| # taz.de -- Kolumne German Angst: Auf den Staat ist kein Verlass | |
| > Eingreifen verzögert, Bewertung falsch: Ein Jahr nach Brandanschlägen auf | |
| > Linke in Berlin-Neukölln zeigt sich auch hier ein altbekanntes Muster. | |
| Bild: Im Fall Oury Jalloh drängten zivilgesellschaftliche Gruppen immer weiter… | |
| Vor einem Jahr erreichte eine Serie von Brandanschlägen auf Linke und | |
| AntifaschistInnen in Berlin-Neukölln ihren vorläufigen Höhepunkt. Ganz | |
| offensichtlich wurden sie von Rechten begangen. Für die Behörden aber ist | |
| das nicht so klar. In dem bekannten Mix aus Verzögerung und falscher | |
| Bewertung der Beweggründe wartete man einfach ab – nicht nur die | |
| Tatverdächtigen waren dem Verfassungsschutz bekannt, die Polizei soll sogar | |
| von den Anschlagsplänen gewusst haben. Anstalten, sie zu verhindern, machte | |
| sie nicht. | |
| Ein klares Zeichen an (potenziell) Betroffene rechter Gewalt: Den Staat | |
| kümmert’s nicht. Ob die Anschläge weitergehen, wer weiß das schon? | |
| Vielleicht ja die Polizei. In diesem und in ähnlichen Fällen zeigt sich vor | |
| allem eins: Auf den Staat ist kein Verlass, wenn es um den Schutz des | |
| Einzelnen unabhängig von Herkunft und Biografie geht. Immer häufiger | |
| erledigen linke Initiativen und JournalistInnen dessen Ermittlungs- und | |
| Aufklärungspflichten. | |
| Zum Beispiel im Fall des im Dessauer Polizeigewahrsam durch Gewalt | |
| verstorbenen Oury Jalloh. Von der Initiative Oury Jalloh beauftragte | |
| Gutachten zeigen, dass die Behauptung der Selbstanzündung nicht haltbar | |
| ist. Die Liste der Vertuschungen und strukturellen Bereinigung ist lang. | |
| Zuletzt sagte selbst Dessaus Oberbürgermeister resigniert, „dass wir wohl | |
| nie mehr erfahren werden, was in dieser Nacht dort im Polizeigewahrsam | |
| geschehen ist“. Dass Jallohs Tod nach 14 Jahren noch Thema ist, liegt an | |
| den UnterstützerInnen. Ohne sie wäre der Fall als Selbsttötung zu den Akten | |
| gelegt worden. So bleibt er einer der größten Justizskandale Deutschlands. | |
| Und der NSU. Die rechte Terrorgruppe, die ungestört durch Deutschland zog. | |
| Die Nazis konnten nur deshalb morden, weil das höchste Gut der | |
| Rechtsstaatlichkeit, nämlich der Schutz des Einzelnen unabhängig vom | |
| Lebenshintergrund, missachtet wurde: Zehn Menschen wurden ermordet, 43 | |
| Mordversuche verübt – doch die Behörden schlossen Nazis als Täter aus. Hier | |
| ermittelten dann wenige in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen – | |
| anstelle der Sicherheitsbehörden. Und heute? Mit Tod und Verhaftung von | |
| Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe liegt „die Sache“ nun wieder im Aktenschrank. | |
| Denn ein Neonazi-Netzwerk bis in die Behörden hinein? Wäre ja | |
| unvorstellbar. So unvorstellbar wie eine Mordserie von Nazis eben. | |
| So unvorstellbar eben wie ein rechtes und potenziell terroristisches | |
| Netzwerk von Preppern in Bundeswehr und Co. – von dessen Existenz wissen | |
| wir nicht durch Behörden, sondern durch [1][Recherchen] der [2][taz] und | |
| anderer Medien. | |
| Dass auf den Staat kein Verlass ist, wenn es um Rassismus und | |
| Rechtsterrorismus geht, erfuhr zuletzt auch Seda Başay-Yıldız, Anwältin von | |
| NSU-Überlebenden. Ihr hat der „NSU 2.0“ wiederholt mit Mord gedroht – so | |
| stieß man nebenbei auf eine rechtsextreme Chatgruppe der Frankfurter | |
| Polizei. Auch sie gehört zu jenem Netzwerk, das es unmöglich geben kann. | |
| 22 Jan 2019 | |
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| Sonja Vogel | |
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