Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ensemble-Leiter über Musikfestival: „Romantik ist ein Minenfeld�…
> Um Romantik geht es beim Resonanzraum-Festival. Tobias Rempe vom Ensemble
> Resonanz über Schumann, Schubert, musikalische und politische Zombies.
Bild: Wo das Licht der Aufklärung eher nicht so hell scheint: Seeufer-Romantik.
taz: Herr Rempe, sind Sie ein Romantiker?
Tobias Rempe: Nach so viel Beschäftigung mit dem Thema ist diese Frage
überhaupt nicht mehr zu beantworten.
Beschäftigung insofern, als „das Romantische“ Thema des zweiten
Resonanzraum-Festivals nächste Woche ist.
Die Spuren kann man, auf der einen Seite, ja bis heute wiederfinden: in
Protestbewegungen und einer Hinwendung zu mehr Aufmerksamkeit [1][für die
Natur], das Klima, auch der [2][Hambacher Forst]; verschiedenste Sachen.
Darin kann man romantische Bezüge sehen. In einer sensiblen, kritischen
Haltung gegenüber der durchtechnisierten Welt, gegenüber der Herrschaft der
Algorithmen: Überall könnte man positiven Widerstand im Sinne eines
Romantischen sehen.
Aber?
Gleichzeitig steckt das Romantische natürlich auch in den ganzen
[3][rückwärtsgewandten], sehr gefährlichen und Besorgnis erregenden
Bewegungen von Vereinfachung, von einfachen Narrativen; Rechtspopulismus,
Rechtsradikalismus, neuer Faschismus: Politische Romantik ist ja ein
Minenfeld, und da sind die Rechten vorne mit dabei. Insofern, um Ihre
Anfangsfrage zu beantworten: ein klares „Weiß ich nicht“.
Im Zusammenhang mit dem Festival sprechen Sie von „den Spuren dieser
Geisteshaltung“, ihren „zeitgenössischen Blüten“, von denen wir ja schon
einige gestreift haben, gute wie böse Blumen, sozusagen. Wie klar war Ihnen
diese Ambivalenz am Anfang?
Es ist bei der Entwicklung unserer Programme oft so, auch beim Festival,
dass wir bereits bestimmte Künstler haben oder Werke, die uns besonders
interessieren, aber wir wissen vielleicht noch gar nicht genau, warum. Die
legen wir dann nebeneinander und fangen an, sozusagen im Dialog mit dem,
was schon da ist, zu gucken: In welche Richtung führt uns das?
Was lag denn in diesem Fall schon so alles da?
Wir hatten, eigentlich für [4][unsere „Urban String“-Konzerte] eine Sache
in der Entwicklung, die „Juliet Letters“ …
… Elvis Costellos „mondbeglänzte Briefe ins Unbekannte“, gesungen von Jan
Plewka.
Und da haben wir gedacht: Das könnten wir eigentlich auch auf dem Festival
machen – und vielleicht ergibt sich daraus noch mehr? Für uns als
Streichensemble sind die Spuren der Romantik ja auch auf musikalischer
Ebene interessant, weil die musikalische Romantik so eine Art Untotenleben
führt innerhalb der Ästhetik dessen, was allgemein als „klassische Musik“
empfunden wird.
Was meinen Sie da genau?
Filmmusik, manche Konzertprogramm-Compilations, auch die „Neo-Klassik“. Ein
irgendwie untotes, zombiehaftes romantisches Substrat ist in solcher Musik
immer vorhanden. Umso interessanter war es, noch mal genau hinzusehen: Was
ist eigentlich übrig? Inwiefern gerät es auf eine positive Weise in
Konflikt mit der Moderne – und inwiefern auch auf eine gefährliche?
Wer nun denkt: „Ah, endlich auch mal musikalische Romantik im
Feldstraßenbunker“ – wie richtig läge er oder sie damit?
Gibt es im Programm ja auch: Zum Beispiel das erste Konzert „Waldgespräche“
mit Christina Landshamer …
… am Donnerstagabend …
… geht gleich los mit Musik von Fanny Mendelssohn. Das ist auf den Punkt
genau musikalische Romantik. Ebenfalls im ersten Programm sind wir dann mit
Alexander von Zemlinsky und Alban Berg aber auch schon in so einer Art
überspannter Fin-de-siècle-Aufgeregtheit – aber vom Klang und der
Gefühlslage her immer noch in der puren Romantik. Wir kommen da dann noch
mal hin mit dem Liedersalon am Samstagvormittag: Schubert, Schumann, also
noch mal ein romantisches Kernrepertoire, das dann im anschließenden
Salongespräch wieder ins Heute geführt wird.
Da sind Stephanie Töwe von Greenpeace zu Gast, Stefan Willer, Professor für
Neuere deutsche Literatur an der Berliner Humboldt-Universität, und die
Schriftstellerin Marie Rotkopf.
[5][Die Verfasserin des „Antiromantischen Manifests“, genau.] Und auch die
weiteren musikalischen Spuren, die wir verfolgen, haben mit Spannungen zu
tun wie der zwischen analog und digital: Von „analogem Techno“ ist ja im
Programmtext die Rede.
Gemeint ist „Alltagspoesie“ mit Paul Frick am Samstag im Uebel &
Gefährlich.
