# taz.de -- Kolumne German Angst: Rechter Kulturkampf – gähn | |
> „Aus Europas Geschichte lernen“ heißt die Berliner Kampagne der AfD zur | |
> Europawahl. Anders gesagt: Der weiße Mann hat Angst. | |
Bild: Europa, von Zeus in Stiergestalt entführt (und nicht nur das!) | |
Es gibt sie noch, die Europafans. Fans eines Europas der Völker allerdings. | |
Eines der völkisch definierten Nationen, nicht der staatsbürgerlichen. Und | |
schon gar nicht eines Europas der Staaten. So wie es bei der AfD im | |
Europawahlprogramm steht, Kapitel 1 „Ein Europa der Nationen“, ein Plädoyer | |
für „die Vielfalt“ – „der nationalen Kulturen und Traditionen“, da d… | |
„durch Jahrhunderte dauernde geschichtliche Entwicklungen entstanden“ sind, | |
blablabla. | |
Was das meint, ist eine Union europäischer Volksgruppen, verwurzelt | |
irgendwo im Boden, über Staatsgrenzen hinweg. Talk like it’s 1938. | |
„Aus Europas Geschichte lernen“ heißt die Berliner Mikrokampagne der AfD | |
zur Europawahl. Sie arbeitet mit Motiven aus der europäischen | |
Kunstgeschichte. Dafür wurden alte Gemälde mit dummen Sprüchen versehen. | |
Hintergrund eines Plakates: „Le marché d’esclaves“ (Der Sklavenmarkt) von | |
Jean-Léon Gérôme, entstanden 1866. Darauf: eine nackte, weiße Frau, umringt | |
von in so etwas wie orientalische Gewänder gehüllten Männern, die Ware Frau | |
prüfend. Claim: „Damit aus Europa kein ‚Eurabien‘ wird“. | |
Die Furcht vor der „Umvolkung“ Europas, die Angst, als europäischer Mann | |
die beste Zeit hinter sich zu haben, kennen wir von diversen neurechten | |
oder ziemlich konservativen Autoren und der „Verschwörung gegen Europa“ (= | |
„Eurabien“) à la Anders Breivik. Und welche europäische Geschichte | |
überhaupt? Die Türken vor Wien, die Russen vor Berlin, die Amerikaner vor | |
Bielefeld, die Muslime vor Köln und Dresden. Angst. Angst. Angst. | |
Interessant, dass diese Überwältigungsfantasien fast immer über „die Frau�… | |
gespielt werden, als reine Mutter des Volkes und potentiell durch den | |
animalischen Sex der anderen verführbares Luder. (Im Übrigen wurde die | |
Königstochter Europa selbst von Zeus, einem Eindringling in Stiergestalt | |
geraubt und vergewaltigt, um Grund und Boden klar zu machen. Wie schön ist | |
die europäische Kulturgeschichte, aus der wir lernen!) Ein mindfuck zum | |
Verrücktwerden – den Beweis liefert diese Kampagne. | |
Was lernen wir nun aus der Kunstgeschichte? Der eroberte Frauenkörper als | |
Metapher für die „Umvolkung“ – check. Orientalismus als Instrument des | |
europäischen Rassismus – check. Die Ausgliederung des patriarchalischen, | |
übergriffigen Begehrens in die „Fremden“ – check. Usw. usf. Als wären w… | |
im 19. Jahrhundert und als sei der Nationalstaat noch the latest shit. | |
Aber es ist ja viel simpler, denn das Plakat zeigt vor allem eines: Eine an | |
Straßenkreuzungen (sollten sie da wirklich hängen) und im www den Blicken | |
aller ausgelieferte Frau. Die Vulva bedeckt vom AfD-Emblem. Das ist | |
wirklich komisch – denn da saßen die Kreativchefs mit der Hand in der Hose | |
vor einer nackten Frau in Öl und schoben eine blaue Schleife hin und her. | |
Fertig war die Kampagne. | |
Mal ehrlich. Wenn das nun aus dem Kulturkampf von rechts geworden ist, dann | |
ist das wirklich witzig. | |
19 Apr 2019 | |
## AUTOREN | |
Sonja Vogel | |
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