# taz.de -- Rocket Internet investiert in Immobilien: Samwer-Brüder in Shoppin… | |
> Ein erster Kauf scheiterte, doch Rocket Internet will viel Geld in den | |
> Immobilienmarkt investierten. Mieter in Häusern der Samwers klagen. | |
Bild: Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer auf der Hauptversammlung 2018 | |
BERLIN taz | Mitte vergangener Woche vor dem Rocket-Tower in der | |
Rudi-Dutschke-Straße: Etwa 50 Aktivisten haben sich mit Transparenten und | |
Schildern vorm Eingang des Hochhauses postiert, das einst der städtischen | |
Wohnungsbaugesellschaft GSW gehörte und in dem mittlerweile das | |
Internet-Beteiligungsunternehmen [1][Rocket Internet] der Samwer-Brüder | |
residiert. Die Demonstranten sind überwiegend MieterInnen aus der | |
Kreuzberger Urbanstraße 67. | |
Zwei Monate zuvor hatte eine Tochterfirma von Rocket die beiden Wohnhäuser | |
und das Fabrikgebäude im Hinterhof erworben. Wie so oft derzeit waren | |
MieterInnen auf die Barrikaden gegangen. In einer mustergültigen Kampagne – | |
in türkisfarbenen Corporate Design – hatten sie gefordert: „Urban 67 | |
bleibt!“ | |
An jenem Nachmittag vor dem Firmentower haben sie den Kampf gegen das | |
Milliardenunternehmen gewonnen. Der Bezirk hat sein [2][Vorkaufsrecht] | |
ausgeübt. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag und eine eigens | |
gegründete Genossenschaft steigen in den Vertrag ein und bringen dafür, | |
unterstützt von den Senatsverwaltungen für Finanzen und Wirtschaft, gut 11 | |
Millionen Euro auf. „Ich bin Kreuzberg, du Rakete“, steht auf einem Plakat. | |
Beim Gruppenfoto am Ende reckt [3][Bezirksbaustadtrat Florian Schmidt] | |
(Grüne), der selbst bezeichnete „Aktivist im Amt“, die Faust in die Höhe. | |
Doch auch er weiß um die Gefahr, die von der Unternehmensgruppe ausgeht, | |
die nach Anlagemöglichkeiten für ihr Kapital sucht. Der taz sagt er: „In | |
den Gesprächen mit den Vertretern der Käufer habe ich darauf hingewiesen, | |
dass ich mir in Friedrichshain-Kreuzberg keine Investments von Rocket | |
Internet in Bestandsimmobilien wünsche.“ Auf der Kundgebung hatte er die | |
Hoffnung formuliert, derartigen Investments „ein Stoppschild | |
entgegengestellt“ zu haben. | |
## Neue Strategie auf der Aktionärsversammlung | |
Anfang Juni hatten drei MieterInnen der Urbanstraße 67 an selber Stelle die | |
Aktionärsversammlung von Rocket Internet besucht. „Wir wollen an die | |
Verantwortung der Samwer-Brüder und der Aktionäre appellieren“, sagt Malina | |
Peekhaus, die damals in einer Rede die Sorgen der Mieterschaft vor | |
Verdrängung beschrieb. Doch am Ende des Tages hatte Rocket Internet seinen | |
in der Satzung verankerten Geschäftszweck auf den Bereich Immobilien | |
ausgeweitet – und damit nachträglich den zuvor erfolgten Kauf der | |
Urbanstraße gerechtfertigt. | |
Chef der neuen Abteilung ist Timo Klein, der im Rocket-Universum zuvor für | |
Technologie und Social Media zuständig war. Er ist zusammen mit Arnt | |
Jeschke aus dem „Rocket Ledership Team“ Geschäftsführer der neuen | |
Immobilien-Gesellschaften GRC Germany I und II. | |
Eine taz-Anfrage zu den Immobilien-Plänen ließ das 2007 von den Brüdern | |
Marc, Oliver und Alexander Samwer gegründete Unternehmen unbeantwortet. Ihr | |
Geschäftsmodell bislang: Das Hochziehen von Start-ups, oftmals Klons von | |
US-amerikanischen Internetfirmen, und profitabler Weiterverkauf. Mit | |
Zalando hat Rocket den größten deutschen Onlinehändler etabliert; zuletzt | |
wurden die Essenslieferdienste Hello Fresh und Delivery Hero an die Börse | |
gebracht. | |
## Keine Ideen, viel Kapital | |
Dennoch läuft es nicht rund bei Rocket. Noch immer ist man nicht in der | |
Gewinnzone, der Aktienkurs dümpelt seit Jahren dahin, aktuell gibt es | |
Überlegungen, das Firmenkonstrukt von der Börse zu nehmen. Neue | |
Firmenbeteiligungen, gar eigene Ideen für neue Internetunternehmen wurden | |
immer rarer. | |
Stattdessen häuft sich aus den Börsengängen und dem Verkauf zahlreicher | |
Beteiligungen immer mehr liquides Kapital an. Firmenchef Oliver Samwer, der | |
mittlere Bruder, sagte auf der Jahreshauptversammlung: „Unser Modell hat so | |
gut funktioniert, dass wir im Augenblick mehr Kapital als Ideen haben.“ 3 | |
Milliarden Euro warten darauf, gewinnbringend investiert zu werden. | |
In Ermangelung profitabler Anlagemöglichkeiten hat Rocket Internet nun den | |
Immobiliensektor für sich entdeckt. Privat haben die Samwer-Brüder ihr | |
