# taz.de -- Streit über gekippte Pkw-Maut: Im Mautstau | |
> Verkehrsminister Scheuer lässt sich mit Aktenbergen aus dem | |
> Pkw-Maut-Desaster ablichten. Die wichtigsten Informationen bunkert er | |
> immer noch. | |
Bild: Andreas Scheuer präsentiert ordnerweise Akten bei der Sondersitzung des … | |
Auf einen zweistöckigen weißen Rolltisch hat Bundesverkehrsminister Andreas | |
Scheuer (CSU) Akten stapeln lassen. Das sind die entscheidenden Requisiten | |
für das Filmchen, das er vor der [1][Sondersitzung des Verkehrsausschusses | |
zum Mautdesaster] auf den Fluren des Bundesverkehrsministeriums am Mittwoch | |
drehen lässt. „Ich stelle maximal mögliche Transparenz her“, sagt der | |
Minister in weißem Hemd und ohne Krawatte. „Das ist die Vorbereitung für | |
den Verkehrsausschuss“, sagt er in die Kamera. | |
Noch vor Kurzem geizte Scheuer mit den entscheidenden Details der Verträge | |
für die gescheiterte Ausländermaut. Das hat sich nicht wirklich geändert, | |
aber es sieht jetzt zumindest anders aus. So gewinnt er Zeit – und hat gute | |
Karten, das von ihm angerichtete Desaster als Minister zu überstehen. | |
Scheuer steht unter Druck, [2][seit der Europäische Gerichtshof im Juni] | |
die von der CSU durchgesetzte „Infrastrukturabgabe“ gekippt hat. Denn die | |
sollte faktisch nur für AusländerInnen gelten – und das verstößt gegen | |
europäisches Recht. Scheuer wartete das Urteil jedoch nicht ab. Schon vor | |
dem Spruch des Europäischen Gerichtshofs schloss er Verträge mit zwei | |
Firmen, die die Maut organisieren sollten. „Er ist bewusst in dieses enorme | |
Risiko gegangen“, sagt der grüne Vize-Fraktionsvorsitzende Oliver Krischer. | |
54 Millionen Euro sind bei dem Debakel bereits an Gutachter- und | |
Beraterkosten aufgelaufen. Gravierender: In den Verträgen hat das | |
Bundesverkehrsministerium den Firmen eine Entschädigung zugesagt für den | |
Fall, dass das Projekt nicht zustande kommt. Wie hoch sie sein wird, ist | |
unklar. In den veröffentlichten Dokumenten ist die Rede von einer Summe in | |
Höhe des „Bruttounternehmenswerts“ – was das ist, ist nicht genau | |
definiert. Krischer geht davon aus, dass der Schaden bei bis zu zwei | |
Milliarden Euro liegen kann. | |
Scheuer nennt Zahlen über die Entschädigung „Spekulation“ und nennt selbst | |
keine. Dabei müsste er eine Vorstellung davon haben, in welchem Rahmen sich | |
die mögliche Kompensation für die Betreiberfirmen bewegen kann. Zwei | |
Milliarden Euro für nichts in den Sand zu setzen, das kann sich auch ein | |
Hallodri wie Scheuer nicht leisten. Das ist sogar ihm klar. | |
## Hätte, hätte, Fahrradkette | |
Zur Sondersitzung des Verkehrsausschuss bringt Scheuer den Aktenberg aus | |
seinem Ministerium mit, auf einem größerem Rollwagen als im Filmchen. | |
Demonstrativ hält er Akten vor die Kameras. Dabei enthalten auch diese | |
Unterlagen nicht alle wichtigen Informationen, sondern nur ausgewählte | |
Dokumente. „Die Regierung entscheidet, was das Parlament wissen darf“, | |
kritisiert Krischer. | |
Scheuer, jetzt mit lila-schwarz gepunkteter Krawatte und dunklem Jackett, | |
spricht etwa eine Stunde. [3][Er findet, dass er alles richtig gemacht | |
hat.] Schließlich haben Bundestag, Bundesregierung und sogar der | |
Bundespräsident mit seiner Unterschrift unter das entsprechende Gesetz der | |
Ausländermaut zugestimmt, sagt er. Seine Verteidigungslinie hat eine Menge | |
Konjunktive: Wenn er nicht rechtzeitig Vorbereitungen für die Maut | |
eingeleitet hätte, wäre, wenn das Urteil anders ausgegangen wäre, die | |
Empörung jetzt groß. Denn dann wären dem Staat Millionen entgangen. | |
Zu zentralen Fragen, etwa wie es zu der Entschädigungsregel kam, erhalten | |
die Abgeordneten keine zufriedenstellende Antwort. „Verstörend“ findet der | |
linke Bundestagsabgeordnete Jörg Cezanne den Auftritt. Es bleibe weiterhin | |
unklar, warum der Minister die Verträge ohne Not schon im Jahr 2018 | |
geschlossen habe. Die Abgeordneten sind erst einmal damit beschäftigt, 21 | |
Ordner durchzuarbeiten. Erst danach, wahrscheinlich im September, soll die | |
Entscheidung fallen, ob ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird. | |
Scheuers Mautkrise wird wohl einen neuen Höhepunkt erreichen, wenn die | |
Betreiberfirmen erklären, welche Entschädigung sie fordern. Aber auch dann | |
wird Scheuer auf Zeit spielen können. Denn die Sache wird erst einmal vor | |
ein Schiedsgericht gehen. Wie lange so etwa dauern kann, zeigt die | |
Lkw-Maut. Der Streit zwischen der Bundesregierung und dem Betreiber Toll | |
Collect wegen des verzögerten Starts dauerte 13 Jahre. | |
25 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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