# taz.de -- Mieten-Demo in Berlin trotz Corona: „Lärmkonzert um 18 Uhr“ | |
> Am Samstag sollten bundesweit Mietendemos stattfinden. Sie werden ins | |
> Haus verlagert. Die Enteignungs-Initiative hält Protest für wichtiger | |
> denn je. | |
Bild: Gut lesbare Demo-Forderung trotz social Distancing | |
taz: Susanna Raab, Sie beteiligen sich mit dem Volksbegehren Deutsche | |
Wohnen & Co enteignen am Samstag an einer Indoor-Demo zum Thema | |
Mietenwahnsinn. Was planen Sie? | |
Susanna Raab: Wir sind Teil des Bündnisses, das [1][bundesweit Demos | |
organisiert]. Mieter:innen wollen sich um 18 Uhr auf ihre Balkone und an | |
ihre Fenster stellen und ein Lärmkonzert mit Topfdeckeln veranstalten. Wir | |
machen zudem noch eine digitale Aktion: Wir stellen mit Schuhen nach, wie | |
viele Leute zur Demo gekommen wären und freuen uns über | |
Social-Media-Kommentare, wer warum auf die Straße gegangen wäre. | |
Wie kann man als soziale Bewegung [2][trotz Social Distancing] Anliegen | |
antreiben? Oder stecken Sie derzeit fest? | |
Ja und nein. Einerseits stecken wir in der misslichen Situation fest, dass | |
wir immer noch auf das Ergebnis der rechtlichen Prüfung unseres | |
Volksbegehrens und eine Einladung zu Gesprächen des Senats warten. Aber es | |
ist natürlich verständlich, dass die Verwaltung gerade mit anderen Dingen | |
beschäftigt ist. Auf der anderen Seite ist in Zeiten von Corona die | |
Wohnungsfrage sehr aktuell und für viele existienziell überhaupt. Es gibt | |
viel zu tun. | |
Was denn? | |
Es gibt den digitalen Raum, wo wir Forderungen stellen können. Gerade jetzt | |
zeigt sich, dass vergesellschafteter Wohnraum die bessere Lösung ist. Wenn | |
alle Bestände in öffentlicher Hand wären, müssten Menschen jetzt nicht | |
befürchten, aus ihren Wohnungen zu fliegen. Mit einer demokratischen | |
Verwaltung hätten wir einen ganz anderen Zugriff. Und wir beobachten | |
natürlich weiter aufmerksam, was die Deutsche Wohnen macht. | |
Am Mittwoch hat die Deutsche Wohnen angekündigt, einen Corona-Hilfsfonds | |
über 30 Millionen Euro für Mieter aufzusetzen. Finanzieren soll das eine | |
geringere Ausschüttung an Aktionäre. Zeigt der Konzern jetzt ein anderes | |
Gesicht? | |
Nein. Das ist eine gute PR-Strategie und ähnelt ihrer Kampagne zu fairen | |
Mieten und fairen Wohnen. Wir haben uns den Geschäftsbericht genau | |
angeguckt. Es ist schön, dass sie einen Hilfsfonds auflegen wollen. Aber | |
die Dividende für die Anleger steigt trotzdem von 87 auf 90 Cent pro Aktie. | |
Nur der Anteil der Gewinne, den sie ausschütten, ist geringer. Das zeugt | |
eher von wirtschaftlichem Kalkül. Denn die Gewinne sind zeitgleich um 11 | |
Prozent gestiegen. Das ist Social Washing. | |
Gerade hat der Bundesrat einen Kündigungsschutz verabschiedet, [3][auch | |
Berlin will Mieter schützen]. Wie bewerten Sie das? | |
Der Kündigungsschutz soll erst mal nur ein paar Monate gelten und ist | |
keinesfalls genug. Wenn wir danach mit Tausenden Euros Mietschulden | |
dastehen, ist niemandem geholfen, außer den Vermietern. Wir wollen eine | |
Aussetzung der Miete und einen Stopp von Zwangsräumungen. Nicht nur in Form | |
von Empfehlungen an private Wohnungsunternehmen, wie der Senat sie | |
ausgesprochen hat. | |
Wie wird sich die Stadt als sozialer Raum verändern? | |
Wir haben viele Gewerbetreibende, etwa Spätis und Bäcker, die trotz | |
Hilfspaketen vor ziemlichen Problemen stehen. Unsere Kieze werden sich | |
verändern, wenn diese Gewerbe dichtmachen. Das Kapital wird sich die | |
Filetstücke unserer Kieze aufteilen. Die Stadt wird ein neues Gesicht | |
bekommen. | |
Wie verändert Corona aus Ihrer Sicht die Wohnungsfrage? | |
Die Pandemie verdeutlicht bereits bestehende Probleme sehr stark. Es gibt | |
ganz unterschiedliche Gruppen, die stark von Corona betroffen sind. | |
Einerseits sind das Menschen, die auf Straße leben, aber auch Geflüchtete, | |
die in Sammelunterkünften untergebracht sind. Diese Gruppen können nicht | |
einfach zuhause bleiben, weil sie kein richtiges Zuhause haben. Dafür | |
werden sie zusammengepfecht, und schließlich unter Quarantäne gestellt. Das | |
ist kein ausreichender Schutz. Dazu gibt es weiter die Wohnungsnot: Viele | |
Leute suchen auch jetzt konkret ein Zimmer, weil etwa ihre Mietverträge | |
auslaufen. | |
Wie sollte man mit [4][leeren Ferienwohnungen umgehen]? | |
Es gibt keinen Grund – generell, aber besonders jetzt – diese Wohnungen | |
leer stehen zu lassen. Man sollte sie sofort beschlagnahmen und für | |
Menschen nutzen, die beengt in Unterkünften und auf der Straße leben. | |
Ebenso könnten Opfer von sexualisierter und häuslicher Gewalt dort | |
unterkommen. Das lässt sich sicher gut machen mit der Beschlagnahmung von | |
Hotels oder Airbnb. Mann kann auf Landesebene über das Seuchenschutzgesetz | |
sicherlich viele Maßnahmen ergreifen. Derzeit sehe ich noch keine richtigen | |
Maßnahmen vom Land und den Bezirken. | |
Gerade wird etwa in sozialen Bewegungen ein [5][Mietenstreik diskutiert]. | |
Wie sehen Sie das? | |
Meiner Meinung nach ist es sicherlich ein Mittel, das man in Erwägung | |
ziehen kann. Aber nur unter der Voraussetzung, dass es rechtlich | |
abgesichert ist und Leute nicht ihre Wohnung verlieren. In Kalifornien | |
haben sich viele bereits angeschlossen und in Spanien rufen gerade über 200 | |
Initiativen zum Mietstreik auf. | |
28 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.housing-action-day.net/ | |
[2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746/ | |
[3] /Massnahmen-fuer-Mieter-in-Berlin/!5670684/ | |
[4] /Coronakrise-und-Ferienwohnungen/!5670747/ | |
[5] /Mietstreik-in-Hamburg/!5673132/ | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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