Genau, oder auch das „Late Night Set“ des Elektronikkünstlers [6][Horațiu
Șerbănescu] am Freitag: Da wird es fast schon schwierig zu erklären, was
daran für uns noch romantisch ist. Aber auch da gibt es diese Spannung
zwischen etwas sehr Ursprünglichem, bulgarischer 9/8-Takt-Volksmusik,
zusammen mit einem gewissen Lo-Fi-Charme – aber es ist natürlich auch
Club-Musik. Und schließlich der Film, zu dem Felix Kubin neue Musik
geschrieben hat…
… am ersten Abend …
… [7][„Dragonflies with birds and snake“] vom Künstler Wolfgang Lehmann:
Das ist ein stroboskophafter Natur-Remix, ziemlich heftig.
Sie saßen mit auf dem Podium, als [8][im November 2018 auch in Hamburg die
„Erklärung der Vielen“] vorgestellt wurde, in der sich die
Kulturschaffenden – zumindest sehr viele davon – positioniert haben gegen
Rassismus, Ausgrenzung und rechten Populismus. Warum war Ihnen das wichtig?
Ich fang’ mal ganz vorne an: Das Anliegen des Ensemble Resonanz ist im
Kern: klassische Musik als eine zeitgemäße Kunstform zu präsentieren; als
etwas, das zu tun hat mit dem heutigen Leben; das als lebendige Kunst im
Austausch damit steht. Dazu gehört auch das, was heute politisch passiert,
oder gesellschaftlich. Unsere gerade zuende gehende Saison in der
Elbphilharmonie stand ja unter dem Motto „Stimme“ …
… eröffnet im September mit dem Abend „Geburt“.
Also das allererste Erheben der Stimme. Davor hatten wir zum Beispiel einen
Sommer lang erlebt, wer gerade besonders erfolgreich darin war, seine
Stimme zu erheben. Das kam von rechts, von der AfD und den dort
beheimateten Rechtsextremen. Da war Chemnitz ja nur ein Höhepunkt. Wir
widmen uns also in einer Konzertsaison der Stimme – aber ausgerechnet die
schaffen es, so laut zu sein: Die, deren Agenda wir als gefährlich
empfinden; von denen wir uns persönlich bedroht fühlen, als Bürger, aber
auch als Künstler. So haben wir also schon die Saison begonnen.
Und dann?
Haben wir uns natürlich auch eingebracht bei der Formulierung der
Erklärung. Es ging um einen möglichst breiten Konsens und darum zu sagen:
Wir wollen eine Autonomie behaupten. Natürlich, die Gefahr für eine
autonome Kunst steht nicht ausschließlich rechts. Die ist sicher auch in
mehrere weitere Richtungen immer wieder zu verteidigen. Dennoch – die große
Sorge ist zurzeit der Blick nach rechts, die allgemeine Tendenz zu
Nationalismus und Rassismus. Deswegen haben wir die Erklärung
unterschrieben.
16 Jun 2019
## LINKS
[1] /!5550712
[2] /!5603041
[3] /!5585190
[4] https://www.ensembleresonanz.com/urban-string/
[5] /!5387826/
[6] https://www.youtube.com/watch?v=c-a3Fbn2e-Y
[7] http://www.imagewolfganglehmann.de/www.imagewolfganglehmann.de/Film__DRAGON…
[8] /Berliner-Kulturinstitutionen-gegen-Rechts/!5549269/
## AUTOREN
Alexander Diehl
## TAGS
Romantik
Neue Musik
Hamburg
Ensemble Resonanz
Konzert
Akademie der Künste Berlin
Abenteuerliche Musik
Romantik
Konzert
Elbphilharmonie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Abend mit Verve in der Elbphilharmonie: Die Sache mit den Konventionen
Beethoven skelettiert, Paukendonner und ein wenig Distinktionsgehuber:
Unter neuem Gastdirigenten eröffnet das Hamburger Ensemble Resonanz die
Saison.
Festival für zeitgenössische Musik: Der seltsamste Sound des Planeten
Es geht um Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur bei dem Festival, und
dazu ist bei „Memories in Music“ auch schlicht sonderbare Musik zu hören.
Jodel-Ausstellung in München: An die Gurgel!
Wie ist eigentlich das Jodeln entstanden? Christoph Wagner beleuchtet das
Phänomen nüchtern in einem Buch und einer Ausstellung.
Die Wochenvorschau für Berlin: Eine Lust ist es zu wandern
Caspar David Friedrich gucken in der Alten Nationalgalerie, sich mit
Protest entrüsten und eine Stunde Vögel zählen: Alles mit Wanderlust.
So war's bei der Elphi-Eröffnung: Der Musen-Tempel ist geweiht
Bei der Eröffnung der beiden Konzertsäle an der Elbe kamen die Erfinder des
Projekts zu kurz: Sie wurden mit keinem Wort erwähnt. Und die Akustik
braucht Nachhilfe.
Neuer Musikfest-Anlauf: Orte für die Ohren
Hamburg hat wieder ein Musikfest. Respekt verdient der Initiator,
Elbphilharmonie-Intendant Christoph Lieben-Seutter, schon dafür, dass er
die teils zerstrittene Szene mit ins Boot bekommen hat. Programmatisch
herausgekommen ist dabei ein hochklassiger, aber unverbindlicher Mix.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.