# taz.de -- Sparen in Berlin: Bremse bei der Schuldenbremse | |
> Nach Kritik an der Berliner Schuldenbremse durch linke Politiker, | |
> Wissenschaftler und Gewerkschaftler rumort es jetzt auch wieder in SPD | |
> und Linken. | |
Bild: Die hohe Staatsverschuldung war einst der Grund für die Einführung der … | |
Das Schreckgespenst Schuldenbremse geht um. Kurz bevor es 2020 ernst wird – | |
ab dann dürfen die Bundesländer keine neuen Schulden mehr aufnehmen, um den | |
Haushalt auszugleichen –, muss in Berlin noch das landeseigene Gesetz zur | |
Schuldenbremse durchs Abgeordnetenhaus. Eine Woche bevor der Entwurf ins | |
Parlament kommt, hat nun eine Gruppe linker Politiker, Wissenschaftler und | |
Gewerkschafter eine scharfe Kritik an der Berliner Lösung verfasst und die | |
Fraktionen des Abgeordnetenhauses aufgerufen, dieser Fassung nicht | |
zuzustimmen. Zu Unrecht, heißt es nicht nur aus dem Haus von Finanzsenator | |
Matthias Kollatz (SPD). | |
Das haushaltspolitische Instrument der Schuldenbremse wurde mit Beschluss | |
von 2009 im Grundgesetz verankert – in einer Zeit, in der sich Deutschland | |
dem Rekordhoch der Staatsverschuldung mit über 80 Prozent des | |
Bruttoinlandsprodukts näherte und damit die Vorgaben der EU weit | |
überschritt. Damit sollten die Möglichkeiten der Kreditaufnahme sowohl für | |
den Bund als auch für die Länder massiv eingeschränkt werden. Die Länder | |
sind angehalten, die Schuldenbremse auch landesrechtlich zu regeln, bevor | |
für sie die Regeln am 1. Januar 2020 in Kraft treten, und haben dabei einen | |
gewissen Spielraum. Berlin bastelt als eines der letzten Länder an einer | |
Lösung. | |
Im Juni hatte der rot-rot-grüne Senat nach langen Diskussionen einen | |
Gesetzentwurf zur Verankerung der Schuldenbremse im Landesrecht | |
verabschiedet. [1][Insbesondere Grünen und Linken waren die Vorstellungen | |
von Finanzsenator Kollatz zunächst viel zu restriktiv.] „Der Finanzsenator | |
wollte den Bund rechts überholen“, sagt etwa Daniel Wesener, | |
parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. | |
## Kein Geld mehr für BVG und Freibäder? | |
Doch auch die Version, der schließlich neben der SPD auch die linken und | |
grünen SenatorInnen zustimmten, steht nun in der Kritik. [2][Der in dieser | |
Woche veröffentlichte Aufruf] unter dem Titel „Berliner Schuldenbremse darf | |
nicht zur Investitionsbremse werden!“ wurde unterzeichnet von insgesamt | |
sechs Gewerkschaftsfunktionären, Volkswirtschaftsprofessoren, Finanz- und | |
Wirtschaftspolitikern. Ein Name sticht dabei heraus: Harald Wolf, bis 2011 | |
Berliner Wirtschaftssenator, Mitglied im Abgeordnetenhaus und seit Juni | |
2018 Bundesschatzmeister der Linken. | |
Der Aufruf bezieht sich neben einer grundsätzlichen Kritik an der | |
Schuldenbremse insbesondere auf die Tatsache, dass in Berlin nach dem | |
vorliegenden Gesetzentwurf nicht nur der Kernhaushalt als eigentlicher | |
Landeshaushalt, sondern quasi ohne Not auch die Extrahaushalte in die | |
Schuldenbremse einbezogen werden sollen. Die Extrahaushalte umfassen | |
diejenigen landeseigenen Unternehmen und Körperschaften, die überwiegend | |
vom Landeshaushalt finanziert werden. Damit würden, so der Aufruf, wichtige | |
Investitionen blockiert – etwa bei den Bäderbetrieben oder Universitäten, | |
