# taz.de -- Mautgegner in Norwegen: Aus die Maut contra rauf die Maut | |
> Bei der Kommunalwahl in Norwegen haben Gegner stetig steigender | |
> Mautgebühren die Nase vorn. Doch auch die Grünen könnten kräftig | |
> gewinnen. | |
Bild: Sonnenuntergang hinter der Sommaroy-Brücke: Fast alle Brücken in Norweg… | |
STOCKHOLM taz | „Das Instrument der Mautfinanzierung hat jeden vernünftigen | |
Rahmen gesprengt“, meint Knut Inge Andersen: „Deswegen brauchen wir jetzt | |
erst mal einen Totalstopp.“ In Norwegen finden am Montag Kommunal- und | |
Regionalwahlen statt, und Andersen ist Spitzenkandidat der Folkeaksjonen | |
nei til mer bompenger (FNB) – Volksaktion gegen mehr Mautgebühren – in der | |
westnorwegischen Region Vestland. Die FNB ist eine 2014 gegründete Partei, | |
deren Umfragewerte zuletzt nach oben geschossen sind. In manchen Städten | |
werden ihr bis zu 15 Prozent vorausgesagt. Sie profitiert von wachsendem | |
Unmut über hohe Mautgebühren. | |
[1][Mautkosten haben sich in Norwegen] zu einem hohen Kostenfaktor für die | |
meisten AutofahrerInnen entwickelt. Das Land war in Europa Vorreiter der | |
ersten Mautzonen für ganze Innenstädte: Bergen bekam seine Mautzone 1986, | |
Oslo 1990, Trondheim 1991. Diese Zonen hatten den gewünschten Effekt: | |
Verminderung des individuellen Autoverkehrs zugunsten des | |
Kollektivverkehrs, dessen weiterer Ausbau aus den Mauteinnahmen finanziert | |
wird. Über gänzliche Befreiung oder jedenfalls Rabatte wurde das Mautsystem | |
später auch ein [2][wichtiger Anreiz, die Anschaffung von E-Autos] | |
attraktiver zu machen. | |
Ebenso wie schon im Mittelalter das „Pflastergeld“ dienten Mauteinnahmen in | |
den vergangenen zwei Jahrzehnten aber auch mehr und mehr zur | |
Mitfinanzierung von Neubauprojekten. Mittlerweile gibt es kaum ein neues | |
Straßen- oder Brückenprojekt, das nicht mautpflichtig ist. Bis zu 40 | |
Prozent der Baukosten können über Mauteinnahmen finanziert werden. „Es gibt | |
Grenzen, wo das unsozial wird“, monierte der Gewerkschaftsdachverband | |
Fellesforbundet. „Die Bezahlung durch die Nutzer ist prinzipiell zu | |
begrüßen, aber die aktuelle Politik geht zu weit“, hieß es in einer | |
Resolution, die stattdessen wieder mehr Finanzierung über den | |
Staatshaushalt fordert. | |
Gehe es denn wirklich in Ordnung, wenn der billig oder gar gratis | |
davonkomme, der sich einen teuren Tesla leisten könne, während ein | |
Clio-Fahrer kräftig blechen müsse, fragt auch Arild Vatn, Professor für | |
ökologische Ökonomie. Man müsse versuchen, die Menschen von der notwendigen | |
Umstellung zu überzeugen, aber die jetzige Politik habe dazu geführt, dass | |
eine Mehrheit der NorwegerInnen gegen höhere Kosten für das Autofahren sei. | |
## Erfolg aufkosten der Rechtspopulisten | |
Der plötzliche Aufschwung für die Mautgegner der FNB ging vor allem | |
zulasten der rechtspopulistischen „Fortschrittspartei“ (Frp), deren | |
Umfragewerte sich teilweise halbierten. Die Frp gehört mit zur | |
Regierungskoalition der konservativen Ministerpräsidentin Erna Solberg und | |
zwang diese Ende August schnell noch zu einer teilweisen Kursänderung bei | |
der bisherigen Infrastrukturpolitik: Die Regierung versprach für die | |
nächsten Jahre eilig 4 Milliarden Kronen aus der Staatskasse, um bei den | |
meisten Mautprojekten die Gebühren senken und bei einigen ganz streichen zu | |
können. | |
„Umweltfeindlich“ und „Verrat an künftigen Generationen“ kommentiert d… | |
Linkssozialisten-Vorsitzende Audun Lysbakken. Es gibt auch eine | |
Gegenbewegung. Unter dem Motto „Straßenmaut, ja bitte“ meldete sich in | |
mehreren Städten die „Klimaaktion der Großeltern“ und der | |
Naturschutzverband zu Wort. | |
## Auch Grüne erfolgreich | |
Die Hauptstadt Oslo, die von einer rot-rot-grünen Koalition regiert wird, | |
wolle keine Steuergelder, um die Maut zu senken, teilte Lan Marie Berg, die | |
der grünen MDG angehörende Stadtdirektorin für Umwelt, mit: „Das ist die | |
falsche Medizin. Wir wollen die Maut erhöhen, um die Preise für den | |
Kollektivverkehr zu senken.“ | |
Und die MDG punktet mit ihrer offensiven Klimapolitik nicht nur in Oslo, wo | |
ihr eine am Mittwoch veröffentliche Umfrage ein Resultat von über 20 | |
Prozent und damit die Stellung als größte Partei noch vor den | |
Sozialdemokraten vorhersagt. Auch für das übrige Land erwarten die | |
Vorwahlanalysen einen Durchbruch für die Grünen, die bei der Parlamentswahl | |
2017 gerade mal auf 3,2 Prozent gekommen waren. | |
9 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.autopass.no/de/uber-autopass/maut-in-norwegen | |
[2] /E-Autos-in-Norwegen/!5582133 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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