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# taz.de -- Im Haifischbecken: WG, Wedding, Widerstand
> Vier Jahre hat sich eine WG gegen ihre Kündigung gewehrt. Am Dienstag
> steht die Räumung bevor. Viele wollen dagegen protestieren.
Bild: Die Initiative „Hände weg vom Wedding“ während der Revolutionären …
Die Hilferufe mehren sich: Ein Café hier, ein Buchladen da, ein
Kindergarten oder gleich ein ganzes Mietshaus – überall in der Stadt
fürchten MieterInnen und Gewerbetreibende um ihre Existenz. Sie werden
hinausgentrifiziert, gekündigt, zwangsgeräumt. Und immer mehr von ihnen
wehren sich. Wir erzählen hier ihre Geschichten.
Die kleinen Fische Eine 4er-WG in der [1][Dubliner Straße 8] in Wedding,
die vor fast genau vier Jahren ihre erste Kündigung erhielt. „Seitdem
wussten wir zu keinem Zeitpunkt, ob wir ein paar Monate später noch in der
Wohnung sein werden“, so Flo, der 2010 die WG mit gründete und nur mit
Vornamen in der Zeitung stehen möchte. Die Anzahl der Gerichtsverfahren,
die sie seitdem führen mussten, kann Flo nicht mehr benennen, aber er
spricht von einem „gigantischen Zeitaufwand“ und „immensen Kosten“.
Viele einstige Nachbarn in dem Altbau sind – oder wurden – in den letzten
Jahren gegangen. Die WG jedoch bestand auf ihren Rechten, wies abstruse
Kündigungsforderungen zurück und organisierte Protest. Zusammen mit dem
Bündnis „Hände weg vom Wedding“ produzierten sie eine inzwischen 43-teili…
Serie aus Bildern und Texten, die Soap Opera „Verdrängt in Berlin“. An
diesem Dienstag ist es nun wohl wirklich so weit: Am frühen Morgen wird die
Gerichtsvollzieherin erwartet, um die Zwangsräumung zu vollstrecken.
Der große Fisch Hauseigentümer ist eine Firma mit dem Namen Großvenediga
GmbH, deren Gesellschafter sich überwiegend in Italien aufhalten und die
mit teuren Wiedervermietungen immer mehr Geld aus ihrer Immobilie presst.
Die „Arbeit“ für sie machen die Hausverwaltung und deren Rechtsanwalt, der
sich für seine „kreativen rechtlichen Lösungen“ rühmt. Flo kann lange
erzählen, mit welchen einfallsreichen Maßnahmen sie aus der Wohnung
getrieben werden sollten: So wurde gegen die WG die unbestritten zulässige
Mietminderung wegen eines Wasserschadens verwendet. Begründung: Diese sei
über die Wochen nicht dem Abtrocknungsgrad angepasst worden. Das
Amtsgericht Wedding spielte mit, musste sich aber von den höheren Instanzen
zurechtweisen lassen.
Erfolg hatten die Verdränger dagegen mit ihrem letzten Versuch: Nach einem
angezeigten Hauptmieterwechsel kündigten sie der Wohngemeinschaft. Diese
sei lediglich ein „Personenzusammenhang“ ohne das Recht, einen neuen
Hauptmieter in den Vertrag eintragen zu lassen. Schließlich könne es sich
bei zwei Männern und zwei Frauen nicht um eine WG, sondern nur um
Paarbeziehungen handeln. Mit ihrer Beschwerde gegen die haltlose Behauptung
scheiterten die vier beim Bundesgerichtshof.
Wer frisst hier wen? Unzählige Kundgebungen und Demos,
Nachbarschaftsversammlungen, ein Adventskalender mit Verdrängungsepisoden
für die Hausverwaltung – das Protestfeuerwerk, das die Dubliner 8 in den
vergangenen Jahren abbrannte, war erstaunlich. Für die Zwangsräumung wurde
der ganze Kiez mobilisiert, tausendfach wurden Flyer verteilt und Plakate
geklebt: Auf mehrere hundert Demonstranten hofft Flo am Dienstagfrüh um 6
Uhr; er sagt aber auch: „Erfahrungsgemäß rückt die Polizei mit so vielen
Beamten an, dass die die Räumung auch durchziehen.“ Hat sich der jahrelange
Kampf dennoch gelohnt? „Für uns selbst nicht“, sagt Flo, „aber
gesellschaftlich gesehen ist so ein Protest eine Notwendigkeit.“ Berlin
entwickle sich in Richtung London, dieser Entwicklung gelte es sich
entgegenzustellen: „Schlimmer kann es ja immer noch werden.“
Auch betroffen? Dann schreiben Sie gerne an [email protected].
5 Aug 2019
## LINKS
[1] /Aktionstage-Mietenwahnsinn-in-Berlin/!5496452/
## AUTOREN
Erik Peter
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Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Berlin-Wedding
Zwangsräumung
Im Haifischbecken
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