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# taz.de -- Im Haifischbecken (6): „Wen wollt ihr hier verarschen?“
> In der Kreuzberger Johanniterstraße 3–6 fürchten MieterInnen um ihr
> Zuhause: Ihre Wohnungen sollen in Eigentum umgewandelt und modernisiert
> werden.
Bild: Keine weitere Gentrifizierung in Kreuzberg – wenn das so einfach wäre
Die Hilferufe mehren sich: Ein Café hier, ein Buchladen da, ein
Kindergarten oder gleich ein ganzes Mietshaus – überall in der Stadt
fürchten MieterInnen und Gewerbetreibende um ihre Existenz. Sie werden
hinausgentrifiziert, gekündigt, zwangsgeräumt. Und immer mehr von ihnen
wehren sich. In dieser Rubrik stellen wir in loser Folge Fälle vor, die
unsere Redaktion erreichen.
Die kleinen Fische Die BewohnerInnen der Johanniterstraße 3–6 haben
kürzlich erfahren, dass aus ihren Mietwohnungen einzelne Eigentumswohnungen
werden sollen. Die Aufteilung des Gebäudes wurde schon im vergangenen
Dezember ins Grundbuch eingetragen. „Die Hausverwaltung fährt eine ganz
spezifisch angelegte Zermürbungstaktik, um uns loszuwerden“, sagt eine
Mieterin der taz, die aus Angst vor einer Kündigung anonym bleiben möchte.
Bis Ende 2028 gelten für das Haus besondere Bedingungen: Erst dann wird es
von den aktuellen Eigentümern mit der Zahlung eines letzten Darlehens aus
dem sozialen Wohnungsbau ausgelöst, so lange gilt für die MieterInnen ein
individuelles [1][Vorkaufsrecht] für ihre Wohnungen. Ziehen sie vorher aus,
haben die Eigentümer beim Verkauf freie Hand.
Aktuell werden die Gebäude umfangreich modernisiert. Außerdem sollen im
Dachgeschoss 14 Wohneinheiten mit jeweils eigener Terrasse entstehen. Das
sei nur dann erlaubt, wenn daraus keine Mieterhöhungen resultierten,
erklärt Eckard Sagitzka vom Wohnungsamt Friedrichshain-Kreuzberg.
Entsprechende Anträge seien noch nicht genehmigt.
Der große Fisch Der Gebäudekomplex gehört der Johanniterstraße 3–6
Liegenschaften GmbH, verwaltet wird er von Accentro und der von Rüden GmbH.
Im Februar stellten die Eigentümer fest, „dass in den verbauten
Fußbodenbelägen und dem verwendeten Fußbodenkleber [2][Asbest] im fest
verbundenen Zustand vorhanden ist“, wie sie auf taz-Nachfrage mitteilen.
Die Mieterin sagt: „Wir vermuten mittlerweile überall Asbest. In der
Fassade, in den Fugen, in den Abwasserrohren.“ Aus den
Modernisierungsplänen der Eigentümer werde nicht ersichtlich, wie der
Giftstoff entfernt werden solle. Vor Kurzem wurden einige MieterInnen wegen
illegaler Untervermietung abgemahnt – etwa deshalb, weil Kinder nach ihrer
Geburt nicht direkt in den Mietvertrag eingetragen worden seien.
Die Mieterin hält das für eine Reaktion: Die MieterInnengemeinschaft hatte
eine Mietminderung wegen der eingeleiteten Baumaßnahmen gefordert. Dieser
These widerspricht die Hausverwaltung: Die Abmahnung sei „in keiner Weise
die Reaktion auf ein Mietminderungsbegehren wegen Baumaßnahmen!“
Wer frisst hier wen? „Leute, wen wollt ihr hier verarschen?“, fragt die
Mieterin. Neue Dachgeschosswohnungen mit Terrasse seien der Inbegriff einer
eigentlich [3][verbotenen Luxussanierung]. „Am Ende werden die Maßnahmen
über höhere Betriebskosten eingeholt“, prognostiziert sie.
Das müsste aber an den Augen des Bezirks vorbei geschehen, der dafür sorgt,
dass die Richtlinien des sozialen Wohnungsbaus eingehalten werden. Um
langfristig bleiben zu können, suchen die MieterInnen nun nach
Privatinvestoren.
Auch betroffen? Dann schreiben Sie an [email protected].
20 Aug 2019
## LINKS
[1] /Diese-Genossenschaft-und-Vorkaufsrecht/!5614702&s=vorkaufsrecht/
[2] /Asbest-Strategie/!5570358&s=asbest/
[3] /Tutorial-gegen-Gentrifizierung/!5580382&s=luxussanierung/
## AUTOREN
Lukas Waschbüsch
## TAGS
Im Haifischbecken
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Verdrängung
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