahr. Viel Geld, aber zu wenig Klimaschutzwirkung. Wir brauchen nicht | |
| mehr Staatseinnahmen, wir brauchen mehr Anreize zu Innovation, Effizienz | |
| und Klimaschutz. Statt dass die EEG-Umlage etwa wie heute auch von denen | |
| bezahlt wird, die zu 100 Prozent Ökostrom beziehen, sollte sie von denen | |
| finanziert werden, die CO2 ausstoßen. Das wäre zudem eine Rückführung der | |
| künstlichen Verteuerung von Strom, den wir zunehmend auch für | |
| Elektromobilität und Wärme brauchen. | |
| Und im Verkehr? | |
| Dort sollten wir den Klimaschutzvorteil der Bahn gegenüber dem Flugzeug | |
| fiskalisch belohnen. Wir sollten die Mehrwertsteuer für die Bahn senken, | |
| und das muss dann eins zu eins beim Kunden ankommen. Gleichzeitig sollten | |
| wir die Ticketabgabe für Inlandsflüge erhöhen, um auch dort entsprechend | |
| den CO2-Ausstoß zu berücksichtigen. Beim Auto sollte die Kfz-Steuer | |
| umfassend auf den CO2-Ausstoß ausgerichtet werden. Und der Klimaschutz muss | |
| sich auch bei den Abgaben im Güterverkehr niederschlagen. Bisher verfehlen | |
| wir hier alle Ziele zur Verlagerung von der Straße auf die Schiene. | |
| Als zentrales Mittel dafür gilt ein Preis auf den CO2-Ausstoß auch im | |
| Verkehr und beim Heizen. Gestritten wird aber noch darüber, ob der über | |
| Steuern erhoben werden soll oder über einen zusätzlichen Emissionshandel. | |
| Haben Sie sich in dieser Frage schon festgelegt? | |
| Entschieden wird im September. Aber in der Union gibt es eine starke | |
| Tendenz zum Zertifikathandel, der ja auch von den Wirtschaftsweisen als | |
| verlässlichstes Klimaschutzinstrument angesehen wird. Er hat den Vorteil, | |
| dass man das Klimaziel genau formulieren und zielgenau ansteuern kann. | |
| Die Einführung würde aber deutlich länger dauern als die einer CO2-Steuer. | |
| Auf EU-Ebene würde es tatsächlich zu lange dauern. Deshalb denken wir an | |
| einen nationalen Emissionshandel für Verkehr und Gebäude. Und Zertifikate | |
| kaufen müssten nicht die Hausbesitzer oder Autofahrer, sondern die | |
| Raffinerien. Es gäbe etwa 120 Marktteilnehmer. So ein System kann in einem | |
| überschaubaren Zeitraum umgesetzt werden. Das ist die Voraussetzung, die | |
| der Emissionshandel erfüllen muss. | |
| Was heißt das konkret? | |
| Ich will mich jetzt nicht auf einen Monat festlegen. Aber ich sage, in | |
| einem Jahr kann man das umsetzen. Entscheidend ist der politische Wille. | |
| Das Öko-Institut geht [1][von zwei bis vier Jahren aus]. Wie kommen Sie auf | |
| Ihren Wert? | |
| Das bezieht sich offensichtlich auf ein völlig anderes System als das, | |
| worüber wir nachdenken. Da ist etwa die Rede von einem Überwachungs- und | |
| Abrechnungsregime von Tausenden von Unternehmern. Das ist ein ganz anderer | |
| Ansatz als die genannte Ausrichtung auf Raffinerien. Die Anzahl der | |
| Zertifikate richtet sich zudem nicht nach dem Bedarf der Marktteilnehmer, | |
| der dort thematisiert wird, sondern nach dem festgelegten CO2-Deckel. | |
| Ein Nachteil am Emissionshandel ist, dass Sie nicht wissen, wie viel Sie | |
| einnehmen und beispielsweise zur Senkung des Strompreises einsetzen können. | |
| Es stimmt: Bei der Steuer weiß ich nicht genau, ob ich die Klimaschutzziele | |
| erreiche, aber ich weiß, was es kostet. Beim Emissionshandel ist das | |
| umgekehrt. Die [2][Wirtschaftsweisen] haben deshalb einen Mindestpreis in | |
| die Diskussion gebracht, um die Lenkungswirkung sicherzustellen, und einen | |
| Höchstpreis, um unerwünschte Belastungen auszuschließen. | |
| Wo würden diese Ober- und die Untergrenze denn liegen? | |
| Aus meiner Sicht spricht einiges für ein Modell mit Mindest- und | |
| Höchstpreis. Aber wir haben uns darauf nicht festgelegt, sondern sind noch | |
| in der Diskussion. Deshalb kann ich schon gar nichts zu konkreten Grenzen | |
| sagen. | |
| Es fällt auf, dass die Union nur auf Anreize setzt, aber auf keinen Fall | |
| etwas vorgeschrieben oder verboten werden soll. Warum haben Sie damit – | |
| anders als beispielsweise im traditionellen Umweltrecht oder in der | |
| Innenpolitik – so ein Problem? | |
| Wenn wir ein weltweites Vorbild sein wollen, dann halte ich Effizienz, | |
| Innovation und Technologie für den Schlüssel. Aber wir werden auch in | |
| Zukunft marktwirtschaftliche Instrumente, Anreize und Ordnungsrecht | |
| kombinieren. Auch der Emissionshandel basiert ja auf einer | |
| ordnungsrechtlichen Grundentscheidung. Nicht im Sinne eines Verbots, aber | |
| durch einen gesetzlich vorgegebenen Rahmen. | |
| Aber statt eine Abwrackprämie für Ölheizungen einzuführen, wie Sie mit | |
| Annegret Kramp-Karrenbauer zusammen [3][vorgeschlagen haben], könnten Sie | |