womöglich auch bei der BVG, bei der immer wieder Milliardeninvestitionen in | |
die Fahrzeugflotte nötig sind, die ohne Kredite nicht zu stemmen sind. Der | |
Senatsentwurf der Landesschuldenbremse werde daher zu unzureichenden | |
Investitionen und einem Qualitätsverlust der öffentlichen Daseinsvorsorge | |
führen. | |
Tatsächlich ist man offenbar auch bei der Berliner Linken noch nicht ganz | |
fertig mit dem von den eigenen SenatorInnen mit beschlossenen Entwurf. Die | |
Linke will im Abgeordnetenhaus noch einmal deutlich ihre Einwände gegen die | |
Einbeziehung der Extrahaushalte vorbringen. „Die großen Landesunternehmen | |
wie die Wasserbetriebe, BSR und Wohnungsunternehmen sind ja ohnehin | |
ausgenommen“, sagt Steffen Zillich, haushaltspolitischer Sprecher der | |
Fraktion im Abgeordnetenhaus. „Dass dies auch für die BVG gilt, muss in | |
jedem Fall gesichert werden.“ Zwar zählen alle Unternehmen, die am Markt | |
mindestens 50 Prozent ihrer Einnahmen erwirtschaften, nicht zu den | |
Extrahaushalten und blieben somit weiter kreditfähig. Vor allem nach | |
EU-Kriterien ist aber seit Längerem umstritten, ob die BVG als | |
Quasimonopolist gar nicht marktorientiert agiert. | |
## Kritik auch aus der SPD | |
Auch die Sozialdemokraten stehen offenbar nicht geschlossen hinter dem | |
Senatsentwurf: „Wir sind nicht gut beraten, die Schuldenbremse auch auf die | |
Landesbeteiligungen anzuwenden“, sagt etwa Jörg Stroedter, Sprecher für | |
Landesbeteiligungen der SPD im Abgeordnetenhaus. Er schließt nicht aus, | |
dass sich die SPD in der Frage noch einmal bewegen wird. Die Berliner | |
SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe sagt: „Ich verstehe nicht, warum | |
man in Berlin strengere Zügel als auf Bundesebene anlegen will. Es wäre | |
richtig, die Extrahaushalte außen vor zu lassen.“ Alle drei Parteien, die | |
den Senatsbeschluss getragen haben, müssten sich jetzt bewegen, so | |
Kiziltepe. | |
Grünen-Geschäftsführer Daniel Wesener, entschiedener Gegner der | |
Schuldenbremse als solche, zeigte sich verwundert über die Kritik und | |
sprach von einer der flexibelsten und am wenigsten restriktiven Lösungen, | |
die man im Senat verhandelt habe. Im „Konsolidierungsland“ Berlin sei es | |
ohnehin so, dass landeseigene Unternehmen, die überwiegend am Tropf des | |
Landeshaushaltes hingen, nicht kreditfähig seien. Dabei bleibe auch mit der | |
neuen gesetzlichen Regelung ein Spielraum, welche Unternehmen zu den | |
Extrahaushalten und welche als marktorientiert gelten – etwa durch Erhöhung | |
der Eigenkapitalquote oder der Einnahmen am Markt. Und in Sachen BVG sagt | |
Wesener: „Das Damoklesschwert Brüssel haben wir immer.“ Die Kritik gehöre | |
insgesamt in die Richtung des Bundes und der EU, „statt uns hier schlechtes | |
Handwerk vorzuwerfen“, so Wesener. | |
Am 15. August steht der Gesetzentwurf zur Berliner Schuldenbremse auf der | |
Tagesordnung im Abgeordnetenhaus und wird dann im Hauptausschuss beraten, | |
der eine Beschlussempfehlung an das Parlament geben wird. | |
8 Aug 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Verschaerfte-Schuldenbremse-in-Berlin/!5587550/ | |
[2] /Linke-Oekonomen-gegen-Senat/!5611088/ | |
## AUTOREN | |
Manuela Heim | |
Martin Reeh | |
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