| # taz.de -- Leistungskontrollen bei Onlinehändler: Zalando überwacht Beschäf… | |
| > Mit einer Software sollen Angestellte des Internetunternehmens sich | |
| > gegenseitig bewerten. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert das scharf. | |
| Bild: Das neu eröffnete Headquarter vom Zalando Campus in der Berliner Valeska… | |
| Berlin taz | Mit Empörung hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi auf den | |
| innerbetrieblichen Einsatz einer „Ratingsoftware“ beim Onlineversandhändler | |
| Zalando reagiert. Sich einer solchen Software zur Bewertung der eigenen | |
| Mitarbeiter:innen zu bedienen sei „übergriffig, arbeitnehmerfeindlich und | |
| datenschutzrechtlich höchst problematisch“, kritisierte | |
| Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. | |
| Verdi beruft sich auf eine am Mittwoch veröffentlichte [1][Studie der | |
| gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung]. Darin beschäftigen sich zwei | |
| Wissenschaftler der Berliner Humboldt-Universität mit der Software „Zonar“, | |
| die seit etwa drei Jahren vor allem im Officebereich von Zalando zum | |
| Einsatz kommt. | |
| „Zonar ist ein Beispiel für ein umfassendes System des algorithmischen | |
| Managements, basierend auf Rating- und Scoringtechnologien“, erläutern die | |
| Studienautoren Philipp Staab und Sascha-Christopher Geschke. Im Kern sei es | |
| „ein Instrument zur Erzeugung und Legitimierung betrieblicher Ungleichheit | |
| sowie zur Leistungsvermessung und Kontrolle von Arbeit“. | |
| Zonar orientiert sich weitgehend am Vorbild von Bewertungsportalen im | |
| Internet. Der gravierende Unterschied: Nicht Kund:innen bewerten ein | |
| Produkt, sondern Beschäftigte evaluieren sich gegenseitig. „Die Beurteilung | |
| erfolgt abteilungsübergreifend und über einige Hierarchieebenen hinweg“, | |
| schreiben die Autoren. Im Regelfall würden jedoch vor allem Kolleg:innen | |
| aus dem alltäglichen Arbeitsumfeld bewertet. | |
| ## Zu viele gute Bewertungen unerwünscht | |
| „Die horizontale Kontrolle, die mit Zonar implementiert wird, ist eine | |
| besonders umfassende Form der Leistungsüberwachung“, urteilen Staab und | |
| Geschke. Da es wohl in der Anfangsphase im Schnitt zu viele gute | |
| Bewertungen gegeben habe, seien mittlerweile die Regeln verschärft worden: | |
| Nun sei es verpflichtend, in den umfassenden Leistungsbeurteilungen ebenso | |
| viele Schwächen („Entwicklungsfelder“) wie Stärken („Fähigkeiten“) | |
| anzugeben. | |
| Auf Basis der gesammelten Informationen erstelle dann ein Algorithmus | |
| individuelle Beschäftigten-Scores, die wiederum der Einteilung der | |
| Belegschaft in drei Gruppen dienten: Low-, Good- und Top- Performer – mit | |
| Auswirkungen auf eventuelle Beförderungen oder Gehaltserhöhungen. | |
| Im Prinzip sei jede:r Beschäftigte dazu angehalten, permanent | |
| Aufzeichnungen zum Verhalten der Kolleg:innen anzufertigen, um deren | |
| Leistung, Stärken und Schwächen in Echtzeit zu bewerten, konstatieren Staab | |
| und Geschke. Das Betriebsklima leide, der Stress nehme zu, analysieren die | |
| beiden Soziologen auf Basis von Interviews mit Beschäftigten. So hätten | |
| Zalando-Mitarbeiter:innen ihnen gegenüber von einer „360-Grad-Überwachung�… | |
| „Stasi-Methoden“ oder einem „System der kompletten Kontrolle“ gesproche… | |
| ## Zalando weist jegliche Kritik zurück | |
| In einem [2][schriftlichen Statement] widersprach Zalando „entschieden“ den | |
| Ergebnissen der Studie. Diese sei nicht repräsentativ und enthalte „grobe | |
| faktische Fehler“. So stimme die Aussage nicht, die Mitarbeiter:innen seien | |
| „in keinerlei Prozesse der Mitbestimmung eingebunden“ gewesen. „Tatsächl… | |
| ist die Einführung und Weiterentwicklung von Zonar nach dem | |
| Betriebsverfassungsgesetz mitbestimmungspflichtig und wurde von | |
| Zalando-Betriebsräten mitbestimmt“, so das Unternehmen. | |
| Auch Probleme mit dem Betriebsklima bestreitet das Unternehmen. So habe | |
| eine aktuelle interne Umfrage ergeben, dass 67 Prozent der | |
| Mitarbeiter:innen Zalando „als guten Arbeitgeber weiterempfehlen“ würden. | |
| Nur 13 Prozent erwägten einen Firmenwechsel. „Bei Zalando ist Transparenz | |
| und eine offene Feedbackkultur seit jeher gelebte Realität“, schwärmt der | |
| Versandhändler. Eine Beteiligung an der Studie hatte Zalando abgelehnt. | |
| Nach Unternehmensangaben nutzen mehr als 5.000 der rund 14.000 | |
| Beschäftigten derzeit Zonar. Dabei würden alle datenschutzrechtlichen | |
| Anforderungen eingehalten. „Wir glauben, dass wir den Mitarbeitern mit | |
| Zonar sehr entgegenkommen“, rechtfertigte Zalando-Personalchefin Astrid | |
| Arndt den Einsatz der Software gegenüber der Süddeutschen Zeitung. „Jetzt | |
| fließt ein, wie Kollegen, firmeninterne Kunden und Führungskräfte über | |
| einen denken“, so Arndt. „Dieses System ist fairer als vorher.“ | |
| Verdi-Vorstandsfrau Nutzenberger bleibt bei ihrer Kritik: Die Studie der | |
| Hans-Böckler-Stiftung zeige „eindringlich, wie weit durch Algorithmen | |
| gesteuerte Kontrollen in den Alltag eingreifen und wie | |
| arbeitnehmerfeindlich sie sind“. Sie seien „intransparent, setzen die | |
| Beschäftigten in permanente Konkurrenz zueinander, missachten den | |
| Datenschutz und dienen dem Unternehmen als billige Ausrede, warum man keine | |
| Tarifverträge abschließen will“. | |
| Für die Beschäftigten mündeten solch neue Formen der digital gestützten | |
| Leistungskontrolle „in Überwachung, Druck und Arbeitshetze“. Unternehmen | |
| wie Zalando oder auch [3][Amazon] versuchten, mehr und mehr den Schutz der | |
| Beschäftigten auszuhöhlen und seien „damit Vorreiter für einen neuen Trend | |
| in der digitalen Arbeitswelt“, kritisierte Nutzenberger. | |
| 20 Nov 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.boeckler.de/117819_122791.htm | |
| [2] https://corporate.zalando.com/de/newsroom/de/news-storys/unser-statement-zu… | |
| [3] /Verdi-Chef-Frank-Bsirske-ueber-Amazon/!5486869 | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
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