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# taz.de -- Rocket Internet kündigte trotz Corona: Merkste selbst, ne!
> Gekündigt während der Pandemie: Erst nachdem Mieter:innen auf sozialen
> Netzwerken für Empörung sorgten, nahm Rocket Internet Kündigungen zurück.
Bild: Oliver Samwer: Lässt neuerding auch gerne mal Mieter:innen mit Raketenge…
Berlin taz | Erst nach Medienanfragen und nachdem sich Mieter:innen
öffentlich wehrten, nahm die [1][Investment-Firma Rocket Internet] zwei
Kündigungen zurück, die das Unternehmen am Mittwoch seinen Mieter:innen per
Boten inmitten der Corona-Pandemie zugestellt hatte. Denn während die
Bundesregierung wegen der Corona-Pandemie einen Schutzschirm für
Unternehmen schnürt und Ausgangssperren drohen, wollte die Investment-Firma
Rocket Internet Mieter:innen vor die Tür setzen.
Die Mietergemeinschaft aus der Urbanstraße 67 hatte darauf [2][in einer
Mitteilung] und [3][den sozialen Medien] aufmerksam gemacht. Das Grundstück
und damit zwei Wohnhäuser und ein Fabrikgebäude im Hinterhof hatte Rocket
Internet im vergangenen Herbst gekauft.
„Uns fehlen die Worte. Während ganz Deutschland neue Formen der
gegenseitigen Solidarität erfährt, versucht Rocket Internet die
Corona-Krise gewinnbringend auszuschlachten und die fehlende mediale
Aufmerksamkeit dazu zu nutzen, um Fakten zu schaffen“, sagt Marion G., eine
Mieterin der Hausgemeinschaft.
Die Urban67 hatte umgehend gefordert, dass Rocket Internet die Kündigungen
angesichts der Ausnahmesituation sofort zurücknimmt und nach Abklingen der
Corona-Krise einen runden Tisch einrichtet, an dem gemeinsam mit Bezirk und
Mieter:innen eine gemeinsame Lösung gefunden werden soll.
Die Chefs von Rocket, die milliardenschweren Samwer-Brüder, steckten das
Kapital der Firma und auch eigenes Geld zunehmend in den Berliner
Immobilien-Markt, nachdem sie vor lauter Gewinnen kaum noch wussten, wohin
damit. Bei der Übernahme der Urbanstraße 67 waren sie allerdings auf
Widerstand gestoßen: Eine von der Hausgemeinschaft eingeforderte
Vorkaufslösung scheiterte jedoch.
## „Absolut inhuman“
Auf ihrer Website Urban67 teilten die Mieter:innen mit, bei ihren
Investition hätten die Samwer-Brüder versprochen, dass für alle sozial
verträgliche Lösungen gefunden werden sollten. Sprecherin G. nannte die
Kündigungen angesichts dessen „absolut verantwortungslos und inhuman“.
Die Kündigungen betrafen gewerbliche und teilgewerbliche Nutzung in
Fabriketagen. So ist etwa Michael B. gekündigt worden, ein selbstständiger
Grafik-Designer, der gleichtzeitig in einer Fabriketage lebt und arbeitet,
wie er der taz sagte. Leider habe er einen gewerblichen Mietvertrag – in
diesem Fall zieht kein Kündigungsschutz, und auch viele
Milieuschutzvorgaben sind nicht wirksam.
Er sei richtig perplex gewesen, dass die Firma in dieser Situation habe
kündigen wollen. In der Mitteilung der Urbanstraße wird er noch zitiert
mit: „Während die Politik verspricht, uns Selbstständigen auf Grund von
Corona zu helfen, nimmt mir Rocket Internet die Planungssicherheit und
zwingt mich mitten in der sozialen Isolation dazu, mir ein neues Studio zu
suchen.“
Kündigung sei zeitverzögert zugestellt worden
Rocket Internet behauptete auf taz-Anfrage, die Kündigung zu diesem
Zeitpunkt sei ein Versehen gewesen. Eigentlich sei die Kündigung bereits
Mitte Februar angestoßen worden, aber durch die Hausverwaltung
krankheitsbedingt jetzt erst zugestellt worden. „Die gesamtwirtschaftliche
Situation ist nun eine andere wie [sic] Mitte Februar, und wir werden daher
die zwei Kündigungen zurücknehmen“, schreibt Bettina Curtze von Rocket
Internet.
Nachdem er diese Nachricht bekommen hat, ist B. erleichtert. Dass er nun
dauerhaft bleiben könne, glaubt er allerdings nicht: „Der KfZ-Werkstatt im
Erdgeschoss wurde bereits gekündigt, jetzt war unsere Etage an der Reihe“,
sagte er der taz. Er wohne und arbeite dort seit 17 Jahren.
Auch auf den anderen Etagen sei diese Mischnutzung etabliert – Kreuzberger
Mischung eben. Und im übrigen habe der Bote noch mehrere Umschläge dabei
gehabt, konnte diese aber nicht zustellen, berichtet B.
Ebenfalls empört über diesen Kündigungsversuch ist Katrin Schmidberger,
grüne Sprecherin für Wohnen im Abgeordnetenhaus Berlin. Sie sagt: „In
dieser Situation Leute aus Ihren Arbeits- und Lebensräumen rauszuwerfen,
zeugt von Verantwortungslosigkeit par excellence.“
Schmidberger kennt die engagierte Hausgemeinschaft schon länger und hatte
vergangenes Jahr dabei geholfen, ein Vorkaufsverfahren einzuleiten. Auch
sie erinnert sich daran, dass Rocket Internet stets zugesichert hätte, dass
Mieter:innen keine Angst vor Verdrängungen haben müssten, wie sie der taz
sagte.
„Der Fall ist ein trauriges Beispiel dafür, dass wir eine bundesgesetzliche
Regelung zum Schutz von Mietern brauchen“, sagt Schmidberger angesichts der
Corona-Pandemie. „Wie will man erwarten, dass Leute mit gutem Beispiel
vorangehen, wenn solche Unternehmen so mit ihren Mietern umgehen?“
Als Lösung auf Bundesebene schwebt ihr ein Wohnfonds vor, der Mieter:innen,
aber auch kleinen Vermieter:innen in finanzieller Schräglage helfen soll.
Man müsse das auf Bundes- und Landesebene mit Vertretern von Mieter- und
Wohnungsverbänden diskutieren. Denn mit finanziellen Problemen angesichts
von Corona sind Mieter:innen der Urban67 nicht allein, so Schmidberger:
„Auch andere Gewerbetreibende und Clubbetreiber haben sich bereits bei mir
gemeldet.“
20 Mar 2020
## LINKS
[1] /Rocket-Internet-investiert-in-Immobilien/!5606016/
[2] http://urban67bleibt.de/pm-rocket-internet-kuendigt-mieter-inmitten-der-cor…
[3] https://twitter.com/u67bleibt/status/1240961674535936000
## AUTOREN
Gareth Joswig
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