Vermögen, das jeweils auf etwa eine Milliarde Euro geschätzt wird, schon | |
länger in Immobilien gesteckt. Das Tempelhofer Ullsteinhaus gilt als ihr | |
erster großer Deal, es folgten die Uferhallen im Wedding, das Bayerhaus am | |
Kurfürstendamm und die Übernahme des Privatclubs in der Skalitzer Straße. | |
Alexander, der jüngste der Brüder, investiert derweil mit seiner Firma | |
Picus Capital in PropTech-Start-ups, also Firmen im Bereich der | |
technologischen Neuentwicklung in der Immobilienbranche. Dazu zählen | |
Start-ups, die online den Kauf und Verkauf von Häusern abwickeln oder | |
Immobilienmakler mit Eigentümern in Verbindung bringen. | |
## Mieterunfreundliche Politik | |
Der taz liegt ein Grundbuchauszug vor, aus dem hervorgeht, dass Marc und | |
Oliver Samwer 2018 ein Wohnhaus in der Wöhlertstraße 18 in Mitte gekauft | |
haben. Auch in der Stuttgarter Straße in Neukölln, der Hochkirchstraße in | |
Schöneberg sowie in zwei Häusern in der Tucholskystraße in Mitte sollen sie | |
sich eingekauft haben. Der Großteil dieser Geschäfte läuft unter dem Dach | |
der Samwer-eigenen Augustus-Gesellschaften. | |
Eine Tochterfirma, die Verus GmbH, hat vor drei Jahren Anteile an einem | |
[4][aus 14 Häusern bestehenden Block im Reuterkiez] übernommen und diese | |
Ende 2018 aufgestockt. Die Mieter wurden über die Eigentümerwechsel nicht | |
informiert, spüren aber die Auswirkungen: Es gab Mieterhöhungen, der | |
Innenhof soll bebaut werden, und Wohnungen, die bislang 5,50 Euro pro | |
Quadratmeter gekostet haben, werden nun für 15 Euro angeboten. | |
„Mieterunfreundlicher geht es nicht mehr“, heißt es von MieterInnen des | |
Hauses. | |
Für Hausgemeinschaften, die demnächst womöglich von Rocket Internet gekauft | |
werden, verheißt das nichts Gutes. | |
10 Jul 2019 | |
## LINKS | |
[1] /!t5017384/ | |
[2] /!t5430677/ | |
[3] /!t5302115/ | |
[4] /Gentrifizierung-in-Berlin-Neukoelln/!5310664/ | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
## TAGS | |
Rocket Internet | |
Samwer | |
Immobilienspekulation | |
Florian Schmidt | |
Vorkaufsrecht | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Verdi | |
Im Haifischbecken | |
Im Haifischbecken | |
Im Haifischbecken | |
Online-Shopping | |
Verdrängung | |
Wedding | |
Mietenprotest | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rocket Internet kündigte trotz Corona: Merkste selbst, ne! | |
Gekündigt während der Pandemie: Erst nachdem Mieter:innen auf sozialen | |
Netzwerken für Empörung sorgten, nahm Rocket Internet Kündigungen zurück. | |
Leistungskontrollen bei Onlinehändler: Zalando überwacht Beschäftigte | |
Mit einer Software sollen Angestellte des Internetunternehmens sich | |
gegenseitig bewerten. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert das scharf. | |
Mietenwahnsinn in der Tucholskystraße: Angst vor der Vertreibung | |
Protestfrühstück in der Tucholskystraße: Das vor 30 Jahren besetzte, | |
unsanierte Haus Nummer 30 in Berlin-Mitte ist Teil der Protestgeschichte. | |
Im Haifischbecken: Stress nach 30 Jahren | |
Als „lebendiges Denkmal“ hat ein ex-besetztes Haus in Mitte überlebt. Jetzt | |
aber machen die Samwer-Brüder Druck. | |
Ausstellung in den Uferhallen: Kunst gegen Internetraketen | |
In den Weddinger Uferhallen findet mit „Eigenbedarf“ die letzte Werkschau | |
der ansässigen KünstlerInnen statt. | |
Im Haifischbecken: Großer Fisch will Spielplatz retten | |
Ein Investor will einen Spielplatz in Pankow abreißen, obwohl es sowieso zu | |
wenig Spielraum gibt. Dagegen wehrt sich der Bezirk vor Gericht. | |
Telefonnummern im Onlinehandel: Chatbot statt Warteschleife | |
Händler müssen im Netz keine Telefonnummer für den Kundenkontakt angeben. | |
Aber: Mit seinem Urteil stellt das europäische Gericht andere | |
Anforderungen. | |
Gentrifizierung in Berlin: Das Clubsterben geht weiter | |
Früher sorgten oft Lärmbeschwerden für die Verdrängung von Clubs. Heute | |
sind es eher Investoren, die mehr Miete verlangen. | |
Nun auch im Wedding: Spekulation mit Backstein | |
Die Uferhallen an der Panke sind verkauft worden. Zu den neuen Eigentümern | |
gehört auch einer der Samwer-Brüder. Die Zukunft der Künstlerinnen und | |
Künstler ist unklar. | |
Gentrifizierung in Berlin-Neukölln: „Unser Block“ wird aufgeteilt | |
Im Neuköllner Reuterkiez kauft sich ein Investor in eine Erbengemeinschaft | |
ein. Doch die Übernahme des gesamten Häuserblocks scheitert. |