# taz.de -- Ladenketten kündigen Mietzahlungsstopp an: Knauserige Konzerne | |
> Deichmann, H&M und Adidas wollen während der Coronakrise keine Miete mehr | |
> für ihre Geschäfte zahlen. Politiker*innen rufen zum Boykott auf. | |
Bild: Hamburg, 28. März: eine wegen der Coronakrise geschlossene H&M-Filiale | |
BERLIN taz | Das kleine Restaurant um die Ecke zahlt mit Mühe weiter seine | |
Miete. Einige Großkonzerne reagieren hingegen gewohnt flink auf die | |
Möglichkeit, Mietzahlungen in der Pandemiekrise hinauszuzögern: Nach | |
entsprechenden Ankündigungen am Freitag schlug Firmen wie Adidas, H & M und | |
Deichmann übers Wochenende von allen Seiten Empörung entgegen. | |
Spitzenpolitiker*innen geißelten das Verhalten der Großunternehmen als | |
unsolidarisch, während Kund*innen auf Sozialmedien schworen, nie wieder | |
deren Produkte zu kaufen. „Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre | |
Mieten nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel“, sagte | |
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). [1][Das Hilfsgesetz sei | |
für Unternehmen gedacht, die sich wirklich in Zahlungsschwierigkeiten | |
befinden.] | |
Die Schuhkette Deichmann spekuliert in einer Mitteilung bereits offen | |
darauf, dass sie die einbehaltene Miete auch später nicht nachzahlen müsse, | |
weil der Staat einspringe. Bei Adidas erfolgte der Zahlungsstopp wohl als | |
Teil einer Gesamtstrategie: Freiberufler aus der Werbebranche klagen auf | |
Twitter, der Konzern bezahle mit Hinweis auf Corona seine Rechnungen nicht | |
mehr. Adidas hat im vergangenen Jahr 2 Milliarden Euro Gewinn gemacht und | |
hat laut Bilanz von 2019 gut 800 Millionen Euro auf der hohen Kante. | |
In dem [2][entsprechenden Gesetz] fehlt tatsächlich die Einschränkung, dass | |
die Erleichterungen nur für Privatleute und Kleinunternehmen gelten | |
sollten, nicht für Weltkonzerne mit hohen Reserven. | |
## Politik ist empört | |
Vielleicht reagierten gerade deshalb die Politiker der Regierungskoalition, | |
die das Hilfspaket verabschiedet hat, so betont empört. „Ich bin der | |
Meinung, dass wir unser Gesetz nicht dafür beschlossen haben, dass sich | |
DAX-Konzerne schadlos halten“, sagt der 38-jährige | |
SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post in einem Video, das er am | |
Samstagabend auf Twitter gestellt hat. Darin verbrannte er symbolisch ein | |
T-Shirt des Sportartikelherstellers: „Ich werde keine Adidas-Sachen mehr | |
tragen.“ Zuvor hatte sich auch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) „sehr | |
enttäuscht“ gezeigt. | |
Das Justizministerium hat von Anfang an darauf hingewiesen, dass das Gesetz | |
nicht so gemeint sei, wie die Unternehmen es jetzt interpretieren. Es sieht | |
im Wortlaut nur eine „Beschränkung der Kündigung“ durch den Vermieter vor, | |
keinen landesweiten Mietaufschub für alle Betroffenen. | |
Inzwischen ruderte Adidas-Chef Kasper Rorsted zurück: „Wir zahlen privaten | |
Vermietern die April-Miete.“ Der FAZ sagte Rorsted: „Nur im Ausnahmefall | |
sind unsere Vermieter Privatpersonen; wir haben sie ausgenommen, sie werden | |
ihre April-Miete wie gewohnt erhalten.“ Die meisten eigenen Geschäfte | |
würden von großen Immobilienvermarktern und Versicherungsfonds angemietet. | |
Sie hätten für die Maßnahme, die Mietzahlungen vorläufig einzustellen, | |
„überwiegend Verständnis gezeigt“. | |
## Auch Vermieter sind Menschen | |
Die Bundesregierung hat indes sofort klargestellt: „Die Pflicht des Mieters | |
oder Pächters zur fristgerechten Zahlung bleibt auch in dieser Zeit | |
bestehen.“ Die Vermieter können die Geschäftsinhaber bloß nicht mehr sofort | |
hinauswerfen, wenn sie in Verzug geraten. Es geht also ausdrücklich um den | |
Fall, dass der Mieter kurz vor der Zahlungsunfähigkeit steht. | |
Ökonomen befürchten erhebliche Folgeeffekte, wenn jetzt alle plötzlich ihre | |
Miete nicht mehr zahlen – schließlich geht die Krise an niemandem spurlos | |
vorbei. Auch, wenn es vielen Bürger*innen nicht immer so erscheint: | |
Vermieter sind auch Menschen, und die Betreiber von Gewerbeimmobilien sind | |
ebenfalls Wirtschaftsakteure. | |
Wenn ein Shopping-Zentrum mit Krediten finanziert ist und jetzt die | |
Einnahmen ausbleiben, dann kann der Betreiber seinerseits seine Raten nicht | |
zahlen. Wenn so etwas vielfach geschieht, bringt es die Banken in | |
Bedrängnis. Die wiederum haben dann Schwierigkeiten, neue Kredite an | |
notleidende Kunden zu vergeben – weil ihnen ihrerseits das Geld ausgeht. | |
Die Konzerne betonen, im Interesse ihrer Aktionäre das Geld zusammenhalten | |
zu wollen – doch sie verschärfen dadurch für alle die Wirtschaftskrise. | |
29 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Finn Mayer-Kuckuk | |
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