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# taz.de -- Festival für zeitgenössische Musik: Der seltsamste Sound des Plan…
> Es geht um Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur bei dem Festival,
> und dazu ist bei „Memories in Music“ auch schlicht sonderbare Musik zu
> hören.
Bild: Bei der Musikrecherche in Australien hilfreich: ein Moskitonetz
Es geht ums Erinnern, und das soll gleich geschehen, womit man hier den
Platz an Diedrich Diederichsen übergeben darf. Weil der vor Kurzem in
Sachen Walter Smetak geschrieben hat: „Wahrlich, Leute, es ist die
seltsamste Musik des Planeten!“
Was neugierig machen sollte auf das am Donnerstag startende Festival
„Memories in Music“ der Akademie der Künste (AdK). Auf dem ist nämlich au…
Smetak Thema, und wer mit dessen Musik nicht ganz so vertraut ist, mag
Diederichsens in der taz erschienenen Text „[1][Seltsames mit magischen
Kräften“] – als praktische Erinnerungsübung – nachlesen. Darin schreibt…
Poptheoretiker anlässlich neu aufgelegter Alben des
schweizerischbrasilianischen Komponisten und Instrumentenerfinders so
begeistert wie begeisternd über dessen recht sonderbare Musik, für die man
allemal einen erweiterten Neue-Musik-Begriff braucht.
Julia Gerlach, künstlerische Leiterin von „Memories in Music“, spricht
ohnehin lieber von „zeitgenössischer Musik“, um damit von dem arg an
Partituren klebenden und auf westliche Kunstmusik basierenden
Neue-Musik-Begriff wegzukommen, hin zu einer offeneren Perspektive. Sie
meint auch, dass man beim Blick über den eigenen Tellerrand schon mal
weiter war und diverser aufgestellt, was wiederum wichtig für ihr stets am
Dialogischen, an der Auseinandersetzung interessierten „Festival
zeitgenössischer Musik“ ist.
Neben erstmals aufgeführten aktuellen Werken stehen auch Arbeiten aus den
1970er und 1980er Jahren auf dem Programm, in denen man bereits raus aus
dem engen Korsett wollte und die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen
suchte. Musik von Komponisten wie eben Smetak und Thomas Kessler, dessen
„Dialoge“ von 1977 geschrieben sind für zwei außereuropäische und zwei
europäische Musiker. Und Vocoder, das klangverfremdende Spielzeug der
damaligen Zeit, das – wenigstens als eine Nebenspur des musikalischen
Erinnerns sollte das hier doch den Hinweis wert sein – wirklich stilprägend
etwa beim Maschinengesang von Kraftwerk war.
Weil doch immer was in Musik drinsteckt. Was in ihr aufgehoben sein kann
und in welcher Form, ist ja die Frage, die das „Memories“-Festival
umtreibt. Es ist Teil des aktuellen AdK-Schwerpunkts „Arbeit am
Gedächtnis“, mit dem auch die eigene Institution als „Gedächtnisspeicher�…
neu reflektiert werden soll.
Es geht also um Geschichtsschreibung, um Erinnerungskultur und
gesellschaftliche Transformation, an der auch zeitgenössische Musik
mitwirkt. Da darf man beim Festival auch in entlegenere musikalische
Regionen ausschwärmen wie bei dem „Avant Joik“-Programm: Hier geht es mit
Katarina Barruk und Maja Ratkje um einen traditionellen und
experimentellen Umgang mit Joik, dem mit dem Jodeln verwandten Gesang der
Samen. Und den kann man hier schon deswegen kennen, weil Joik mit Barruk
und Ratkje in den letzten Jahren auch auf [2][anderen Festivals für
avancierte Musik] wie „Ultraschall“ und „CTM“ zu hören war.
Pandemiebedingt sucht man den Dialog bei „Memories in Music“ nicht in
richtigen Livekonzerten mit Publikum, klar, sondern die Konzerte,
Performances und Filme gibt es mit der weiterhin einzuhaltenden sozialen
Distanz im Livestream.
Und dass man sich mit dem Festival und der Sondierung des
Erinnerungsspeichers Musik wirklich was vorgenommen hat, mag man schon am
Eröffnungskonzert „Leichhardt in Australien“ am Donnerstag ermessen. In
gleich zwei Uraufführungen mit Kompositionen von Kirsten Reese und dem in
Finnland geborenen australischen Komponisten Erkki Veltheim, die sich mit
den Forschungsreisen des brandenburgischen Naturwissenschaftlers Ludwig
Leichhardt in Australien im 19. Jahrhundert auseinandersetzen, geht es um
Kolonialgeschichte und indigene Musiksprachen.
In der Annäherung an das Thema haben für Kirsten Reese während ihrer
Recherche in Australien so auch die notwendigen Moskitonetze (wie im Bild
zu sehen) eine musikalische Bedeutung gewonnen. Und Erkki Veltheim gibt in
seinem musikalischen Dialog mit Daniel Wilfred einem Songman des
Wägilak-Clans aus Ngukurr Raum.
Eine weitere Stimme, die unseren Planeten mit den seltsamsten Musiken
ausmacht. Zuhören kann man ihr bei „Memories in Music“.
5 May 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Thomas Mauch
## TAGS
Akademie der Künste Berlin
Neue Musik
Kolonialgeschichte
Diversität
Brasilien
Romantik
Lappland
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