| die ab einem gewissen Alter einfach verbieten. Das wäre wirksamer und | |
| billiger. | |
| Gerade im Gebäudebereich ist das eine sensible Frage, die die Menschen sehr | |
| umtreibt. Das Austauschtempo muss mindestens verdoppelt werden. Das wollen | |
| wir aber mit Förderung erreichen, nicht mit Zwang. Wir brauchen den Umbau, | |
| stellen dabei aber Anreize in den Mittelpunkt. Vor allem brauchen wir auch | |
| die steuerliche Sanierungsförderung. | |
| Solche Anreize sind teuer, und Vorschläge zur Gegenfinanzierung fehlen | |
| bisher. Wären Sie offen für den Vorschlag, für die „Grüne Null“ | |
| vorübergehend die Schwarze Null aufzugeben, also Klima-Investitionen durch | |
| neue – derzeit sogar zinsfreie – Schulden zu finanzieren? | |
| Die schwarze und die grüne Null gehören zusammen, weil beide Ausdruck von | |
| Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit sind. Deshalb würde ich es für | |
| falsch halten, das eine auf Kosten des anderen aufzugeben. | |
| 21 Aug 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Preis-fuer-CO2/!5616274 | |
| [2] /Wirtschaftsweise-fordern-CO2-Steuer/!5606714 | |
| [3] /Umweltpolitik-der-Konservativen/!5614748 | |
| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
| Bernhard Pötter | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Fridays For Future | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| CDU | |
| Bundesregierung | |
| Emissionshandel | |
| CO2-Steuer | |
| Strom | |
| Das Milliardenloch | |
| Schwerpunkt Fridays For Future | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Greta Thunberg | |
| Verkehr | |
| Emissionshandel | |
| CO2-Emissionen | |
| Emissionshandel | |
| Schwerpunkt Fridays For Future | |
| Schwerpunkt Fridays For Future | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| CO2-Steuer | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| EEG-Umlage steigt leicht an: Strom wird wieder teurer | |
| Die Ökostrom-Umlage steigt im nächsten Jahr an, auch die Netzentgelte | |
| nehmen wohl zu. Langfristig sollen die Preise aber sinken. | |
| Die Haushaltswoche im Bundestag: Ein neuer Haushalt und vier Hürden | |
| Das Füllhorn versiegt. Der Finanzminister dürfte in den kommenden Jahren | |
| Probleme bekommen, Einnahmen und Ausgabenwünsche in Einklang zu bringen. | |
| Scholz drängt auf Einigung: Groko hängt am Klima | |
| Vor der entscheidenden Sitzung erhöht der SPD-Vizekanzler den Druck. Ohne | |
| „großen Wurf“ beim Klimaschutz verliere die Koalition ihre Berechtigung. | |
| Debatte um CO2-Bepreisung: Nehmt ein anderes System | |
| Über die optimale CO2-Bepreisung soll am 20. September das Klimakabinett | |
| entscheiden. Nun raten ausgerechnet Emissionshandel-Experten zu einer | |
| Steuer. | |
| Klimaaktivismus in den USA: Der Greta-Effekt | |
| UmweltaktivistInnen sind in den USA eine kleine Minderheit. Doch Greta | |
| Thunberg gibt der US-Jugend das Gefühl, etwas bewegen zu können. | |
| Folgekosten des Verkehrs: Alle tragen die Kosten für Autos | |
| Jedes Verkehrsmittel verursacht versteckte Kosten. Von knapp 150 Milliarden | |
| Euro im Jahr in Deutschland entfallen 140 Milliarden auf Autos und Kfz. | |
| Ökologie und Bürokratie: Verbieten wird verboten | |
| Schluss mit Öko-Gesetzen, heute hat alles einen Preis. Richtig so: | |
| Demnächst gibt es noch Geld, wenn man an der roten Ampel hält oder nicht | |
| betrügt. | |
| Deutschland und die Erderwärmung: Merkel verschärft das Klimaziel | |
| Die Bundeskanzlerin gibt ihren Widerstand gegen ein höheres EU-Klimaziel | |
| auf. Das aber heißt: Deutschland muss noch viel mehr reduzieren. | |
| Preis für CO2: Langer Weg zum Emissionshandel | |
| Eine CO2-Steuer könnte schnell eingeführt werden. Ein neuer | |
| Zertifikatehandel bräuchte laut einer neuen Studie hingegen mehrere Jahre | |
| Vorlauf. | |
| Sofortkonzept für den Klimaschutz: Crashkurs zum Klimaziel | |
| Umweltverbände fordern einen CO2-Preis, einen schnellen Ausstieg aus der | |
| Kohleenergie und weniger umweltschädliche Subventionen. | |
| Bundesregierung uneins über CO2-Steuer: Klimarettung frühestens im Herbst | |
| Das Klimakabinett der Regierung kann sich nicht auf einen CO2-Preis | |
| einigen. Am 20. September soll es aber soweit sein. | |
| Preis für Kohlendioxidausstoß: Kompromiss-Vorschlag im CO2-Streit | |
| Der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums rät dazu, zwei | |
| Instrumente zum Klimaschutz zu kombinieren. | |
| Wirtschaftsweise fordern CO2-Steuer: Der Markt soll das Klima retten | |
| Wirtschaftsweise halten langfristig europaweiten Emissionshandel für besser | |
| als eine CO2-Steuer. Das könnte in der Koalition für Streit sorgen. |