Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Im Haifischbecken: Großer Fisch will Spielplatz retten
> Ein Investor will einen Spielplatz in Pankow abreißen, obwohl es sowieso
> zu wenig Spielraum gibt. Dagegen wehrt sich der Bezirk vor Gericht.
Bild: Ein Investor will ein Haus, wo ein Spielplatz ist. Im Sandkasten könnte …
Die Hilferufe mehren sich: Ein Café hier, ein Buchladen da, ein
Kindergarten oder gleich ein ganzes Mietshaus – überall in der Stadt
fürchten MieterInnen und Gewerbetreibende um ihre Existenz. Sie werden
hinausgentrifiziert, gekündigt, zwangsgeräumt. Und immer mehr von ihnen
wehren sich. Wir erzählen an dieser Stelle in loser Folge ihre Geschichten.
Die kleinen Fische: Im Schwarm unterwegs können auch kleine Fische
gefährlich sein. Das Grundstück eines Spielplatzes in der
Liselotte-Herrmann-Straße in Pankow gehört einer größeren Gruppe
verschiedener Eigentümer, unter anderem einer Erbengemeinschaft. Und mit
diesem Schwarm ist es kompliziert: Jeder will in eine andere Richtung
schwimmen, alle wollen den Ton angeben. Das führt zu Streit, zwangsläufig.
Anfang 2019 begehrte eine Grundstücksgesellschaft auf, die Erbanteile
besitzt. Aktuell dominiert dieser Investor-Fisch den Schwarm und gibt seine
Richtung vor: Auf dem Grund des Spielplatzes soll baldmöglichst neuer
Wohnraum entstehen. „Im Viertel wurde in den vergangenen Jahren gebaut, was
das Zeug hält. Langsam wünschen sich die Menschen, dass auch ein wenig
Lebensraum übrig bleibt“, sagt dazu Uwe Scholz von der Pankower Initiative
„JA! Spielplatz!!“.
Der große Fisch: Der Bezirk Pankow, ebenfalls Teilbesitzer des Grundstücks,
versucht nun, den Schwarm wieder in die richtige Richtung zu lenken. Er
kämpft um seinen Spielplatz. Aus gutem Grund: Insgesamt leben im
Planungsraum Bötzowstraße, wo der Spielplatz liegt, etwa 12.700 Menschen.
Gut 2.500 von ihnen sind Kinder – prozentual weit mehr als im Berliner
Durchschnitt.
Für den Nachwuchs stehen nur vier Spielplätze zur Verfügung. Der an der
Liselotte-Herrmann-Straße wurde um die Jahrtausendwende gebaut und erst
2015 für 100.000 Euro saniert. Insgesamt sechs Kitas nutzen ihn als
gesetzlich vorgeschriebene Außenfläche.
Pro Bewohner soll das Land Berlin eigentlich einen Quadratmeter Spielraum
zur Verfügung stellen. So sieht es das Berliner Kinderspielplatzgesetz vor.
12.700 Quadratmeter also sind vorgeschrieben – aktuell existieren im
Planungsraum Bötzowstraße inklusive des Spielplatzes in der
Liselotte-Herrmann-Straße aber nur 7.900 Quadratmeter Spielraum. Der Bezirk
ist unter Zugzwang, also wehrt er sich gegen den Investor-Fisch.
Wer frisst hier wen? Der Bezirk will den Investor fressen. Vollrad Kuhn,
stellvertretender Bezirksbürgermeister und zuständig für die
Stadtentwicklung in Pankow, sagt zur Frage, ob neuer Wohnraum sinnvoll ist:
„Entscheidend sind im Bezirk natürlich die Infrastruktur-Bedarfe an
Schulen, Kitas, Spielplätzen und so weiter.“ Erst mal mehr Spielplätze
also, bevor neue Wohnungen gebaut werden. Das sieht der Investor offenbar
anders. Er hat Anfang des Jahres eine Räumungsklage gegen den Bezirk
eingeleitet. Im Februar konterte der Bezirk mit der Eröffnung eines
Enteignungsverfahrens.
Ein solches Enteignungsverfahren dürfte sich Jahre hinziehen. Einfach
gefressen würde der Investor sowieso nicht – bei einer Enteignung steht ihm
der auf dem Markt erzielbare Preis für das Grundstück zu, und zwar zum
Zeitpunkt der Enteignungsentscheidung. Das bedeutet: viel Geld für den
Fisch – dafür, dass er seinen Schwarm verlässt. Er könnte sich dann,
finanziell gut ausgestattet, eine schöne Koralle suchen, auf der es
bestimmt viele Spielplätze für süße Kinderfische gibt.
15 Jul 2019
## AUTOREN
Lukas Waschbüsch
## TAGS
Im Haifischbecken
Berlin-Pankow
Gentrifizierung
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Berlin-Pankow
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Karl-Marx-Allee
Rocket Internet
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Im Haifischbecken: WG, Wedding, Widerstand
Vier Jahre hat sich eine WG gegen ihre Kündigung gewehrt. Am Dienstag steht
die Räumung bevor. Viele wollen dagegen protestieren.
Im Haifischbecken: Eigentum statt Hausgemeinschaft
Ein Immobilienunternehmen will ein Mehrfamilienhaus im Stralauer Kiez in
Eigentumswohnugen umwandeln. Die Mieter fürchten, verdrängt zu werden.
Marode Spielplätze in Pankow: Spielplätze des Neoliberalismus
Das Grünflächenamt Pankow hat keine Mittel für marode Spielplätze. Jetzt
springen Eltern unter anderem mit Geldern von Großfirmen ein.
Berlin droht Umwandlung in Eigentum: Die Stadt der verlorenen Häuser
Trotz Mietenstopp und Vorkaufsrecht winken durch Umwandlung in Eigentum
fette Rendite für Wohnungsunternehmen. Dagegen gibt es Protest.
Im Haifischbecken: Zahnärzte wollen Kasse machen
Eine Hausgemeinschaft wehrt sich gegen ihren Verkauf. Am Käufer Fortis
Group ist das Versorgungswerk der Zahnärzte aus Schleswig-Holstein
beteiligt.
Deutsche Wohnen zieht den Kürzeren: Karl Marx verstaatlicht
Die Wohnungsbaugesellschaft Gewobag übernimmt drei Blöcke in der Berliner
Karl-Marx-Allee. Zuvor waren sie von der Deutsche Wohnen gekauft worden.
Rocket Internet investiert in Immobilien: Samwer-Brüder in Shopping-Laune
Ein erster Kauf scheiterte, doch Rocket Internet will viel Geld in den
Immobilienmarkt investierten. Mieter in Häusern der Samwers klagen.
Im Haifischbecken: Späti in Oranienstraße soll raus
Gentrifizierung in Berlin: Seit 20 Jahren gibt’s den Späti Ora35 in
Kreuzberg, jetzt droht die Räumung. Mit einer Demo wehrt sich nun der ganze
Kiez.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.