# taz.de -- Sachverständiger zur Schuldenbremse: „Investitionen werden schwi… | |
> Das Berliner Abgeordnetenhaus debattiert am Donnerstag über die von | |
> Rot-Rot-Grün beschlossene Schuldenbremse. Achim Truger sieht sie | |
> kritisch. | |
Bild: Die Finanzierung der BVG könnte durch die Schuldenbremse schwierig werden | |
taz: Herr Truger, bundesweit debattieren Ökonomen gerade, ob Sie die | |
Schuldenbremse lieber Investitionsbremse nennen sollen. Würden Sie das auch | |
tun? | |
Achim Truger: Die Debatte kreist häufig darum, ob die Schuldenbremse | |
negativ auf die Investitionen gewirkt hat. Das ist die falsche Frage: Wegen | |
der guten Finanzlage musste die Schuldenbremse bislang kaum greifen. Was | |
passiert aber, wenn Konjunktur und Einnahmen abstürzen? Dann muss man | |
befürchten, dass bei Investitionen zuerst gekürzt wird, weil das am | |
schnellsten geht. Zudem ist die Frage, ob innerhalb der Schuldenbremse der | |
nötige massive Anstieg der Investitionen bewältigt werden kann. | |
In Berlin hat im Juni der Senat die landeseigene Umsetzung der | |
Schuldenbremse beschlossen. [1][Ökonomen werfen dem Senat nun vor], dass er | |
auch die landeseigenen Unternehmen einbeziehen will, obwohl er dies gemäß | |
den Bundesvorgaben gar nicht tun müsste. Teilen Sie deren Vorwürfe? | |
Zunächst sollte man schon sagen, dass er in den vergangenen Jahren nicht | |
einseitig auf Schuldenabbau gesetzt hat, sondern angesichts der wachsenden | |
Stadt in vielen Bereichen wieder kräftig investiert. Und es ist sinnvoll, | |
dass der Senat die Schuldenbremse nicht in die Landesverfassung geschrieben | |
hat, sodass er bei einer anderen Lage auf Bundesebene die Schuldenbremse | |
auch in Berlin einfacher rückgängig machen kann. | |
Aber? | |
Ein kritischer Punkt ist in der Tat, dass die Schuldenbremse die Spielräume | |
für Investitionen unnötig einschränkt, weil die Extrahaushalte in die | |
Schuldenbremse einbezogen werden. Das finde ich für einen rot-rot-grünen | |
Senat erstaunlich. | |
Ist das bundesweit üblich? | |
Es gibt einige Länder, die das machen, andere nicht. Vor allem für einen | |
Stadtstaat wie Berlin kann sich das restriktiv auf Investitionen auswirken, | |
weil hier viel über staatliche Beteiligungen an Unternehmen der | |
Daseinsvorsorge und Extrahaushalte finanziert wird. | |
Wo genau werden die Probleme entstehen? | |
Bei den Berliner Verkehrsbetrieben, der BVG, sehe ich ein relevantes | |
Risiko, weil es davon abhängt, ob sie von Eurostat dem Staatssektor | |
zugeordnet werden oder nicht. Und weil das Amt häufiger seine Definitionen | |
verschärft, kann das zum Problem werden. Da kommt es auf den | |
Eigenfinanzierungsgrad an. Wenn man Pläne verfolgt, den ÖPNV zu verbilligen | |
und dafür Zuschüsse zahlen will, könnte die BVG als Extrahaushalt gelten – | |
und fiele dann unter die Schuldenbremse. | |
Das heißt, niedrigere Fahrpreise sind mit Schuldenbremse nicht drin? | |
Das könnte eng werden. | |
Welche Probleme sehen Sie noch? | |
Wenn die Extrahaushalte in der Schuldenbremse drin sind, nimmt man sich die | |
Möglichkeit, über sehr zinsgünstige Kredite Investitionen zu finanzieren. | |
Dann ist man auf Umgehungen angewiesen. Öffentliche Gesellschaften müssen | |
dazu privatrechtlich organisiert sein, etwa als GmbH. Dafür sind die Zinsen | |
höher, es wird deutlich teurer. | |
Berlin hat eine lange Geschichte mit hohen Schulden seit den 90er Jahren, | |
auch weil bei Finanzierung von Immobilien über die Bankgesellschaft Berlin | |
viel Geld verschleudert wurde. Ist es nicht verständlich, dass sich die | |
Landesregierung dagegen wappnen will, wieder eine Ausgabenorgie zu | |
bekommen, die als dauerhafte Belastung bleibt? | |
Es geht um Investitionen in die Zukunft, die eine hohe gesellschaftliche | |
Rendite abwerfen und zu Niedrigstzinsen finanziert werden können. Wenn man | |
sich vor Missbrauch schützen möchte, muss man eben eine Auflage | |
beschließen, dass in den Extrahaushalten nur Investitionskredite von der | |
Schuldenbremse ausgenommen sind. | |
Es gibt gerade eine bundesweite Debatte unter Ökonomen über die | |
Schuldenbremse. Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft | |
argumentiert dagegen, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, und | |
Sie ja auch. Warum schlägt diese Debatte nicht auf die Politik durch? | |
Die Schuldenaversion ist in Deutschland sehr verwurzelt. Außerdem steht die | |
Schuldenbremse im Grundgesetz. Jetzt zu sagen: Wir korrigieren mal eben die | |
Verfassung, ist ein großer Schritt. Umso wichtiger ist es meiner Ansicht | |
nach, die Spielräume auszuschöpfen. Und das macht Berlin gerade nicht. | |
14 Aug 2019 | |
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## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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